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Bernd Mayländer zu Spa: "Da haben sich einige vergriffen!"

Safety Car-Pilot Bernd Mayländer im Gespräch mit motorline.cc, Teil 1: Über das ganz und gar nicht normale Rennwochenende in Spa-Francorchamps.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Wolfgang Wilhelm, Photo 4

Das Safety Car - am letzten Wochenende hat man es in Spa-Francorchamps mehrmals im Einsatz gesehen - in der GP2-Serie gab es gleich mehrfache Einsätze. Denn das berühmte belgische Wetter zeigte sich diesmal von seiner ganz belgischen, beinharten Seite.

Bernd Mayländer fährt seit fünf Jahren das Safety Car in der Formel 1 - und auch, seit 1999, in der GP2 respektive der Vorgängerserie Formel 3000. Bislang war der Deutsche auch erfolgreich als Rennfahrer tätig, zuletzt in der DTM - heuer jedoch konzentriert sich Mayländer auf seinen Safety Car-Job. Begonnen hat er mit dem Kartsport, wechselte 1991 kurz in die Formel Ford, um danach den Tourenwagen treu zu bleiben: FIA-GT-Serie, Porsche Supercup und DTM. Mayländer war Nachwuchsfahrer des Jahres 1994, feierte Siege im Porsche Cup, in der FIA-GT-WM und auch in der DTM.

Im ersten Teil unseres Gesprächs geht es um das verrückte Spa-Wochenende, im zweiten Teil (am Montag auf motorline.cc) verrät der sympathische Deutsche, wie ein Grand Prix-Weekend für den Safety Car-Piloten abläuft und im letzten Teil (am Mittwoch auf motorline.cc) widmen wir uns seiner persönlichen Karriere und den skurrilen Erlebnissen, die auch einem SC-Fahrer nicht erspart bleiben...

Bernd Mayländer im Exklusivinterview (Teil 1)

Bernd, am letzten Wochenende in Spa - da hattest du recht viel zu tun?

Bernd Mayländer: Ja, das waren auch sehr schwierige Bedingungen dort. Mir ist es ja lieber, wenn ich nicht zum Einsatz komme - weil das immer auch bedeutet, dass nichts Schlimmes passiert ist.

Am Sonntag, im Formel 1-Rennen, haben viele während der Safety Car-Phase und auch danach zu Trockenreifen gegriffen, doch sie sind alle wieder reumütig an die Box gekommen, um wieder auf Intermediates zu wechseln. Wieso können sich so viele Topfahrer dermaßen irren?

Bernd Mayländer: Das liegt zum einen am Reifenreglement. Die Reifen müssen in diesem Jahr ein Rennen lang halten, daher sind die Trockenreifen wesentlich härter als im letzten Jahr. Dann kam hinzu, dass man leicht annehmen konnte, dass die Strecke abtrocknen würde, denn es hat ja weder geregnet noch genieselt - es gab einfach so viel Luftfeuchtigkeit, dass die Strecke nicht abgetrocknet ist. Ich selbst dachte auch, dass man bald mit den Rillenreifen raus fahren könnte. Außerdem war es das erste Regenrennen in diesem Jahr und da haben sich halt einige vergriffen. Denn letztlich konnte man erst vier Runden vor Schluss auf Trockenreifen wechseln.

Das hat man bei Williams gesehen...

Bernd Mayländer: Man muss aber auch dazusagen, dass sich von den Topteams keiner vertan hat.

Du zählst demnach Ferrari nicht mehr zu den Topteams?

Bernd Mayländer: Also ich hab nichts gegen Ferrari, ich bin da auch vollkommen neutral eingestellt. Aber Ferrari sehe ich in diesem Jahr nicht wirklich als Topteam. Ich bin schon auch ein Michael Schumacher-Fan, keine Frage, aber trotzdem - die Topteams sind in diesem Jahr Renault und McLaren-Mercedes.

Am Freitag gab es in Spa sintflutartige Regenfälle. Im zweiten freien Training fuhren drei Piloten auf die Piste, wobei einer davon, Tonio Liuzzi, einen heftigen Crash hatte. Und so fuhr niemand mehr raus, die Fans traten enttäuscht die Heimreise an. Liegt das an den aktuellen Regenreifen oder ist es wirklich unmöglich, bei solchen Bedingungen mit einem Formel 1-Boliden zu fahren?

Bernd Mayländer: Naja, das liegt sicher auch an den Regenreifen, aber die Reifenfirmen dürfen ja auch nur eine Mischung mitbringen - wobei ich dazusagen muss, dass ich kein Reglementspezialist bin, was die Reifen betrifft. Aber prinzipiell schwimmen Formel 1-Autos, oder auch die GP2-Boliden, natürlich viel leichter auf als beispielsweise mein Safety Car. Ein Formel 1 hat in etwa 650 Kilogramm, mein Mercedes hingegen wiegt 1500 Kilogramm. Eine Luftmatratze schwimmt leichter auf als ein Lastkraftwagen, wenn ich das mal so vergleichen darf. Prinzipiell war die Strecke am Freitag freigegeben, die FIA hat es den Teams freigestellt, zu fahren oder nicht zu fahren. Und sie entschieden sich dafür, nicht zu fahren, weil sie es nach dem Unfall von Liuzzi als zu gefährlich eingestuft haben.

In der GP2-Serie gab es ja auch sehr viel zu tun für dich...

Bernd Mayländer: Da gab es einige Zwischenfälle und ich bin sehr oft zum Einsatz gekommen. Ich kenne ja auch alle Fahrer aus der GP2, bin auch bei den Meetings mit den Formel 1-Rennfahrern dabei.

Jetzt musst du ja bei einem solchen Einsatz immer auch daran denken, dass ein Formel 1-Auto oder ein GP2-Bolide leichter Aquaplaning haben kann im Regen. Leichter zumindest, als das bei deinem Auto der Fall ist. Kam es schon vor, dass ein Fahrer per Funk meldete: 'Das ist zu schnell, da kommen wir nicht mit?'

Bernd Mayländer: Das ist bislang sehr selten vorgekommen, dass gesagt wurde, du bist zu schnell unterwegs. Wenn das passiert, bekomme ich von der Rennleitung den Funkspruch "Slow down!" - aber meistens heißt es: "Geschwindigkeit beibehalten!". Klar tue ich mir - im Regen - leichter als die Formel-Piloten.

Bei Trockenheit sieht das anders aus?

Bernd Mayländer (lacht): Bei Trockenheit fahre ich am Limit, während die Formel 1-Piloten auf einer Kaffeefahrt unterwegs sind. Die Formel 1-Autos sind ja doch um einiges stärker. Gut, eine Kaffeefahrt ist es zwar dennoch nicht - aber während ich also am Limit fahre, können die Formel 1-Fahrer locker um den Kurs fahren - aber so soll es ja auch sein. Dafür ist die Safety Car-Phase ja auch gedacht.

Und was passiert, wenn sich der Safety Car-Pilot mal übernimmt und sich ins Kiesbett verabschiedet?

Bernd Mayländer (lacht): Da muss ich sagen: Toi, toi, toi - aber das ist bislang noch nie vorgekommen. Natürlich kann so etwas passieren, denn man fährt als Safety Car-Pilot wirklich am Limit.

Was würde dann geschehen?

Bernd Mayländer: Dann würde ein zweites Safety Car auf die Strecke kommen, in dieser Zeit würde kurzzeitig das führende Formel 1-Fahrzeug diese Rolle übernehmen und das Tempo vorgeben, bis sich das zweite Safety Car an die Spitze setzt. Aber ob ich da nach einem solchen Vorfall ein Interview geben würde? Ich glaube ich würde mich lieber so schnell wie möglich aus dem Staub machen (Gelächter).

Lesen Sie am Montag den zweiten Teil des Gesprächs mit Bernd Mayländer - wie das Wochenende des Safety Car-Piloten abläuft...

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