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Die Berufungsverhandlung – das „Gerichtsprotokoll“

Heute um 10 Uhr wurde in Paris die FIA-Berufung gegen die Bestrafung Ralf Schumachers abgehalten – das Urteil wird erst morgen um 11 Uhr bekannt gegeben. Die Argumentation von Williams gegen die FIA-Strafe für Ralf Schumacher: Toter Winkel im Rückspiegel, Formalfehler bei der Vernehmung durch die Stewards.

Michael Noir Trawniczek

In Paris wurde heute um 10 Uhr das Berufungsverfahren von BMW-Williams gegen die Bestrafung von Ralf Schumacher – Rückversetzung um zehn Startplätze beim nächsten Rennen - für die Kollision beim Grand Prix von Deutschland in Hockenheim abgehalten. Anwesend waren unter anderen die Williams-Teammitglieder Ralf Schumacher, Sam Michael, Dickie Stansford, Frank Williams persönlich sowie Andrew Hunter, der Anwalt des Teams. Die Beteiligten der Kollision waren ebenfalls zugegen – Kimi Räikkönen und Rubens Barrichello. Neben den FIA-Richtern waren auch der FIA-Rennleiter Charlie Whiting und der Technische Delegierte Peter Wright anwesend.

Im Verlauf der relativ langen Verhandlung wurden ausgiebigst Videoaufzeichnungen und technische Zeichnungen betrachtet und die beteiligten Piloten befragt. Williams stützte seine Argumentation auf den toten Winkel in den Rückspiegeln, darauf, dass Ralf zumindest Platz für ein Fahrzeug ließ und letztlich sei es laut Williams ein Formalfehler gewesen, dass Ralf Schumacher von den Stewards ohne Anwesenheit des Teammanagers befragt wurde. Die FIA widerlegte dies Aussage und erklärte, es sei kein zwingendes Verfahren, dass bei einer Befragung eines Piloten der Teammanager dabei zu sein hat.

Eine Entscheidung wurde nicht sofort getroffen. Das Sportgericht der FIA wird morgen Mittwoch um 11 Uhr das Urteil bezüglich der Berufung gegen die FIA-Entscheidung Nr.41 (Bestrafung von Ralf Schumacher) bekannt geben.

Die Williams-Argumentation: Toter Winkel und Formalfehler

Rechtsanwalt Andrew Hunter verlas die Berufung: „Ralf Schumacher war vorne, hatte Platz 2 in der Startaufstellung. Kimi Räikkönen war Fünfter, Rubens Barrichello Dritter. Ralf konnte das Auto von Kimi Räikkönen gar nicht sehen. Er dachte, das einzige Auto hinter ihm wäre Rubens Barrichello. Niemand kritisiert Ralfs Linie, er ist genau die selbe Linie auch letztes Jahr gefahren. Ralf kann nicht dafür kritisiert werden, in die anderen Autos gefahren zu sein – er ist seine Linie gefahren aber er ist nicht in die anderen Autos hineingefahren. Ralf fuhr vorsichtig. Die FIA-Entscheidung Nr.41 ist falsch, Ralf ist kein vermeidbares Risiko eingegangen. Rubens und Kimi hätten vielleicht Maßnahmen ergreifen können, um diesen Unfall zu vermeiden. Kimi Räikkönen war der Einzige, der diese Kollision vermeiden hätte können. Er hat auch gebremst und hat den Unfall vorausgesehen. Seine Aussage vor den Kommissaren tätigte Ralf Schumacher ohne Anwesenheit des Teammanagers. Williams war formell nicht vertreten bei der Befragung. Es gab hier einen Formfehler bei der Entscheidung Nr.41.“

Williams-Techniker Sam Michael erklärte anhand einer Skizze den toten Winkel, welcher sich in den Rückspiegeln von Ralf abzeichnete – über dieses „tote Feld“ verfüge jedes Fahrzeug, da der Spiegelwinkel von der FIA vorgegeben werde. Anhand einer 3D-Interpretation wurde mittels gelbem Feld vorgeführt, dass Ralf Schumacher die beiden Fahrzeuge von Räikkönen und Barrichello gar nicht gesehen haben könne.

Michael sagte: „Dieser blinde Punkt ist das Wichtigste überhaupt. Das erklärt auch die gefahrene Linie von Ralf. 2002 waren die Startpositionen der drei Beteiligten identisch. Ralf hat auch 2003 nur Korrekturen in seiner Linie vorgenommen. Die Telemetrie zeigt, dass die Lenkbewegungen Ralfs sehr gering waren, es gab eine Querbeschleunigung von 0,2 g.“

Anhand der Zeitlupenaufnahmen wurde gezeigt, dass Rubens Barrichello gebremst hat. Michael sagt: „Die Aussage in der FIA-Entscheidung Nr.41, dass Barrichello und Räikkönen die Situation nicht kontrollieren konnten, ist falsch. Das beweist die Bremsspur von Barrichello. Anhand einer weiteren Aufnahme wird gezeigt, dass Kimi Räikkönen kurz vor der Kollision um einen Meter nach rechts zog. Michael: „Wir wollen Kimi keine Schuld zuschieben, aber es zeigt, dass es nicht stimmt, dass die Fahrer Nr. 2 und Nr. 6 keine Kontrolle über die Situation hatten.“

Eine Erklärung von Ralf Schumacher wird von Andrews verlesen und von Ralf bestätigt: „Das Meeting mit dem FIA-Kommissar hat vier Minuten gedauert. Der Kommissar war sehr aggressiv, spielte mir das Video vor und fragte mich, was ich davon halte.“

Im Anschluss fragte einer der Richter Ralf Schumacher, ob das von vielen Journalisten zitierte, nach dem Rennen geäußerte Statement, er wäre in dieser Situation nicht besonders vorsichtig gewesen, richtig sei. Schumacher verneinte: „Das ist nicht meine Aussage.“

Die FIA-Argumentation: Ralf löste mit Linksbewegung Kollision aus

FIA-Rennleiter Charlie Whiting erklärte: „Ralf Schumacher löste mit seiner Lenkbewegung nach links die Kollision aus. Zudem erklärte er gegenüber dem FIA-Kommisssar, er hätte in der Situation nicht auf die anderen Fahrzeuge geachtet.“

Der Technische Delegierte Peter Wright erklärte sinngemäß, dass nur Rubens Barrichello versucht habe, den Crash zu verhindern, da er der Einzige gewesen sei, der gebremst habe. Er sagte aber auch, dass man hier nicht sagen könne, wer in welches Fahrzeug fuhr oder wer Schuld an der Kollision trägt.

Die Aussagen von Kimi Räikkönen und Rubens Barrichello

Kimi Räikkönen: „Wir fuhren neben einander her, ich hab überholt, dann hat mich hinten etwas berührt und mehr kann ich nicht sagen. Ich wollte einfach nicht außen in der Wiese fahren, denn das ist nicht der optimale Platz, um zu fahren.“

Rubens Barrichello: “Mein Start war gut und ich habe Ralf rechts gesehen. Kurz darauf habe ich gesehen, dass Kimi links von mir war. Ich bin nach rechts aber dann habe ich gesehen dass Ralf von links zu mir näher kam und da konnte ich nur mehr bremsen. Ich sehe es so, dass Ralf in mein Auto gefahren ist.“

Schlusswort Williams: „FIA sollte nur bestrafen, wenn Fahrfehler beweisbar ist“

Andrew Hunter: „Die FIA sollte nur dann einen Fahrer bestrafen, wenn es sicher ist, das er Schuld an einer Kollision trägt und dies beweisbar ist. Ralf konnte wegen des toten Winkels nicht erkennen, dass Kimi Räikkönen sich in die Position neben Rubens Barrichello begeben hatte. Er konnte nicht wissen, dass sich zwei Fahrzeuge neben ihm befinden. Ralfs Linie lässt genügend Platz für ein Fahrzeug. Ralf ist nicht in die beiden anderen Autos hineingefahren.“

Hunter schloss mit der Feststellung, es sei nicht fair, Ralf auf den einen gegenüber den Kommissaren geäußerten Satz – er habe „nicht auf die anderen Fahrzeuge geachtet“ – festzunageln. Ralf habe sehr wohl auf die anderen Fahrzeuge geachtet. Ralf habe keine Richtungsänderung vorgenommen und seine Linie beibehalten – die diesbezügliche Kritik von Charlie Whiting sei falsch und stehe im Gegensatz zu den Vorwürfen der örtlichen Kommissare. Hunter sagte auch: „Es ist nicht einzusehen, dass der einzige Fahrer, der wegen des toten Winkels die anderen Beteiligten nicht sehen konnte, bestraft wird.“

Schlusswort von Charlie Whiting: Es gibt nicht nur die Spiegel & kein Formalfehler!

Whiting sagte am Ende der Verhandlung: „Die Spiegel sind nicht die einzige Möglichkeit, zu schauen. Ralf fuhr nicht geradeaus und machte den Raum rund um ihn knapp. Die Tatsache, dass die Teammanager bei den Vernehmungen der Fahrer durch die Rennkommissare anwesend sind, ist mittlerweile gängige Praxis aber kein zwingendes Verfahren.“

Die Entscheidung: Morgen um 11 Uhr!

Das FIA-Gericht trifft am Nachmittag nochmals zusammen. Die Entscheidung wird morgen um 11 Uhr bekannt gegeben.

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