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F1 Spionageaffäre 2

Es herrscht Gerechtigkeit in der Formel 1

Die Oberste Sporthoheit FIA stand wieder einmal im Scheinwerferlicht - immer tiefer dringt sie ein, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Oder so...

Michael Noir Trawniczek, noir@motorline.cc

"Wir sind immer fair!" (Bernie Ecclestone, Mitglied des 26-köpfigen FIA World Council)

Wieder einmal haben die Apparatschiks in ihren maßgeschneiderten Anzügen die Formel 1-Bühne erklommen und uns erklärt, was Gerechtigkeit ist. Die Medienmaschine wurde einmal mehr mit ausführlichen, schwindelerregenden Urteilsbegründungen gefüttert - für die Jusstudenten unter den F1-Fans ein wahres Freudenfest, sie dürfen sich beim gelernten Rechtsanwalt Max Mosley dafür bedanken. Der Herr Präsident hat dann auch höchstpersönlich in einem Interview mit Auto, Motor und Sport erklärt, warum das Urteil gerecht sei.

Herr Mosley erklärt: "Wir haben im Fall von Renault genauso entschieden wie bei McLaren in der ersten Weltratssitzung am 26. Juli. Das Team hat Paragraf 151c verletzt, es gibt aber keine Beweise, dass die Informationen, die der frühere McLaren-Ingenieur Phil Mackereth mit zu Renault brachte, die Weltmeisterschaft in irgendeiner Weise beeinflusst haben. Wie bei McLaren werden wir auch bei Renault den Fall wieder aufrollen, sollten sich neue Beweise ergeben." Mosley sagt auch: "Für uns würde es zum Beispiel auch keine Rolle spielen, wenn für die Informationen bezahlt worden wäre. Das ist allein Sache der Polizei. Die FIA ist nur an einem regulären Ablauf der Weltmeisterschaft interessiert."

Es ist also straffrei, wenn ein Team illegale Informationen eines Konkurrenten besitzt und es diese auch studiert, ja es darf diese Informationen sogar kaufen - es darf nur eines nicht: davon profitieren. McLaren-Mercedes sei deshalb mit der hohen Geldbuße von 100 Millionen Dollar sowie der Streichung aller Konstrukteurspunkte bestraft worden, weil "der dringende Verdacht besteht, dass sie versucht haben, bestimmte Informationen daraus zu ihrem Vorteil zu nutzen." Allein diese Formulierung zeigt sehr deutlich, warum viele Menschen diese beiden so unterschiedlichen Urteile nicht wirklich nachvollziehen können.

In einer sagenhaften und im Grunde lächerlichen Selbstgefälligkeit dringt die Sporthoheit immer mehr in Bereiche ein, wie das früher undenkbar gewesen wäre - um dann nach wagen Gesichtspunkten zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden. Immer handelt es sich um sogenannte "Gummiparagraphen", um dehnbare Begriffe. Ab wann handelt ein Team, welches in Besitz von illegalem Material ist, zu seinem Vorteil? Ab wann wird die Weltmeisterschaft beeinflusst?

Ja selbst jene Untersuchung, die den 2008er-Boliden von McLaren-Mercedes anbelangt, gehört dazu: Wie soll exakt überprüft werden, ob das Betrachten der vertraulichen Ferrari-Daten einen Einfluss auf die Konstruktion hatte? Was geschieht, wenn es beispielsweise aufgrund der Einheitsreifen bei allen Teams einen gewissen Trend in Sachen Radaufhängung gibt, den Ferrari zufällig bereits am F2007 angewandt hat? Oder: Angenommen, McLaren hätte eine bestimmte neue Lösung angestrebt, diese jedoch aufgrund der Studie der F2007-Daten verworfen? Hier scheint es wiederum schwer denkbar, dass man dies beweisen könnte - obwohl dieses rein fiktive Beispiel einen Einfluss darstellen würde.

Es ist bezeichnend, dass zu jenem Zeitpunkt, an dem Kimi Räikkönen seinen wohlverdienten Weltmeisterpokal erhielt, die Sportbehörde die Schlagzeilen dominierte. Und es ist auch bezeichnend, dass dieser Weltmeister nicht am Tage des WM-Finales feststand, sondern erst von der Sporthoheit im Rahmen einer der zahlreichen Entscheidungen auf dem "grünen Tisch" bestätigt werden musste. Noch nie zuvor hat sich die FIA derart in den Sport eingemischt, noch nie zuvor gab es alle paar Wochen neue Regeln und kilometerlange Briefe des FIA-Präsidenten zu verdauen.

Es wird immer schlimmer - wer sich erlaubt, diese Handlungen als eitle Selbstdarstellung oder als einen Kampf um Macht und Geld zu bezeichnen, muss heute mit einer Klage rechnen. Die FIA möchte eine britische Zeitung verklagen, weil Kolumnist Martin Brundle, ein früherer F1-Pilot, sich in seinem Kommentar erlaubt hatte, die Spionageaffäre als eine "Hexenjagd gegen McLaren-Mercedes" zu bezeichnen.

Dass die FIA nun offenbar das Recht auf freie Meinungsäußerung mit Klagen beschneiden möchte, ist ebenfalls bezeichnend. Dass der Präsident dieser Behörde Sir Jackie Stewart einfach als "Trottel" bezeichnet, setzt dem Ganzen die Krone auf. Es stellt sich die Frage, ob ein solches Verhalten dem Ansehen des Sports förderlich ist - laut Artikel 151c des Sportreglements sind Handlungen, welche dem Ansehen des Sports schaden, zu bestrafen.

Aber natürlich: Es herrscht Gerechtigkeit in der Formel 1.

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