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Max Mosley & seine wilden grünen Reformpläne

FIA-Präsident Max Mosley hat in einem Welt-Interview zu seinen umfassenden Reformplänen Stellung genommen. Die neue Öko-F1: Viel Theorie, wenig Konkretes...

Michael Noir Trawniczek

Steigende Spritpreise, Ölkrise, Klimaprobleme. Eine Thematik, mit der sich die Formel 1 bis vor kurzem nicht wirklich beschäftigt hat. Wobei es prinzipiell wichtig und nötig ist, sich damit zu beschäftigen. In seinen kürzlich veröffentlichen Plänen für die Zukunft der Formel 1 möchte FIA-Präsident Max Mosley auch genau diese Themen behandelt wissen, allerdings sind seine Vorschläge einmal mehr umstritten - in einem Interview mit der Welt nahm er dazu Stellung, wenngleich er die Fragen eher philosophisch beantwortete - konkretes sollen, so bald wie möglich, wieder einmal und in aller (wahrscheinlich nicht vorhandenen) Einigkeit "die Hersteller" liefern...

Sündteure Sparmaßnahmen. Seit Jahren werden jährlich neue Regeln eingeführt, um den Herstellern beim Sparen zu helfen, mitunter wurden diese Neuerungen erst recht zum Kostenvernichter, wenn beispielsweise zunächst der V10-Motor haltbar gemacht wurde und ein Jahr später ein V8-Motor zu entwickeln war, dessen Lebensdauer wiederum nach einem weiteren Jahr zu verdoppeln war, und so weiter und so fort...

Weshalb auch der Begriff "sündteure Sparmaßnahmen" entstanden ist. Was Mosley treibt, ist die Angst, dass die Hersteller aus der Formel 1 aussteigen könnten: "Meine Erfahrung sagt: Wenn erst ein Hersteller aussteigt, verabschiedet sich auch sehr schnell der eine oder andere, denn in den Vorständen der großen Konzerne sitzen nicht nur Formel-1-Fans."

Ein Wahnsinn. Dass die Hersteller gar nicht wirklich sparen wollen, hat Mosley nun auch bemerkt: "Wir haben festgestellt, dass nur zwei Hersteller ihre Budgets verkleinert haben. Die anderen haben trotz des Einfrierens der Motorleistung für 2007 ihre Budgets beibehalten. Statt zu sparen, wird dort in einem Millimeterbereich mit demselben Millionenaufwand weiterentwickelt, der möglicherweise nur drei oder vier PS Leistungssteigerung bringt. Das ist ein Wahnsinn."

Mosley spricht aus dem Nähkästchen: "Ein anderes Beispiel für diesen falschen, weil veralteten Denkansatz, ist: In einem Formel-1-Team werden zurzeit Radschrauben verwendet, das Stück für 1200 Dollar. Diese Schrauben können nur einmal verwendet werden, dann sind sie nicht mehr zu gebrauchen. Das betreffende Team braucht deshalb pro Jahr 1000 Stück davon. Das macht 1,2 Millionen Dollar nur für Schrauben. Die FIA muss diese verrückte Interpretationsform von Leistungsdenken korrigieren."

Der Bezug zur Serie. Wie die FIA das erreichen möchte, klingt recht theoretisch: "Wir versuchen, mit dem neuen Programm, das ab 2011 in Kraft treten soll, die Kreativität und den Aufwand der Formel-1-Technik in eine nützliche Richtung zu lenken. Kurz gesagt: Wir haben mit den Entwicklungsleuten und Vorständen der großen Hersteller gesprochen und ihnen vorgeschlagen, wenn sie schon Millionenbeträge in die Motorenentwicklung stecken, warum dann nicht mit der Philosophie, mehr Leistung aus weniger Energie oder beschränkter Energie? Die Idee dahinter ist, eine Überlappung der Formel-1-Technik mit der Technik ihrer Serienautos zu erreichen. Je größer die Überlappung dieser Entwicklung ist, desto mehr wird gespart, und es würde ein sinnvoller Fortschritt in Bezug auf Klimaschutz für alle Beteiligten erreicht."

Energierückgewinnung. Konkret soll es dabei um Energierückgewinnung gehen. Die Energie, die beim Bremsen freigelegt wird sowie die Motorhitze sollen "eingefangen" und wieder verwertet werden. Die Rede ist von 2,2 Liter-V6-Turbomotoren. "Ab 2011 wird die Menge des zur Verfügung stehenden Benzins bei Rennen und Training begrenzt. Dazu wird dem handelsüblichen, fossilen Treibstoff Bio-Treibstoff hinzugefügt. Ziel ist, dass im Laufe der Jahre der Anteil der Bio-Masse steigen könnte und sich trotzdem eine höhere Effizienz in Bezug auf Leistung erreichen lässt", sagt Mosley.

Energiehaushalt. Diese Leistung soll künftig auch direkt über die Effizienz definiert werden - zumindest in der Theorie klingt es gut, wenn Mosley sagt: "Grundsätzlich Höchstleistung nur noch über Effizienz definieren und nicht wie vor hundert Jahren über Hubraum oder Drehzahl. Wir müssen aus weniger mehr machen und nicht aus sehr viel nur noch viel mehr. Also limitieren wir die Leistung über effizienten Energieeinsatz und nicht über Volumen. Die aktuelle Frage lautet doch nicht, wie groß ein Motor sein soll, sondern wie viel Energie er verbraucht. Also werden wir in Zukunft nur noch aus einem beschränkt zur Verfügung stehenden Energiepotenzial das Maximale herauszuholen. Die Erfolgsgleichung lautet: Wer den stärksten und besten Motor haben will, muss die limitierte Energie am besten verwalten. Zum vernünftigen Umgang mit den Energieressourcen kommt das Problem der Betriebskosten des Sports und in diesem Zusammenhang die Verbesserung seiner Attraktivität für die Zuschauer."

10.000 U/min. Wie so etwas konkret gehandhabt werden soll respektive wie dieses Motorenreglement und dessen Einhaltung kontrolliert werden soll, wird aus Mosleys Aussagen nicht ersichtlich. Die erwähnten 2,2 Liter Sechszylindermotoren sollen dann nur noch 10.000 U/min drehen, anstatt der bisher üblichen 19.000 U/min - viele Fans fragen sich, ob das dann noch die Königsklasse des Automobilrennsports sein kann. Denn hören wird man den Unterschied...

Schon jetzt wird vielfach kritisiert, dass die Vorgaben für den aktuellen F1-Motor derart restriktiv und eng seien, dass es sich de facto um einen Einheitsmotor handeln würde. Für eine Öffnung des Motorenreglements, eine Vielfalt der Antriebssysteme, wie sie etwa in den Siebzigerjahren üblich war, scheint in Mosleys Plänen kein Platz zu sein.

Auf des Messers Schneide. Mosley hat, so scheint es, ganz andere, und durchaus auch berechtigte Sorgen, er hat sich den großen, den wesentlichen Problemen verschrieben, er sieht die Existenz der Formel 1 gefährdet: "Autos, die 75 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen, sind nicht mehr cool. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den nächsten fünf Jahren aus politischen Gründen zu einer Ölkrise kommen wird, ist sehr groß. Wir können nicht fröhlich und unbekümmert bei Formel-1-Rennen starten, wenn die Menschen kein Benzin mehr bekommen, um zur Arbeit zu fahren. Sie sehen, die Formel 1 lebt auf des Messers Schneide." Dass verschiedene Antriebssysteme unter Beibehaltung der von der FIA angestrebten Effizienz sogar sehr nützlich für die Serie sein könnten, dass dies sogar weitere Hersteller anziehen könnte, dieser Meinung scheint Mosley nicht zu sein. Sein Weg scheint die Vereinheitlichung der Bauteile zu sein, was viele Fans beunruhigt.

Nur ein neues Chassisreglement. Zu den de facto-Einheitsmotoren gesellen sich die bereits eingeführten Einheitsreifen, dazu kommt eine einheitliche elektronische Steuereinheit, die Standard-ECU, die per 2008 eingeführt wird. Und es kommt nicht von ungefähr, dass es in Monaco Gerüchte gab, Mosley wolle auch ein Einheitschassis einführen. Doch der FIA-Präsident winkt ab: "Nein, nur ein neues Chassisreglement. Damit werden wir die Kosten und die Umweltbelastungen reduzieren und gleichzeitig den Sport attraktiver machen." Auf die Frage, wie er das bewerkstelligen möchte, reagiert Mosley mit einer Gegenfrage: "Wissen Sie, wie viel Energie oder Co2 in die Luft geblasen wird, wenn bei den Top-Teams Tag für Tag zwei Windtunnel 24 Stunden rund um die Uhr laufen? Das sind hunderttausend Tonnen und mehr. Mit dem wirklich unglücklichen Ergebnis, dass am Ende die Formel-1-Rennen langweilig sind."

Das Überholproblem. Mosley spricht das gute, alte Überholproblem an, denn die Aerodynamik ist die "Heilige Kuh" im F1-Zirkus, manche Hersteller betreiben zwei Windkanäle, bauen diese selbst, da wurde und wird so viel investiert, dass sich die Hersteller mit allen Mitteln dagegen sträuben, auf diesem gebiet abzurüsten, selbst wenn klar ist, dass die sensible Aerodynamik das Überholen erschwert. Mosley sagt: "Durch die extrem ausgefeilte Aerodynamik wird das Überholen verhindert. Wir wollen mit einem neuen Reglement das Überholen erleichtern. Das geht nur, wenn die Autos aerodynamisch einheitlich so konstruiert sind, dass das hintere Auto schneller fahren kann als das führende Auto. Alles andere funktioniert nicht." Dazu gab es bereits eine Studie der FIA, die gemeinsam mit einer Computerfirma erstellt wurde - der CNG-Heckflügel. Doch als einige F1-Teams diesen unter die Lupe nahmen, erkannten sie, dass damit das Problem verschlimmert werden könnte. Seither gibt es keine konkreten Vorschläge, wie man das Problem der "Dirty Air" bewältigen könnte. Von der FIA kamen seither nur Lippenbekenntnisse auf diesem Gebiet.

Schon ab 2009 wird die Energierückgewinnung in Kraft treten, Mosley möchte seine Reform für 2011 so schnell wie möglich vorantreiben: "Die Hersteller haben sechs Monate, also bis zum 31. Dezember, Zeit, ihre Ideen und Vorschläge einzubringen. Wir werden alles objektiv und fair mit ihnen besprechen. In jedem Fall aber tritt das neue Reglement ab 1. Januar 2008 für 2011 in Kraft." Das alte System des Max Mosley: Entweder ihr einigt euch auf Vorschläge, und zwar bis zum Tag X, oder ich diktiere das Regelwerk.

Bezeichnend ist auch, dass Mosley nur von den "Herstellern" und nicht von den "Formel 1-Teams" spricht. Denn noch gibt es neben den Automobilkonzernen unabhängige F1-Rennställe in der Königsklasse...

Noch eine "Heilige Kuh", die Traktionskontrolle. Und so verwundert es auch nicht, dass zwar ab 2008 die Traktionskontrolle verboten wird - was in den Umfragen der FIA Millionen von Fans gefordert hatten - dass aber in den Vorschlägen für 2011 lapidar erwähnt wird, dass mit den angestrebten 2,2 Liter V6-Motoren "die Traktionskontrolle wieder eingeführt werden könnte" - aus welchen Gründen auch immer...

Kurz und bündig stellt sich der 67-jährige Brite die Formel 1 folgendermaßen vor: "Im Prinzip soll die neue Formel 1 so aussehen, dass die Hersteller günstige, für fünf Rennen haltbare Motor-, Getriebe- und Elektronikeinheiten bauen und die Teams die dazu passenden Chassis."

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