Formel1.at - Die Kolumne | 03.01.2002
Wer ist der Größte? Nobody ist der Größte!
Hans-Peter Voglhuber geht dieses Mal der Frage nach, ob es sinnvoll bzw. fair ist, den Titel "Bester Rennfahrer aller Zeiten" zu vergeben.
Hans-Peter Voglhuber
Wer ist der größte Rennfahrer, der beste Formel1-Pilot aller Zeiten? Mir persönlich ist diese Frage eigentlich nie in den Sinn gekommen. Trotzdem vermute ich, dass es sich hierbei um eine weltweit menschenbewegende Frage handeln muss, denn sie wird immer und überall gern gestellt. Es wird darüber viel diskutiert und nicht selten sogar deswegen heftig gestritten.
Als mir kürzlich FIA-Präsident Max Mosley bezüglich meines Vorschlags für eine gerechtere WM-Punkte-Vergabe mitteilte, dass mein vorgeschlagenes WM-Punktesystem zwar höchst vernünftig sei, aber andererseits damit Vergleiche unter den Fahrergrößen unmöglich machen würde (derzeit hat Michael Schumacher die meisten Weltmeisterschaftspunkte von allen bisherigen Formel1-Champions), begann auch ich mich mit diesem "Größen-Wahn" zu befassen.
Der Größte unter den Großen?
Den Besten der Besten auszumachen ist schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit
Wer ist denn jetzt wirklich der Größte unter den Großen? Michael Schumacher, weil er die meisten WM-Punkte aller Formel1-Piloten hat oder vielleicht doch Fangio, Prost, Senna? Waren etwa Ascari, Brabham, Phil Hill, Graham Hill, Clark, Surtees, Hulme, Stewart, Fittipaldi, Lauda, Piquet, Häkkinen usw. schlechtere Weltmeister? Ist so gesehen, der posthume Weltmeister Jochen Rindt mit seiner viel zu kurzen Karriere und seinen 45 WM-Punkten überhaupt noch ein "richtiger" Weltmeister? Und Stirling Moss wäre dann womöglich als Vizeweltmeister und ewiger Zweiter nicht einmal mehr eine Erwähnung wert.
Wie also lässt sich absolute Größe messen? Sicher nicht nach den erreichten WM-Punkten, da sich die Anzahl der vergebenen WM-Punkte für die jeweiligen Laufplatzierungen während der gesamten Formel1-Ära geändert hat und allein schon deswegen kein exakter Vergleich angestellt werden kann.
Alternativ zur Punktewertung gäbe es die Einstufung nach der Anzahl der WM-Siege, der übrigen Platzierungen, der Anzahl der Polepositions, der Anzahl der schnellsten Runden, der meisten Führungskilometer usw.
Aber was würde unter dem Strich herauskommen? Natürlich gäbe es am Ende einen "Statistik-Weltbesten". Nur ist Statistik eben nicht alles. Denn nicht jede WM-Saison war gleich stark besetzt. Eine Fülle von Ereignissen beeinflusste die Karrieren der jeweiligen Rennfahrer: Defekte, Unfälle, Witterungsverhältnisse und natürlich die Performance ihrer Wagen. Nicht selten wurden Rennen in den Boxen verloren, ohne dass der Fahrer eingreifen konnte, und, und, und.
Dazu kommt, dass viele Kontrahenten frühzeitig tödlich verunglückt sind, wie etwa von Trips, Spence, Bandini, Rindt, McLaren, Rodriquez, Pace, Peterson, Depaillier, Gilles Villeneuve und natürlich der weltweit vergötterte Senna. Sie alle hatten keine Chance mehr, ihr WM-Punktekonto noch weiter auszubauen, obwohl sie dazu durchaus in der Lage gewesen wären. Selbstverständlich trifft dies auch auf tödlich verunglückte Talente wie z. B. Severt, Koinigg, Stommelen, Pryce, Brise, Höttinger etc. zu.
Jedem sein Idol:
Über eine Sympathie- bzw. Fanwertung sollte man aus Gründen der Fairness nicht hinausgehen
Ein weiterer Faktor ist die Technik. In den 50er, 60er, 70er- und 80er-Jahren war der Rennfahrertod in der Formel1 ein häufiger Gast. Mangelhaft abgesicherte Strecken mit oftmals katastrophalen Straßenbelägen und sauschnelle, aber gefährlich zerbrechliche Renner machten den Formel1-Rennsport zum lebensbedrohlichen Hasardspiel. Doch waren die Fahrer früherer Jahre deshalb die größeren Helden, die besseren Fahrer? Ich denke nicht.
Denn die Cracks von damals kannten nichts anderes. Für sie waren Autorennen harter Männersport, bei dem der Tod mehr oder weniger selbstverständlich in Kauf genommen oder einfach ignoriert wurde. Klingt heute lächerlich, gehörte aber damals zum Selbstverständnis eines GP-Piloten. Was die Rennfahrer früherer Tage aber besonders auszeichnete, war ihr Allround-Talent. Viele von den früheren Champions bestritten neben der Formel1 noch eine ganze Anzahl anderer Rennen und Meisterschaften wie etwa Le Mans, Indianapolis, Formel2, Can Am, Bergrennen und sogar Rallys. Leute wie Clark, Spence, Scarfiotti, Rodriquez etc. starben auf solchen "Nebenschauplätzen".
Also! Wer soll nun der größte Rennfahrer aller Zeiten sein? Ich wäre dafür, dass niemals ein "größter Rennfahrer aller Zeiten" gekürt wird, da damit vielen anderen Rennfahrergrößen Unrecht getan würde. Auch viele Leidernichtweltmeister wie z. B. Moss, Amon, Laffite, Arnoux, Beltoise, Regazzoni, Reutemann, Patrese, Berger, Alesi usw. verdienen es, dass ihre Leistungen entsprechend gewürdigt werden.
Sie alle haben dem Rennsport und den Fans mindestens soviel gegeben, wie der Punktestärkste in der Liga. Sie haben bei ihren Rennen genauso viel riskiert und gekämpft, wie ihre erfolgreicheren Kollegen. Und oftmals saßen sie lediglich zur falschen Zeit im falschen Auto. Jeder dieser Fahrer hat in seiner Karriere Großartiges geleistet.
Somit kann es für mich immer nur eine Sympathie-, respektive Fanwertung geben und nicht mehr. Und dabei sollte es auch eine kompetente Stelle wie die FIA belassen, wenn sie ungerechte Einschätzungen vermeiden möchte.
Ihr Hans-Peter Voglhuber