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Der Österreich-Ring ist Geschichte

In einer beispiellosen Wahnsinnsaktion werden gleichzeitig eine Kultstätte und eine Vision des österreichischen Motorsports zu Grabe getragen.

Manfred Wolf

Eines der wenigen Dinge, die Bagger und Planierraupen im Auftrag von Red Bull noch nicht über den Haufen gefahren haben, ist das Denkmal für den ersten österreichischen Formel-1-Weltmeister Jochen Rindt. Es steht an der Einfahrt zum Österreichring, später auch A1-Ring genannt – nein, besser gesagt, es steht an der Einfahrt zu dem, was noch übrig ist.

Das alte Gelände wurde ja, bis auf die Westtribüne, komplett „geschliffen“. Schließlich sollte hier nach der Vision von Dietrich Mateschitz eine Motorsport- und Luftfahrt-Akademie entstehen. Eine GP-Rennstrecke, eine Veranstaltungsarena für bis zu 200.000 Menschen, eine Kart- und Motocross-Weltmeisterschaftsstrecke, ein Test- und Entwicklungscenter für große Automobilkonzerne, ein Luxushotel, und so weiter und so fort.

Bei so einem Projekt ist das Wort „Vision“ mehr als angebracht. Zuletzt kalkulierte der frisch gebackene Formel-1-Teambesitzer Mateschitz die Investitionen auf dem Gelände des Österreichrings mit 700 Millionen Euro. Das sind deutlich über 9,5 Milliarden Schilling. Soviel Geld zu investieren, ist für keinen Unternehmer – egal wie viel er verdient und welche Umsätze er generiert – eine Selbstverständlichkeit.

Dietrich Mateschitz hätte es getan. Der gebürtige Steirer wollte in einer strukturschwachen Region mit hoher Arbeitslosigkeit ein einmaliges Projekt starten, das dem gesamten Bundesland und ganz Österreich mehr als gut bekommen wäre. Der steirische Automobilcluster hätte im Hinblick auf die vorhandenen Test- und Entwicklungsmöglichkeiten unschätzbare Argumente in Verhandlungen mit internationalen Automobilkonzernen gehabt, das zarte Pflänzchen der Aeronautik hätte ebenfalls aufblühen können.

Warum wird es jetzt mit größter Wahrscheinlichkeit niemals soweit kommen? Weil einige wenige Querköpfe, Selbstinszenierer und prinzipielle Verhinderer mit dem Damoklesschwert der Umweltverträglichkeit gespielt haben. Das Dumme dabei: Der Säbel war zu schwer und ist den Neunmalklugen ausgekommen – am Ende steht das Projekt vor dem Aus und eine ganze Region da, wo sie vorher war: An der Endstation Hoffnungslosigkeit.

Die gesamte Palette an Untergriffen, Halbwahrheiten und Geschmacklosigkeiten wurde da ausgepackt, um vielleicht doch noch persönlichen Profit aus dem 700-Millionen-Projekt schlagen zu können. Jetzt wird es nicht einmal einen müden Euro geben – nicht für die Verhinderer, aber auch nicht für die Befürworter und jene Arbeitslosen, die so viel Hoffnung in die Visionen des Dietrich Mateschitz gesetzt haben.

Das Ende der Geschichte ist schnell erzählt. Der Umweltsenat des Bundes hat (einigen wenigen) Berufungen gegen das Projekt stattgegeben und erklärte dasselbe lapidar als „erledigt“, sprich „nicht genehmigt“. Dabei betonte der Chef des Umweltsenates freilich, „dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hat“.

Dieser Senat war übrigens die einzige Bundes-Institution, die sich im Laufe dieses unseligen Verfahrens mit der Sache beschäftigte, die Bundesregierung hatte offensichtlich mit dem Streit um die Steuer-Reform und der PISA-Studie genug zu tun. 700 Millionen Euro Investitionen sind in Österreich offensichtlich nicht so wichtig, weil alltäglich.

Die erste – und einzig richtige – Reaktion von Dietrich Mateschitz auf dieses Drama war ebenso kurz, wie prägnant: „Das Projekt ist damit auch für uns erledigt“, so Mateschitz gegenüber der Kleinen Zeitung, „völlig neutral, völlig wertfrei. Wir werden das Projekt auch nicht neu aufsetzen. Denn dann müssten wir vom jetzigen Projekt, von dessen Sinnhaftigkeit wir überzeugt sind, abweichen. Es gibt für uns gar kein zweites Projekt zum Einreichen.“

Nun behauptet der Chef des Umweltsenates, ein gewisser Herr Prock, man wäre sich „der wirtschaftlichen Bedeutung bewusst gewesen.“ Nein. Niemand konnte sich der wirtschaftlichen Bedeutung in ihrem vollen Ausmaß bewusst gewesen sein. Nicht bei einem Projekt, wie es noch nie eines in Österreich gegeben hat. Schon gar nicht die Schreibtischtäter dieses Landes waren sich auch nur annähernd bewusst, wie wichtig dieses Vorhaben gewesen wäre.

Abgesehen von den verlorenen Arbeitsplätzen, abgesehen von den verlorenen Investitionen, abgesehen von der unschätzbaren Werbung für Österreich, die Steiermark und die Region Aichfeld-Murboden, abgesehen von der fatalen Optik, die für internationale Konzerne von der „Investitionsbühne“ Österreich entsteht, kann man auch den unwiederbringlich verloren gegangenen Wert für den österreichischen Motor-Rennsport noch gar nicht abschätzen.

Dietrich Mateschitz ist Visionär und weint den bisher getätigten Investitionen keine Träne nach: „Geld ist ersetzbar, Ehre nicht“, meinte er abschließend zur Kleinen Zeitung. So wird er sich mit seinen Visionen und 700 Millionen Euro im Gepäck wo anders nach einem Platz für sein Lebenswerk umsehen. Man darf davon ausgehen, dass er – egal wohin er kommt – mit offenen Armen empfangen wird.

In Zukunft wird das Denkmal von Jochen Rindt für Motorsportfans der einzige Grund sein, in das Aichfeld zu fahren, in eine kleine, unbedeutende Ortschaft namens Spielberg.

Wie ist Ihre Meinung zum vorläufigen Ende des Österreich-Ringes? Senden Sie eine Mail an redaktion@motorline.cc!

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