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Das Risiko ist immer dabei

Der feurige Tankstopp von Michael Schumacher beim wirft einmal mehr gefährliche Schatten über das Nachtanken, wir beleuchten die Hintergründe.

Die Formel 1 schrieb das Jahr 1994, als der schlimmste Feuerunfall der modernen Formel 1 Ära beim Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring die Flammen bis zu sechs Meter über den Benetton Boliden des heutigen Minardi-Piloten und damaligen Teamkollegen von Michael Schumacher, Jos Verstappen, schlagen ließ.

Zwar stellte der Feuerzwischenfall eben jenes Michael Schumacher bei seinem gestrigen Tankstopp im Rahmen des vorerst letzten Großen Preises von Österreich bei weitem nicht solch einen „spektakulären“ und vor allem ähnlich gefährlichen Unfall dar, wie ihn der Niederländer vor einigen Jahren erleben musste, doch erinnerten die Bilder der rund um den Tankschlauch und den neuen F2003-GA schlängelnden Flammen natürlich unweigerlich an jenen Tag auf dem Hockenheimring.

Für den amtierenden Weltmeister, der trotz dieses Zwischenfalls trotzdem noch das Rennen für sich entscheiden konnte, war dies jedoch „keine extrem gefährliche Situation“, da es nur „ein kleines Feuer“ war, welches seine Mechaniker glücklicherweise schnell löschen konnten, was auch Schumacher lobend erwähnte: „Ich konnte das Feuer sehen – vielleicht dachten die Mechaniker mir ist kalt und wollten mich aufwärmen! Aber das Team machte einen guten Job, kontrollierte die Situation und reagierte schnell mit den Feuerlöschern.“

Für einen besonderen Glückspilz hält sich der spätere Sieger des Grand Prix deshalb aber nicht, denn „ich denke, dass ich Pech hatte dieses Problem zu haben“. Dank der guten Sicherheitsvorkehrungen fühlte sich der zweifache Familienvater zudem niemals in Gefahr. „Wir haben die Overalls und wir wissen, dass wir darin für einige Zeit überleben können. Ich fühlte mich ehrlich gesagt nie großartig in Gefahr.“

Anders wäre dies gewesen, so Schumacher, wenn er wie damals 1994 bei seinem Freund Jos Verstappen Benzin hätte herumspritzen sehen, „aber dies schien nicht der Fall zu sein“. Was allerdings genau der Fall war, dies wissen die Roten, die sonst bei Boxenstopps die Perfektion in Person darstellen, leider noch nicht genau, wie der technische Direktor Ross Brawn verrät:

„Es ist nie erfreulich ein Feuer zu haben, aber es war nicht viel Benzin drum herum und das Feuer sah schlimmer aus als es war. Die Jungs haben in dieser Situation sehr gut reagiert, wir haben für gewöhnlich keine Probleme mit den Anlagen und jetzt werden wir eine genaue Untersuchung machen um herauszufinden was passiert ist.“

Einen groben Überblick über das Tankdisaster lieferte derweil Teamchef Jean Todt, der auch daran erinnert, dass schon bei Rubens Barrichellos Stopp zuvor ein Problem mit der Anlage existierte. „Als Rubens in Runde 21 zu seinem ersten Stopp hereinkam, hatten wir ein Problem mit der Tankanlage, also nahmen wir Michaels. In der nächsten Runde dann, war Michael an der Reihe. Ein wenig Benzin war noch in der Düse vom vorigen Tankvorgang. Das tropfte aufs Auto und fing Feuer.“

Verbot des Nachtankens nicht in Sicht

Neben jenem berüchtigten Benetton Feuerunfall 1994, als das Nachtanken gerade wieder erlaubt worden war, schlugen die Flammen in der Königsklasse auch in den Jahren 1995 und 1996 noch einmal hoch, als Eddie Irvine bei einem Boxenstopp in Belgien respektive Pedro Paulo Diniz in seinem Ligier beim Großen Preis von Argentinien mit den Flammen zu kämpfen hatten.

Dass der neuerliche Vorfall bei Ferrari nun zu einem Verbot des Nachtankens während der Rennen führen könnte, mag Ross Brawn jedoch nicht glauben – auch wenn FIA-Präsident Max Mosley in diesem Jahr bekanntlich gerne Regeländerungen verkündet und er schon das Nachtanken zwischen dem Abschlussqualifying sowie dem Rennen verboten hat.

„Das Gegenargument ist, dass es noch gefährlicher ist mit einem 230 Liter Wagen [der das gesamte Rennen ohne Tankstopp durchfahren kann, d. Red.] Rennen zu fahren,“ erklärte Brawn in den britischen Medien, bevor er noch hinzufügte: „Es ist kein klares Argument und ich glaube, dass das was wir heute gesehen haben nicht unbedingt ein Schlüsselmoment in der Frage ist, ob wir weiter tanken dürfen oder nicht.“

Die Sicherheitsvorkehrungen beim Tankvorgang im Detail

Die Feuergefahr beim Tanken bereitet den Verantwortlichen und Teams in der Formel 1 dabei schon lange Jahre und nicht erst seit 1994 größte Sorgen. So wurden erste Schutzmaßnahmen bereits in den 60er Jahren getroffen, als Feuerlöscher in der Box zur Pflichtausstattung wurden. Seit 1975 gilt auch der FIA-Standard für feuerfeste Kleidung. So muss ein Formel-1-Pilot Kleidung aus Nomex tragen, die Fasern dieses Kunststoffes halten 800 Grad Hitze für mindestens zwölf Sekunden ab.

Neben dem Overall bestehen auch Unterwäsche, Handschuhe (mit Wildledereinlagen für den optimalen Halt am Lenkrad), Socken und die Gesichtsmaske aus diesem Material. 1994 wurde die feuerfeste Kleidung auch für sämtliche Mechaniker vorgeschrieben, die an den Boxenstopps beteiligt sind. Die Teammitglieder tragen außerdem Helme, um ihr Gesicht zu schützen.

Der Boxenstopp selbst wird von den 20 bis 25 Mechanikern, die je nach Team zum Einsatz kommen, unzählige Male geübt, bis jeder Handgriff perfekt sitzt. An der Tankanlage, die sich aus der Luftfahrt abgeleitet hat, arbeiten zwei Helfer:

Einer setzt sofort nachdem das Auto gehalten hat, den Tankstutzen an. Der andere hält den Schlauch. Der Einfüllstutzen passt millimetergenau auf den Tankverschluss, dieser öffnet sich automatisch, sobald der Fahrer bei der Fahrt in die Box den Speed-Limiter aktiviert. Ein Ventil sorgt dafür, dass normalerweise erst Benzin fließt, wenn der Schlauch korrekt aufgesetzt wurde.

Der Tankwart bekommt durch ein rotes Licht im Helmvisier angezeigt, dass die Tankanlage noch nicht bereit ist und kein Benzin fließt. Ein grünes Licht bedeutet: Alles klar zum Auftanken, orange steht für den Benzinfluss. Er zieht den Schlauch ab, wenn die Anzeige auf Grün wechselt. Der Tankschlauch ist mit einem Zwei-Wege-System ausgestattet: Der Treibstoff wird eingelassen, zugleich wird für einen schnellen Druckausgleich gesorgt. Die Luft entweicht so bereits vor dem Befüllen aus dem Tank.

Alle Tankanlagen in der Formel 1 werden einheitlich vom französischen Hersteller Intertechnique konstruiert, gebaut und geliefert. Sie dürfen von den Teams nur gewartet, aber nicht umgebaut werden. Weitere Sicherheitsmaßnahmen: Das Benzin darf maximal mit zwölf Litern pro Sekunde fließen.

Falls es doch zu einem solchen Unfall wie nun bei Ferrari kommen sollte, stehen weitere zwei Mechaniker mit Feuerlöschern bereit - und in jeder Box gibt es medizinische Ausrüstung zur Behandlung von Verbrennungen. Außerdem werden mit den Teammitgliedern seit 1996 eigens organisierte und regelmäßige Feuerschutzübungen durchgeführt.

Probleme mit den Einheitstankanlagen sind dabei aber nicht erst seit dem zurückliegenden Rennwochenende in Spielberg bekannt. So klagen die Teams schon seit Jahren über Probleme mit den Tankstutzen und den dazugehörigen Anlagen, wobei es sich hierbei zumeist um nicht funktionierende Anlagen handelte und nicht um Feuer verursachende Geräte.

Einer der größten Kritiker der Franzosen von Intertechnique ist dabei das BMW-Williams Team und hier allen voran BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen, der bereits Mitte des Jahres 2001 nach einigen Problemen mit den Anlagen schimpfte: „Das ganze ist ein Software-Problem – und das ist kein Wunder, denn die Software ist eine einzige Katastrophe.“

Als Schluss aus dieser Katastrophe zogen die Weiß-Blauen damals folgende Reaktion: „Normalerweise haben wir für jedes Auto eine Tankanlage, doch weil die so unzuverlässig sind, werden wir in Zukunft erst beide für den einen Fahrer und dann beide für den anderen einstellen – so verlieren wir beim nächsten Versagen wenigstens nicht so viel Zeit, wenn wir tauschen müssen.“

Doch trotz dieser Kniffe kommt es immer wieder zu mehr oder minder großen Problemen mit den Intertechnique-Anlagen. Beispielsweise auch beim Williams-Team, weswegen Mario Theissen vor einigen Wochen erneute Kritik an den Franzosen äußerte: „Ich möchte wirklich einmal sehen wie viele Tankanlagenprobleme es in den letzten drei Jahren gegeben hat. Man muss sagen, dass dies nicht akzeptabel ist.“

Hersteller verteidigt sich mit Gegenbeschuldigungen

Der Projektmanager der Firma Intertechnique, Jean Paul Jury, sieht die Lage dabei natürlich etwas anders, indem er meint, dass „diese Fehler von den Teams selbst produziert“ werden. „Entweder hängt es vom System ab oder die Leute, die dieses System nutzen, machen Fehler,“ legte er in einem Interview mit unseren Kollegen von Sport1 vor einigen Wochen die beiden Fehlerquellen korrekt dar.

„Wenn das System Probleme hat, werde ich persönlich sofort darüber informiert und werde dann dafür sorgen, dass es gelöst wird. Wenn es aber menschliche Fehler sind, sind die Teams nicht gezwungen darüber zu sprechen. Es kann die Person sein, die am Rechner sitzt und dafür sorgt, dass das System funktioniert. Dieser Techniker kann auf einen falschen Knopf gedrückt haben oder es handelt sich um einen mechanischen Fehler.“

Wie wichtig seine Tankanlagen im Millionen-Zirkus Formel 1 sind, und dass sie über Sieg und Niederlage oder schlimmstenfalls sogar den WM-Titel entscheiden können, weiß Jean Paul Jury dabei ganz genau. „Die Rennen werden fast immer bei den Stopps entschieden. Ein kleines Problem kann gleich 30 Sekunden kosten.“

Eine Teilschuld schiebt der Franzose dabei aber auch dem Motorsportweltverband FIA in die Schuhe, da sich dieser dazu entschieden habe die Tankstopps wieder einzuführen. „Nun sieht man, dass es zwar viel Spektakel dabei gibt, aber wir können nichts dafür, dass es Probleme gibt.“

„Es gibt Teams, welche die Bedeutung der Boxenstopps an oberste Stelle ihrer Rennstrategie stellen, andere wiederum machen das nicht. Bei Ferrari beispielsweise hat es noch nie Probleme mit dem Nachtanken gegeben.“ – Einmal ist bekanntlich immer das erste Mal...

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