Formel 1: Interview | 09.05.2013
"Wäre gerne zu Sennas Zeiten gefahren"
Lewis Hamilton erzählt, was er an Ayrton Senna bewundert, wo er sich wohlfühlt und was er täte, wenn die Formel 1 ohne Gefahr wäre.
MercedesGP-Pilot Lewis Hamilton kam nach seiner Testfahrt in Ayrton Sennas McLaren MP4/4 aus der Saison 1988 auf dem Kurs von Silverstone aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: "Das war eines der besten Erlebnisse, das ich jemals hatte", berichtet der 28jährige der Daily Mail. Nicht erst seit dem wilden Ritt mit dem rot-weißen Boliden schwelgt der Brite in der Vergangenheit: "Wenn ich mir einen Zeitraum aussuchen könnte, wäre ich gerne zu Sennas Zeiten gefahren."
Hamilton macht keinen Hehl daraus, wen er zu seinen Vorbildern zählt. Neben dem unvergessenen Brasilianer führt er auch Gilles Villeneuve an. "Die waren sich sehr ähnlich. Sie waren die Besten", schwärmt Hamilton. "Was sie getan haben, war das Beste, und ich möchte es genauso machen wie sie." Mit der Testfahrt konnte er in die Zeiten seiner Idole eintauchen und erleben, welchen Gefahren die Piloten damals ausgesetzt waren. "Die Autos waren zu dieser Zeit unsicher", sagt Hamilton unter anderem in Hinblick auf den mangelnden Kopfschutz. "Deshalb werden die Jungs von damals auch so bewundert", so Hamilton weiter. Trotzdem findet er es gut und richtig, dass es heute ungefährlicher sei.
Der Mercedes-Werksfahrer empfindet die heutige Formel 1 als sehr technisch. Mit der Masse an Knöpfen am Lenkrad seines Boliden, 26 an der Zahl, ist es heute definitiv eine andere Ära, mit der man sich arrangieren muss: "Die alle zu verstehen und zu benutzen ist eine Wissenschaft für sich." Die Fahrweise des Briten mit den oftmals qualmenden Reifen erinnert tatsächlich manchmal an die alten Zeiten. "Ich denke", sagt Hamilton, der nicht unbedingt als reifenschonender Fahrer gilt, "dass ich in der Zeit, bevor die Fahrhilfen kamen, eine Menge mehr aus mir hätte herausholen können."
Der Nervenkitzel reizt den Briten
Hamiltons Fazit nach der Testfahrt in seinem Heimatland: Die Autos von damals seien sehr schwer zu fahren, was auch mit der Schaltung zusammenhängt. Statt Wippen am Lenkrad gab es Schaltknüppel. "Wenn du Senna in Monaco siehst, wie er die meiste Zeit einhändig fährt und übersteuert, dann ist das einfach cool."
Die Strecke im Fürstentum gehört ohnehin zu Hamiltons Favoriten: "Ich liebe Kurse wie Monaco, weil es keinen Raum für Fehler gibt – und wenn du einen machst, bezahlst du dafür." Er möchte, wie er betont, jedoch nicht, dass jemand verletzt wird, sondern lediglich, dass man Zeit verliert oder der Wagen zum Stehen kommt. Das mache den Rennsport seiner Meinung nach aus.
Doch auch in der heutigen Zeit gibt es Herausforderungen: "Nach Monaco bekommst du einen heftigen Brummschädel, weil deine Augen sich die ganze Zeit bewegen, und du extrem konzentriert bist." Auch die Nordschleife mit den schnellen Kurven und wenigen Auslaufzonen hat es Hamilton angetan. "Es ist wie ein Stadtkurs, und das ist klasse", beschreibt Hamilton die "Grüne Hölle", auf der er 2009 ein paar Kilometer in einem Mercedes W25 von 1934 absolvieren durfte.
Dass Rennfahrer mit zunehmendem Alter vorsichtiger werden und nicht mehr das Limit des Autos suchen, ist dem Weltmeister von 2008 fremd: "Ich werde für nichts vorsichtiger sein. Das ist nicht mein Ding." Hamilton scheint die Gefahr zu suchen, glaubt aber nicht, dass er, wie er sagt, süchtig nach Adrenalin sei. Ohne einen gewissen Nervenkitzel geht es dann aber doch nicht: "Wenn man der Formel 1 ihre Gefahr nehmen würde, würde ich nicht mehr fahren." Sie sei aber auch gefährlich genug, wie er am Beispiel einer am Limit gefahrenen Qualifikationsrunde betont.
Fahrfehler wurden früher härter bestraft
"Als Rennfahrer denke ich nie daran was passiert, wenn etwas schief geht", sagt er und hebt den Reiz hervor, "an der Grenze kurz vorm Rausfliegen zu sein oder eine Mauer zu berühren." Aus diesem Grund fährt er in seiner Freizeit auch gerne mit dem Quad oder geht klettern. "Ich bin vernünftig und verletze mich nicht, weil ich keine dummen Risiken eingehe", erwähnt er in diesem Zusammenhang.
Die Formel 1 sei heutzutage eher eine technische Herausforderung. Auch die Fahrweise der Piloten habe sich den Bauweisen der neuen Rennstrecken angepasst, wie Hamilton gegenüber dem Mirror betont: "Fahrer wie Sebastian [Vettel; Anm.] kommen stets von der Ideallinie ab – auf die Randsteine, den Kunstrasen und darüber hinaus."
Zu dieser Thematik verweist der Brite wieder auf sein Idol: Wenn man dies zu Sennas Zeiten gemacht habe, hätte man sich gedreht und wäre so für das Überschreiten der Grenzen bestraft worden. Leute wie Senna hätten sich ans Limit herangetastet und damit gekämpft, anstatt es zu überschreiten – dies schätze er höher ein. "Heute kann man das Limit überschreiten, zurückkommen und sich erneut heranarbeiten", so Hamilton abschließend.