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Formel 1: Kommentar

Die FIA, ihr geächteter Präsident - und wie die F1 damit umgeht

Die oberste Sportbehörde FIA blickt einem schwierigen Grand Prix entgegen - ihr Präsident kommt als unerwünschte Person nach Monaco...

Michael Noir Trawniczek

Am übernächsten Wochenende werden wieder einmal die viel zitierten "Schönen & Reichen" durch die Gassen von Monaco flanieren und die Objektive der Fotografen suchen - beim Formel 1-Grand Prix werden schließlich wieder jene Boulevardmedien vom "Glitzerevent" berichten, die sonst nur wenig mit Motorsport anfangen können. Ein "gesellschaftliches Ereignis" ist dieser Grand Prix - doch diesmal wird alles ein bisschen anders sein...

Weil er wie viele andere seinen Wohnsitz im steuerfreundlichen Monaco hat, möchte FIA-Präsident Max Mosley ebenfalls den Grand Prix besuchen. "Schließlich wohne ich dort", sagte er unlängst. Und schließlich repräsentiert Max Mosley Jahr für Jahr die Oberste Sportbehörde FIA im Fürstentum - inklusive einem prächtigen Dinner mit Fürst Rainer von Monaco.

Doch auch das wird diesmal Berichten zufolge anders sein - seit das Boulevardblatt News of the World ein Video veröffentlicht hat, das Max Mosley beim Betreiben von sadomasochistischen Praktiken mit fünf Prostituierten zeigt, musste sich Mosley nicht nur mit zahlreichen Rücktrittsforderungen abfinden - der Brite wurde vielmehr zu einer "unerwünschten Person". Bei seinem ersten Auftritt nach der Affäre, im Rahmen der Jordanien-Rallye, wirkte Mosley deplatziert, die Personen an seiner Seite wiederum wirkten verspannt. Eine offizielle Einladung nach Israel wurde umgehend zurückgenommen - mit dem Verweis, der zuständige Minister habe nichts vom Mosley-Skandal gewusst...

Anwesender Mosley muss vertreten werden

Schenkt man den jüngsten Berichten Glauben, wird es in Monaco nicht anders sein. Ganz im Gegenteil - laut einem Bericht der Daily Mail soll die Grimaldi-Familie erwirkt haben, dass Mosley in Monaco nicht in seiner Funktion als FIA-Präsident auftreten wird. Die Oberste Sportbehörde soll dem Wunsch des Fürsten entsprochen haben - als offizieller FIA-Vertreter soll nun Mosleys Stellvertreter Marco Piccinini agieren. Zudem soll die Fürstenfamilie danach verlangt haben, von Mosley abgeschirmt zu werden. Klar, dass Mosley daher auch auf das Galadinner im Anschluss an das Rennen verzichten muss.

Die Oberste Sportbehörde FIA muss sich offenbar damit abfinden, dass ihr Präsident eine "Persona non grata" geworden ist - eine unerwünschte Person, der man nicht einmal die Hand geben möchte. Fast schon Komödiencharakter haben jene Berichte, wonach die Formel 1-Teams eigene "Spotter" engagieren wollen, die im Paddock umherlaufen und Mosley beobachten sollen. Mit dem Zweck, die Entscheidungsträger der Teams über dessen Standort zu informieren - um ja nicht mit ihm in Berührung zu kommen oder ihm gar die Hand schütteln zu müssen. Schließlich lauern die Fotografen...

Die Nazi-Untersuchung

Die Formel 1 wird also in Monaco ein seltsames Bild abgeben - und ein trauriges noch dazu. Denn im Grunde wird Mosley wie ein Schwerbrecher behandelt - auch wenn viele Menschen zustimmen, dass seine sadomasochistischen Neigungen dem Privatleben zuzuordnen sind und er auch nichts verbrochen hat. Doch da gibt es auch den angeblichen "Nazi-Beigeschmack" - den das britische Boulevardblatt von Beginn an forciert hat, um Mosley als "perversen Nazi" dazustellen und damit die Verkaufszahlen zu erhöhen. Das Video hat keine Beweise für eine Gutheißung der Nationalsozialisten oder gar eine Wiederbetätigung geliefert - selbst die Behauptung einer Prostituierten, Mosley habe ein "Nazi-Szenario" bestellt, was Mosley zudem bestreitet, bedeutet nicht, dass sich Mosley durch das Nachspielen eines solchen Szenarios quasi als Nazi geoutet hat.

Zugleich hat Mosley noch immer keine klare Stellungnahme zu seiner Gesinnung geäußert - in seinen Jugendjahren war Mosley immerhin Mitglied einer von seinem Vater Oswald Mosley gegründeten faschistischen Bewegung. Der Präsident hat im Rahmen der von der FIA gegründeten "Anti-Rassismus-Kampagne" erklärt, der Rennsport sei für ihn deshalb eine Art Insel gewesen, weil ihn niemand nach seinem Vater gefragt habe. Die FIA hat unlängst eine Untersuchung beauftragt, welche klären soll, was es mit dem Nazi-Zusammenhang auf sich hat - keine leichte Aufgabe, zumal das Video an Szenarien der Konzentrationslager erinnert, dieser Umstand jedoch keine wirklichen Rückschlüsse auf die Gesinnung des Präsidenten zulässt. Eine klare Distanzierung vom Nationalsozialismus seitens Max Mosley wäre wohl einfacher und ganz besonders hilfreich...

Wie auch immer. Für die FIA wird der Monaco-Auftritt des Präsidenten kein leichtes Unterfangen, selbst wenn oder gerade weil Mosley nicht in seiner Funktion auftreten wird. Der Umstand, dass es erst Monate nach der Affäre zu einer Entscheidung über den Verbleib des Präsidenten kommt, wird weltweit wahrgenommen werden und Fragen aufwerfen - schließlich kann ein Szenario wie jenes, das in Monaco zu erwarten ist, nicht im Sinne einer solchen Organisation sein. Dabei ist immer noch unklar, wie die Delegierten bei der außerordentlichen Generalversammlung am 3. Juni abstimmen werden - was passiert, wenn Mosley bestätigt wird?

Viel zu tun

Max Mosley hat sich redlich bemüht, der Welt zu signalisieren, dass er noch hundertprozentig einsatzfähig ist oder es zumindest sein möchte. Es wurden einige Regelvorschläge veröffentlicht - darunter ein Stufenplan für die Einführung von KERS oder der unlängst vorgelegte Plan für die Einführung einer Budgetobergrenze.

Es gibt auch genügend zu tun - es müssen die Weichen für die Zukunft, nicht nur jene der F1, auch jene der Rallye-WM, gestellt werden. Dort gibt es, entgegen den "grünen Bekenntnissen" des Präsidenten, noch nicht einmal die Möglichkeit, einen Alternativantrieb einzusetzen - während in der Rallye-ÖM bereits drei verschiedene solcher Antriebe vertreten sind und es bereits den legendären Sieg eines Erdgasautos gab...

Ein Erbarmen gibt es nicht

Laut der österreichischen Zeitschrift Sportwoche soll Mosley einen speziellen "Ablenkungsplan" für Monaco in der Schublade haben: Er wolle einen "handfesten Skandal rund um die F1-Macher inszenieren - der Peitschenknaller kennt kein Erbarmen", schreibt Gerald Enzinger in seinem Kommentar.*)

Kein Erbarmen zeigen wieder einmal viele - die Formel 1 wird an jenem Ort, an dem nicht alle, aber einige sich besonders wichtig haltende Menschen dem Blitzlichtgewitter nachhecheln, in Sachen Mosley ein Sittenbild abgeben, das zwischen Haifischbecken und Tragikkomödie angesiedelt ist. Ein Mensch, der bislang als Präsident der mächtigen Sportbehörde wenig Erbarmen gezeigt hatte, wird bei den Entscheidungsträgern des F1-Zirkus genauso wenig Erbarmen vorfinden. Und wenn Gerald Enzinger Recht behält, wird der Präsident daraufhin mit seinem "handfesten Skandal" noch weniger Erbarmen zeigen - und so weiter und so fort. Wir lernen - oder wissen es längst: Es gibt kein Erbarmen in der Formel 1. Zyniker würden jetzt schreiben: Die "Königsklasse" wird in Monaco demonstrieren, wie gesittete Menschen miteinander umgehen...

"Achtung, Achtung - der Präsident steht gerade beim Schwimmbecken - bitte diesen Platz unbedingt meiden, es musste bereits Teamchef X dessen Hand schütteln!" - ob solche "Boxensprüche" ebenfalls live aus dem Fürstentum übertragen werden, ist unklar. Bleibt zu hoffen, dass es anders ablaufen wird...

*) Update: Mittlerweile hat Mosley die Katze aus dem Sack gelassen - in einem Brief berichtet er von einem erbitterten Machtkampf um die Formel 1.

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