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Nächster Einsatz Valencia

Christian Klien kämpft unaufhörlich um ein GP-Comeback – im motorline.cc-Interview spricht er über seinen neuen Job als HRT-Ersatzpilot.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Hispania Racing Team

Abgeschrieben wurde er oft. Nach der Trennung von Red Bull sahen manche das Ende seiner Formel 1-Karriere. Kein Wunder: Jene, die aus dem wohl temperierten Nest des Energy Drink-Herstellers flogen, taten sich allesamt schwer, nach dem harten Aufprall wieder Fuß zu fassen. Doch nur wenige Monate nach seinem bislang letzten Grand Prix in Monza 2006 saß Christian Klien bereits wieder in einem – pechschwarzen – Formel 1-Boiliden. Honda nahm den 46-fachen GP-Teilnehmer als Testpilot unter Vertrag. Der erhoffte Aufstieg zum Stammfahrer kam nicht – als Klien Ende 2007 bei Force India gegen Giancarlo Fisichella den Kampf um ein Stammcockpit für 2008 verlor, sahen manche erneut das Ende seiner F1-Karriere.

Im Februar 2008 wurden sie erneut eines Besseren belehrt: Klien nahm auf der Ersatzbank von BMW Sauber Platz. „Nebenbei“ etablierte sich Klien in der Langstreckenszene, als Peugeot-Werkspilot gewann er das 1.000 km-Rennen in Spa und wurde Dritter bei den 24 Stunden von Le Mans. BMW Sauber engagierte Klien auch für 2009 - für 2010 hatte er bereits die Zusicherung auf das ersehnte GP-Comeback. Doch dann zog BMW den Stecker und Klien einmal mehr den „Kürzeren“. Doch Klien und sein Vater Johannes blieben am Ball, verhandelten mit Renault um einen Stammplatz für 2010. Doch diesen angelte sich Vitaly Petrov mit seinen russischen Millionen.

„CK“ ließ nicht locker, eine Kooperation mit Roman Rummenigge als Manager trug alsbald Früchte: Christian Klien wurde von Hispania Racing als Test- und Ersatzpilot engagiert. Im ersten freien Training für den Spanien-GP gab Klien sein Comeback in einem offiziellen F1-Training und sorgte prompt für erstaunte Gesichter, als er den mit dem Dallara-Cosworth bereits vertrauten Bruno Senna um satte fünf Zehntelsekunden abhängen konnte. Jetzt kämpft Klien weiter um ein Stammcockpit, mit seinen 27 Jahren wäre er immer noch im besten Alter.

Im Gespräch mit motorline.cc spricht Christian Klien über seinen Job bei Hispania Racing, seine Chancen auf ein GP-Comeback und seinen nächsten Einsatz im ersten freien Training für den Grand Prix von Europa.

Christian, wie kann es sein, dass ein Pilot, der das Auto nicht kennt und zum ersten Mal damit fährt, gleich um so viel schneller ist als der mit dem Dallara-Cosworth viel mehr vertraute Teamkollege?

Es war auch für mich selbst überraschend, dass ich auf Anhieb um so viel schneller war. Das war von meiner Seite aus auch überhaupt nicht zu erhoffen. Weil man erstens einmal das Auto kennen lernen muss – man muss herausfinden, wo das Limit des Autos liegt. Und es ist zudem bei schlechten Autos schwieriger, diese im Grenzbereich leicht zu bewegen.

Ich glaube auch, dass es für mich sehr wichtig war, dass ich in den letzten beiden Jahren immer wieder im Peugeot gesessen bin und ich da viele tausende Kilometer abgespult habe. Somit war ich eigentlich nie wirklich weg vom Rennfahren, ich war sozusagen die ganze Zeit über rennfit. Das hat mir bei dem Einsatz in Barcelona sicher weitergeholfen.

Waren die Autos von dir und Bruno Senna mit annähernd gleichen Benzingewichten unterwegs?

Die Autos von Senna und mir waren identisch betankt, auch das Setup war identisch – weil man ja den direkten Vergleich sehen wollte. Und es ging um die Frage: Was sagen die beiden Fahrer über die Autos? Natürlich kam dann noch mein Feedback dazu, nachdem ich zum ersten Mal mit diesem Auto in diesem Team gefahren bin und ich mittlerweile doch einige der anderen Teams kenne und auch schon mit sehr guten Autos Erfahrungen sammeln konnte. Um hier einen direkten Vergleich anstellen zu können, sind wir mit identischen Spritmengen und auch einem identischen Setup gefahren.

Was sagt ein Bruno Senna, wenn einer ohne einen einzigen Test daher kommt und ihm gleich einmal fünf Zehntelsekunden abknöpft?

Da muss man ihn selber fragen – ich habe mit ihm nicht über dieses Thema gesprochen. Für mich war es wichtig, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren – und meine Aufgabe war an diesem Wochenende, dem Team so viel wie möglich an Feedback zu geben und den Ingeineuren mitzuteilen, was ich von diesem Auto halte. Im Vergleich zum BMW-Sauber beispielsweise, der ja ein Topauto war. Es ging darum, wo man am besten anpacken muss, um dieses Auto zu verbessern.

Ist bei diesem Auto nicht die beste Lösung, ein neues zu bauen?

Es ist klar, dass man mit diesem Auto nicht gewinnen kann. Aber die Saison ist noch lang und da heißt es, das Auto zu optimieren. Das Team ist sehr bemüht, das Auto schneller zu machen – dafür leistet das gesamte Hispania Racing Team harte Arbeit.

Okay, man hat mit diesem Auto nicht unbedingt die beste Basis - aber ich denke, dass man noch eine halbe bis eine ganze Sekunde aus diesem Auto herausholen kann, ohne viele neue Teile ans Auto zu schrauben. Da wäre man dann beinahe auf Augenhöhe mit Virgin.

Obwohl Virgin sicher auch noch Zeit aufholen wird…

Definitiv, ja. Aber man kann jetzt nicht einfach das Auto so lassen, wie es ist. Das ist auch nicht die Intention des Teams. Wir wollen das Auto so gut wie möglich mit wenig Geld weiterbringen. Und wie gesagt: Da sehe ich noch Potential, wenngleich es begrenzt ist. Aber wie gesagt: Das Ziel ist es, mit den neuen Teams Lotus und Virgin mitzufahren.

Seit der Trennung von Red Bull hat man dich des Öfteren abgeschrieben, doch du hast dennoch immer wieder ein Cockpit in der Formel 1 gefunden, zumindest als Test- und Ersatzpilot. War dir vor diesem Freitagseinsatz bei HRT bewusst, dass davon sehr viel abhängen könnte? Es hätte ja auch anders ausgehen können…

Es war natürlich klar, dass die Zeiten, die man fährt, auch angeschaut werden. Aber im Team hat keiner erwartet, dass ich auf Anhieb schneller als der Einsatzpilot bin, der schon fünf Rennwochenenden mit diesem Auto bestritten hat. Das hat keiner erwartet, wie gesagt ich selber auch nicht. Die Erwartungshaltung war eher, einmal das Auto kennen zu lernen und den Ingenieuren möglichst viel Feedback zu liefern. Denn die anderen beiden Fahrer weisen zwar einiges an Rennsporterfahrung auf und es sind auch zwei wirklich sehr gute Fahrer…

Aber ich merke es an mir selber: Dass man nach sechs bis sieben Jahren in der Formel 1, wenn man bei verschiedenen Teams mit unterschiedlichen Autos gefahren ist, einfach um einiges mehr an Erfahrung aufweist. So wie das Auto jetzt konstruiert ist – dass man da sofort erkennt, dass es da einen Fehler gibt. Und es reicht oft nicht, dass man einfach nur das Problem erkennt, man muss auch die Ingenieure in die richtige Richtung weisen. Und dann überlegt man gemeinsam, wie man das Problem schnellstmöglich beheben kann.

Du meinst damit Formel 1-spezifische Dinge, die es in einer GP2 oder einer Formel 3 nicht gibt, oder?

Absolut, ja. Das fängt bei der Gewichtsverteilung an – also nicht nur reine Setupeinstellungen. Die meisten Fahrer können das einstellen, natürlich. Aber wie sich ein Formel 1-Auto vom Prinzip her auf der Strecke verhalten muss, weiß man nur, wenn man in der Formel 1 auch schon mit Topautos gefahren ist.

Jetzt hast du dich heuer am Jahresanfang doch entscheiden müssen zwischen Le Mans beziehungsweise dem Langstreckensport und der Formel 1. Droht da nicht die Gefahr, dass man Ende zwischen den Stühlen landet?

In punkto Le Mans habe ich Mitte Februar eine Entscheidung getroffen – weil zu dem Zeitpunkt hatte ich nichts in der Formel 1. Und irgendwo musst du ja fahren in diesem Jahr. Sicher, bei Peugeot war es so, dass ich schon im Jänner als Einsatzpilot unterschreiben hätte können…

Das habe ich gemeint mit der Gefahr, zwischen den Stühlen zu landen

Es ist halt nicht so, dass viele Le Mans-Einsatzpiloten zugleich noch in der Formel 1 tätig sind. Weshalb ich bei Peugeot einen Ersatzfahrervertrag unterschrieben habe – dadurch war es möglich, nach wie vor zu schauen, was in der Formel 1 möglich ist. So war es nach wie vor möglich, mit Formel 1-Teams zu verhandeln.

Ich war mir auch ziemlich sicher, dass sich während der Saison noch einiges tun wird in der Formel 1. Von da her sind wir richtig gelegen – denn jetzt, nach dem vierten Rennen bin ich jetzt wieder bei einem Team, was sehr wichtig ist.

Dieses gute Gefühl, das du hattest – hast du das auch in Bezug auf ein Renncockpit? Wird Christian Klien heuer noch einen Grand Prix fahren?

Wenn man in ein Team kommt, ist das Ziel immer, dass man sich nicht mit dem Job als Test- und Ersatzfahrer zufrieden gibt. Natürlich arbeite ich sehr hart daran und ich werde auch im Team alles versuchen, um ins Renncockpit zu gelangen. Die Freitagstests zu bekommen, war ein kleiner, aber sehr wichtiger Schritt. Alles andere wird das Team entscheiden. Ich kann nur mein Bestes geben, ich kann meine absolut Leistung erbringen und mit dem Team gut zusammenarbeiten. Danach bleibt es dem Team überlassen, welche Entscheidungen sie treffen.

Stimmt es, dass dein nächster Einsatz im ersten freien Training für den Grand Prix von Europa in Valencia vorgesehen ist?

In Montreal kann ich ja nicht dabei sein, weil ich als Peugeot-Ersatzpilot bei den 24 Stunden von Le Mans vor Ort sein muss. Die nächste Möglichkeit ist also Valencia.

Den Stadtkurs von Valencia kennst du aber noch nicht…

Ja, dort bin ich noch nie gefahren, das ist komplettes Neuland für mich.

Kannst du auf einer für dich neuen Strecke den Ingenieuren trotzdem ein aussagekräftiges Feedback geben?

Normalerweise habe ich mir immer relativ leicht getan, eine neue Strecke kennen zu lernen. Von da her denke ich schon, dass es möglich ist. Es dauert schon an die zehn Runden, bis man die Strecke einigermaßen intus hat und man auch ans Limit gehen kann. Aber danach kannst du das Auto am Limit bewegen und auch ein Feedback abgeben, das sollte überhaupt kein Problem darstellen.

Über einen Simulator, so nehme ich an, verfügt das Hispania Racing Team nicht?

Nein, Simulator gibt es keinen bei HRT.

Wirst du dir die Strecke über eine Spielkonsole einverleiben?

(lacht) Ja, das werde ich jetzt zum ersten Mal tun, das habe ich davor noch nicht gemacht. Aber du bist ja dann auch ein bis zwei Tage vorher dort und fährst mit dem Fahrrad oder dem Moped um die Strecke und da kannst du sie dir schon relativ gut einprägen.

Beim 24 Stunden-Klassiker von Le Mans wirst du als Peugeot-Ersatzpilot vor Ort mitfiebern. Im Vorjahr konnte die Peugeot-Mannschaft rund um Alex Wurz das Rennen gewinnen. Doch Audi setzt heuer ein neues Auto ein - wie stehen die Chancen für einen neuerlichen Peugeot-Sieg?

Ich glaube, dass es in diesem Jahr extrem eng wird. Ich habe mit dem Tom Kristensen nach dem Rennen in Spa-Francorchamps gesprochen, wo die Autos wirklich ganz, ganz nah beieinander lagen. Also ich glaube, dass Peugeot und Audi in diesem Jahr auf einem Level agieren werden. Das heißt dann: Man darf sich keinen Fehler und keine technischen Defekte leisten. Prinzipiell denke ich, dass Peugeot, dass wir nicht mehr so überlegen sind. Und dass es eben extrem eng wird, es wird auf jeden Fall unglaublich spannend!



Die F1-Karriere von Christian Klien

2004   Jaguar Racing     3 Punkte/WM-Platz 16
2005   Red Bull Racing   9 Punkte/WM-Platz 15
2006   Red Bull Racing   2 Punkte/WM-Platz 18
2007   Honda             Test- und Ersatzpilot
2008   BMW Sauber        Test- und Ersatzpilot
2009   BMW Sauber        Test- und Ersatzpilot
2010   Hispania Racing   Test- und Ersatzpilot

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