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Sitzen macht den Meister?

Der durch die sinnlose Motorenregel erwirkte Rundengeiz ist eine weitere Ohrfeige ins Gesicht der Fans. Die Formel 1 schaufelt fleißig weiter an ihrem eigenen Grab.

Michael Noir Trawniczek

„So etwas Perverses habe ich in der Formel 1 noch nie erlebt. In der ersten Session hat sich überhaupt nichts getan. Da waren ja am Anfang nur die dritten Piloten draußen auf der Strecke. Das war komplett langweilig für die Zuschauer!“ Niki Lauda bringt es gegenüber der APA auf den Punkt. Der neue Grand Prix-Freitag bildet zusammen mit der neuen Motorenregel die Zutaten für eine öde Schlaftablette. Aus Angst vor einem Motorschaden steht man lieber an der Box und analysiert die Zeiten der dritten Piloten. Die dabei gefahrenen Rundenzeiten sind wenig bis gar nicht interpretierbar.

Langsam erweckt die Formel 1 den Eindruck, als wolle sie mit aller Gewalt ihr eigenes Grab schaufeln. Seit dem für den Sport katastrophalen Jahr 2002 wird alles über den Haufen geworfen, was die Formel 1 ausgemacht hat. Man hat sich mit einem Qualifying anfreunden müssen, dessen Rundenzeiten streng genommen gar nicht mehr öffentlich interpretiert werden dürften, da aufgrund der unterschiedlichen und unbekannten Spritladungen jede seriöse Analyse de facto unmöglich gemacht wurde. Man hat sich mit einem Punktemodus anfreunden müssen, der auf Kosten des Sieges chemische Spannung in der WM repliziert. Die Show wurde verbessert, der Sport nicht unbedingt. Die Autos sind immer noch überholfeindlich...

Doch nun haben die großen Automobilwerke auch noch die wunderbare Leichtigkeit des Sparens entdeckt. Erstmals in der Formel 1 muss ein Motor eine Lebensdauer vorweisen. Bislang mussten Rennmotoren vor allem eines: Stark sein und brüllen. Die FIA respektive die Automobilwerke wollen mit Motoren, die ein ganzes Grand Prix-Wochenende halten, sparen. Doch schon die Entwicklung dieser Aggregate war sündteuer.

Es darf bezweifelt werden, ob die eingesparte Summe derart groß ist, als dass dies für Riesenkonzerne einen Unterschied mache. In Wahrheit will niemand sparen, im Gegenteil: Die Wintertests waren diesmal so teuer wie noch nie. Es wird so getan, als müsste man die Konzerne vor dem Konkurs retten, dabei sollte es nur um eines gehen: Die Reputation der Königsklasse zu retten.

Die Formel 1 leidet seit 2002 an einem rapiden Imageverlust. Beinahe alle Rennen in dem besagten Jahr waren derart langweilig, dass die Einschaltquoten mitunter bis auf ein Drittel geschrumpft sind. Die unbändige Gier der Hersteller treibt die Privatteams in den Bankrott. Prost. Arrows. Jordan und Minardi sind nur noch Auffüllstaffage, damit die Anzahl der Autos nicht die Lächerlichkeitsgrenze unterschreitet. Die Privaten, früher das Sprungbrett für junge Talente, engagieren aus Geldnot nur noch Fahrer mit dickem Geldkoffer.

Die elektronischen Fahrhilfen sorgten dafür, dass die Formel 1-Piloten einen erschreckenden Imageverlust erlitten: Die „Knöpferldrücker“, die an ihrem Arbeitsplatz weniger zu tun haben als jeder normale Autolenker auf der Bundesstraße. Die Fans schrieben empörte Emails an Max Mosley. Immerhin: 2004 darf man wieder selber schalten, sogar auch beim Start. Doch: Querstehende Boliden wird man weiterhin nicht sehen, da die Traktionskontrolle jeden übereifrigen Tritt auf das Gaspedal korrigiert.

Und jetzt die neue Motorenregel. Was immer man in Wahrheit mit diesen Wochenendmotoren bezwecken will, die neue Motorenregel hat katastrophale Folgen, und zwar an mehreren Fronten. Der Freitag wurde zum reinen Testtag, mit dem Unterschied, dass beim Testen gefahren wird. Das zahlende Publikum vor Ort langweilt sich zu Tode. Und auch die TV-Zuseher haben wenig von dem Ereignis. Denn die gefahrenen Rundenzeiten sind wie jene vom Samstag nicht aussagefähig. 2003 konnte man wenigstens davon ausgehen, dass im Freitags-Einzelrundenqualifying mit leeren Tanks gefahren wird. Erstmals in der Geschichte der Formel 1 ist es so, dass an einem Grand Prix-Wochenende niemals unter gleichen Bedingungen gefahren wird. Es gibt keinerlei Vergleichsmöglichkeiten mehr.

An den Teststrecken werden mitunter pro Tag über 100 Runden gefahren, doch wenn dann die Leute kommen und den provokant hohen Eintritt an der Kassa löhnen, steht man tatenlos in der Box herum und geizt um jedes gefahrene Ründchen. Eigentlich eine Frechheit. Und das Ganze passiert nur, damit die weltgrößten Automobilkonzerne sparen können...

Doch dieses Sparen ist reines Placebo. Wird in einem Bereich gespart, wird im anderen doppelt so viel wieder ausgegeben. Mit diesem Argument hat man ja die Beibehaltung der Traktionskontrolle durchgesetzt. Es ist schon seltsam geworden in der High Society Formel1. Die Zuschauer zahlen den gleichen Eintrittspreis und verzichten auf Action am Circuit, damit die armen Hersteller ein bisschen was sparen können, was sie dann in den neuesten Windkanal buttern. Es geht sogar soweit, dass liebevolle Formel 1-Fans für Fahrer spenden, siehe Baumgartner oder Wilson, damit sich diese in der Formel einkaufen können.

Eine Königsklasse also, die immer und überall die Hand aufhält. Auch die Veranstalter müssen die arme Mutter des Automobilrennsports füttern, sie müssen schon froh sein, wenn sie nicht pleite gehen, weil der Herr Ecclestone eine neue Boxenanlage wünscht oder dergleichen. Und die derart genötigten Veranstalter müssen dann halt leider die Eintrittspreise erhöhen. Es wird also mit all diesen seltsamen Maßnahmen geschädigt: Der Sport. Der Zuschauer. Die Formel 1 als Ganzes.

Es gibt aber noch weitere Opfer, speziell was die neue Motorenregel und ihre wie Niki Lauda eingangs treffend formuliert hat, perversen Folgewirkungen. Die Piloten. In erster Linie jene Fahrer, welche neu zur Formel 1 hinzustoßen. Dadurch , dass man in der Formel 1 bei einer Rennveranstaltung immer seltener zum Fahren kommt, wird die Situation für Debütanten in einem erschreckenden Maße schwieriger.

Nicht nur, dass man mit der komplizierten Technik zurande kommen muss, man muss auch neue Strecken lernen. Jungspunde wie Christian Klien, Giorgio Pantano oder Gianmaria Bruni sollten an so einem Tag wie heute so viele Runden drehen wie möglich, um Erfahrungen zu sammeln. Doch da dies nicht mehr möglich ist, werden die Jungen von ihren mit viel Sponsorgeld bezahlten Cockpits abgeworfen wie besoffene Toreros von einem nüchternen Stier. Bringt einer der Yougsters seine Leistung nicht, wird er gefeuert, denn draußen warten ja auch schon wieder weitere Piloten mit einem wieder neuen Geldkoffer...

Das Ganze könnte dazu führen, dass sich nur noch ganz wenige Piloten in der Königsklasse etablieren können. Man sieht schon jetzt solche Tendenzen, wenn man betrachtet, dass wir neben dem Sechsfachweltmeister Michael Schumacher niemanden mehr im Felde haben, der diese Meisterschaft schon mal für sich entscheiden konnte.

Die Schere wird größer: Hier die Etablierten, die mit mittelprächtigen Leistungen Jahrzehnte lang Spitzencockpits blockieren und dort die Armen, wo ein Kommen und Gehen herrscht, bei dem mühsam erarbeitete Karrieren verglühen wie Silvesterkracher. Ein Zeichen der Zeit, dass man die Wörter „Angestellte“ oder gar „Idioten“ (und dies von höchster Stelle) für die F1-Piloten mittlerweile häufiger verwendet als das Wort „Star“. Man vergisst, dass jene Leute, welche diese Autos steuern, dies einfach auch gerne tun und lieber mehr als weniger Runden drehen. Und wenn sich diese Leute wohl fühlen, können daraus herzhafte und spannende Rennen entstehen.

Zudem könnte dieses Rundengeizen auch gefährlich werden. Der Mangel an Erfahrungswerten respektive der fehlende Kontakt mit Rennfahrzeug und Strecke könnte Unfälle zur Folge haben. Um mich optimal auf ein Rennen vorzubereiten, muss ich fahren. „Übung macht den Meister“, sagt eine altmodische Weisheit. Und wenn niemand mehr zum Üben kommt, gibt es folgerichtig dann auch keine Meister mehr...

Die neue Motorenregel ist Schwachsinn und gehört schleunigst in den Papierkorb geschoben. Ihre Folgewirkung, der Rundengeiz, ist eine weitere Provokation jenes Teils in dem ganzen Rädchen, der überhaupt zulässt, das es diesen Zirkus geben darf. Die wahren Arbeitgeber des gesamten Fahrerlagers, die wahren Arbeitgeber aller mit diesem Zirkus in Verbindung stehenden Marketingabteilungen sind die FANS!

Wenn diese aufhören würden, Rennen zu besuchen und immer mehr enttäuschte Fans sich von ihrem Fernsehgerät abwenden würden, wäre der gesamte Formel 1-Zirkus irgendwann einmal arbeitslos. Nur ganz wenige Formel 1-Fans können mit dieser Motorengeschichte etwas anfangen. Warum sollten sie auch? Sie wollen ja Action sehen, und zwar auf der Piste, nicht im VIP-Klub. Und keine in der Box herumstehenden Langeweiler. Es scheint so, als könnte Max Mosley wieder eine volle Mailbox erwarten...

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