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Über die Hürden auf dem Weg in die Königsklasse...

Belgiens Hoffnung siegt in der Nissan World Series, peilt immer noch die Formel 1 an, doch der Weg ist - teuer. Bas Leinders im Gespräch mit Motorline.cc.

Michael Noir Trawniczek

Belgien und die Formel 1. Jacky Ickx. Thierry Boutsen. Letzter belgischer Formel 1-Pilot: - Bertrand Gachot vor acht Jahren. Das heißt jedoch nicht, dass es in Belgien keine schnellen Piloten mehr gibt. Der 28jährige Bas Leinders hat in seiner Laufbahn 13 Meisterschaftstitel gewonnen, darunter Kart-Europameister, Britischer und europäischer Formel Ford-Champion, Formel Opel-Europameister, Deutscher Formel 3-Champion. Leinders war bereits mehrmals auf dem Sprung in die Königsklasse, doch es scheiterte bislang am Timing und einem wesentlichen Faktor - dem lieben Geld. Belgien zählt in punkto Sponsorensuche zum "harten Pflaster"...

Leinders wechselte von der Formel 3000 in die Superfund World Series by Nissan. Dort trifft er auf ehemalige F1-Piloten und F1-Testfahrer. Im letzten Jahr war er Driiter der Jahreswertung, derzeit rangiert er auf Platz 4 - als Meister steht Renault-Testpilot Franck Montagny so gut wie fest. Belgische Formel 1-Fans dürfen sich freuen: Bas Leinders peilt immer noch die Königsklasse an. Und hofft auf tatkräftige Unterstützung belgischer Firmen....

Motorline.cc unterhielt sich im Rahmen des Gastspiels der World Series auf dem A1-Ring mit dem sympathischen Charakterkopf. Rund eine Stunde nach dem Gespräch feierte Bas Leinders den Sieg in Lauf 1 und Platz im zweiten Heat...

Du bist 1998 Deutscher Formel 3-Meister gewesen und daraufhin in die Formel 3000 gewechselt. Kann man rückblickend sagen, dass das die falsche Plattform war?

Bas Leinders: Die Formel 3000 war nicht die falsche Plattform, aber es wäre für meine Karriere besser gewesen, wenn ich sofort in der Formel 1 einen Platz hätte finden können. Ein Test und dann in die Formel 1. Als ich in die Formel 3000 kam, sind alle schnellen jungen Fahrer in die Formel 3000 aufgestiegen. Das war dann aber eben nicht immer der beste Weg, wie sich herausgestellt hat.

Die Formel 3000 verblasst immer mehr.

Bas Leinders: Ja, das nötige Budget dort ist doppelt so hoch wie in der World Series. Und es sind dort nicht so viele gute Fahrer unterwegs, schon einige, aber die Formel 3000 kostet auch sehr viel Geld. Und viele schnelle Piloten haben einfach nicht so ein großes Budget und müssen dann andere Wege gehen. Aber ich bin okay. Ich würde immer noch in die Formel 1 gehen, wenn sich die Möglichkeit ergeben würde. Aber: Ich brauche Geld – zwei, drei Millionen Dollar oder Euros...

Gibt es in Belgien keine Firmen, die dich unterstützen?

Bas Leinders: In Belgien gibt es Firmen, aber das Problem in Belgien ist: Sie wollen erst dann als Sponsor fungieren, wenn man bereits ein Formel 1-Fahrer ist. Ich bin jetzt aber kein Formel 1-Fahrer. Das ist ein...[deutet mit den Händen einen Kreis an, d. Red.]

Ein Teufelskreis?

Bas Leinders: Ja. Ich will in die Formel 1 und sie wollen einen Formel 1-Piloten. Aber ich kann ohne sie nicht in die Formel 1, und daher bin ich kein F1-Pilot und daher geht es nicht. In der Formel 1 ist das Motto: Gib das Geld her und du bist F1-Fahrer.

Und die Möglichkeit zumindest einer Testfahrt in der Formel 1?

Bas Leinders: Wir haben Kontakte zu mehreren Formel 1-Teams, aber auch ein Test kostet etwas. Nicht immer, aber ich bin keine 20 Jahre mehr alt, da ist das nicht immer so einfach. Aber wie man bei Justin Wilson gesehen hat – Justin war letztes Jahr Vierter hier in der World Series, dann hatte er fünf Millionen Dollar, fuhr bei Minardi und jetzt konnte er zu Jaguar wechseln. Das ist gut, ich freue mich sehr für ihn, Justin ist ein guter und schneller Fahrer, er war in der Formel 3000 Meister. Letztes Jahr waren die Top 4-Piloten in der World Series Ricardo Zonta, Franck Montagny, ich und Justin Wilson als Vierter. Auch Montagny wäre schnell, wenn er ein GP-Cockpit bekäme. Wir sind hier viele gute Fahrer. Was wir brauchen ist Geld...

Man sagt, die Boliden der World Series entsprechen von der Technik und vom Umgang her eher jenen eines Formel 1-Autos als die Autos in der Formel 3000.

Bas Leinders: Ja, das glaube ich auch. Nur ich kann es nicht hundertprozentig bestätigen, denn ich bin noch nie in einem Formel 1 gefahren. Aber wenn ich mit meinem Teamkollegen Stephane Sarrazin spreche – Stephan hat 30.000 oder 40.000 Testkilometer bei Prost und Toyota abgespult, fuhr auch ein Rennen mit Minardi – dann sagt er auch, dass die World Series näher an der Formel 1 dran sind. Wir sind auch ein, zwei Sekunden schneller als die Formel 3000.

Während in der Formel 1 mit Prototypen gefahren wird, gibt es in der World Series das Dallara-Einheits-Chassis. Gibt es da trotzdem gewisse Unterschiede zwischen den Teams?

Bas Leinders: Die Abstimmungsarbeit ist hier immens wichtig. Es geht dabei nicht nur um die Erfahrung. In der Formel 1 muss ich einen Motor konstruieren, Flügel entwerfen. Aber hier haben alle das gleiche Material und daher ist es dann letztlich das kleine Bisschen an Abstimmungsnuancen, welches für die Performance-Unterschiede verantwortlich ist. Da ist schnell eine Zehntelsekunde verloren und hier in der World Series sind die Abstände zwischen den Konkurrenten sehr knapp.

Die World Series ist noch recht jung. Entwickelt sich diese Serie jetzt zu einer Aufstiegsplattform in die Königsklasse?

Bas Leinders: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, das Wichtigste ist, gute Kontakte zur Formel 1 zu haben. Zum Beispiel Jos Verstappen. Er ist letztes Jahr gar nicht gefahren und dieses Jahr fährt er wieder. Jos hat Kontakte und er hat Sponsoren. Ich habe in meiner Karriere in allen Kategorien – außer der Formel 3000, da war ich zweimal Zweiter – Rennen gewonnen und wurde dreizehnmal Meister. Und ich fahre nicht in der Formel 1. Es geht nur ums Geld...

Dann brauche ich dich jetzt wohl nicht zu fragen: Kommst du aus reichem Haus?

Bas Leinders: Aus einem reichen Haus? Da musst du meine Eltern fragen. [Mutter und Vater Leinders sitzen ebenfalls am Tisch und lachen, d. Red.] Aber im Ernst: Nein. Am Beginn, im Kartsport, konnten sie mir noch helfen, aber sobald es in die Formel Ford ging, war das vom Budget her einfach nicht mehr möglich. Dabei hatte ich Glück, denn ich war im Kartsport Europameister, wurde Werksfahrer und in der Formel Ford musste ich nur ein halbes Budget mitbringen. Dann war ich sofort Meister in den Benelux-Ländern, sofort Meister in England und Europameister. Und dafür brauchte ich dann auch in der Formel Opel nur ein halbes Budget mitbringen. Insofern hatte ich da Glück...

Das Glück zur richtigen Zeit in der richtigen Serie im richtigen Team zu fahren...

Bas Leinders: Ja, nehmen wir noch mal Justin Wilson. Er war Meister in der Formel 3000, doch dann musste er froh sein, ein Cockpit in der World Series zu bekommen. Er hatte kein Geld, er hatte gar nichts. Ohne der World Series hätte er letztes Jahr vielleicht gar kein Cockpit bekommen, obwohl er der Europameister der Formel 3000 war. Mark Webber wiederum konnte nach seinem Titel gleich zu Minardi in die Formel 1 wechseln.

Würdest du bei Minardi fahren wollen?

Bas Leinders: Ja, warum nicht? Okay: Das Beste wäre sicher McLaren oder Ferrari, aber Minardi ist ansonsten die beste Plattform. Da kannst du lernen, die sind immer hinten. Wenn es dann am Anfang nicht so gut geht, ist das kein grpßes Problem. Nach dem Rennen Drei oder Vier muss es dann halt besser laufen und wenn du dann Glück hast, so wie Justin Wilson, kannst du in ein anderes Team aufsteigen.

Teams wie Minardi sind halt leider auch auf sogenannte Paydriver angewiesen.

Bas Leinders: Ich habe ja auch ein Management und wir versuchen auch immer, ein Sponsorpaket aufzustellen. Und wir haben auch gute Kontakte zu den Teams der Formel 1. Am Beginn dieses Jahres haben sogar Formel 1-Teams bei uns angerufen und gesagt: 'Wir wollen dich als Fahrer, aber du brauchst so und so viel Sponsorgeld.' Dann sagst du: "Ich habe das Geld derzeit leider nicht:' Dann sagen sie: 'Geh mal gucken.' Eine Woche später musst du das Geld haben, oder es geht eben nicht. Formel 1 funktioniert nur mit Geld. Okay, nicht alles. Wenn du 19 oder 20 Jahre alt bist wie Fernando Alonso - mit Briatore, Renault - da kann man sagen: 'Auf geht's'. Was ja gut ist. Ich bin zu alt für so etwas. Es geht auch darum, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Ich war in der Formel 3 zu spät. Vor meinem F3-Einstieg erhielt ein F3-Meister immer einen Test in der Formel 1 - und in meinem Jahr, ich war Deutscher Formel 3-Meister, war das dann auf einmal nicht mehr der Fall. 1997 war Nick Heidfeld F3-Meister und er ging dann mit dem McLaren-Junior-Team in die Formel 3000, wurde Meister. Und dann haben die F1.Teamchefs gesagt: 'Vielleicht ist es besser, sich in der Formel 3000 umzuschauen. Danach wendete sich der Blick der Teamchefs wieder zu anderen Serien hin.. Das sind immer so Wellen - mal wird die Rennserie mehr beachtet, mal eine andere.

Vielleicht richtet sich der Blick der Formel 1-Teamchefs jetzt ja auf die World Series?

Bas Leinders: Naja, wohin richtet sich der Blick der Teamchefs? Sie schauen in der Woche nach einem Rennen auf die Ergebnisse. Aber gut, wenn du Siege hast und sie sehen das, so wie jetzt bei Franck Montagny, ist das schon okay.

Wie sehen deine Pläne für die kommende Saison aus. Hast du schon ein Cockpit?

Bas Leinders: Nein. ich weiß es noch nicht. Ich würde gerne in der Formel 1 fahren. Und ansonsten hier in der World Series bleiben. Ich hoffe, bei meinem Team Racing Engineering zu bleiben. Am Beginn dieser Saison hatte ich zunächst ein paar technische Probleme, dazu kam auch eine kleine Portion Pech. Aber jetzt läuft es sehr gut. Mein Team gehört zu den drei Top-Teams in der World Series.

Was glaubst du - ist der Aufstieg in die Formel 1 für einen Belgier schwieriger als beispielsweise für einen Franzosen?

Bas Leinders: Naja, es ist für alle Leute schwierig. Aber die Belgier sind sehr skeptisch. Alle glauben: 'Das wird nichts mehr mit einem Belgier in der Formel 1'. Sie glauben nicht daran, aber ich glaube, dass es möglich ist - aber ich bin da in der Minderheit.

In Österreich glauben auch immer weniger Leute an ein Comeback von Alex Wurz.

Bas Leinders: Wurz nicht mehr, aber es gibt viele junge und schnelle Österreicher, die das drauf haben und es schaffen können. Es gibt viele schnelle Fahrer aber du musst daran glauben. Und manchmal braucht man ein ganzes Land hinter einem. Die französischen Fahrer haben Renault, sie haben Elf, sie haben Firmen, welche bereits in der Formel 1 etabliert sind. Und in Belgien gibt es gar nichts. [lacht, d. Red.] Stimmt nicht: Belgien hat Spa, zumindest im nächsten Jahr wieder.

Du hast dich in der World Series mit ehemaligen F1-Piloten bzw. F1-Testfahrern messen können. Würdest du den Satz unterschreiben: In der Formel 1 sind die weltbesten Automobillenker unterwegs?

Bas Leinders: Nehmen wir Marc Gené. Sein fünfter Platz als Ralf Schumacher-Ersatz in Monza war ein sehr gutes Resultat. Hier in der World Series bin ich zu 80 Prozent vor ihm, wenn ich gerade kein Technikproblem habe. Ich kann also sagen, dass es hier in der WS zehn Piloten gibt, die nicht besser, aber so gut sind wie Marc Gené. Es gibt sowohl in der F1 wie auch in der WS ausgezeichnete Piloten, aber es gibt in beiden Serien auch Fahrer, die sagen wir mal nicht so gut sind. Ich bin sicher, es gibt zwei, drei Fahrer in der Formel 1 - wenn die hier in der WS mitfahren würden, würden sie über einen 15. Platz nicht hinauskommen...

Fotos: racing-engineering.com

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