Formel 1: Kommentar | 14.12.2007
Der seltsame Weihnachtsfriede
Nach der Entschuldigung von McLaren möchte FIA-Präsident Mosley die weiteren Untersuchungen gegen das Team beenden. Das wirft Fragen auf...
Michael Noir Trawniczek, noir@motorline.cc
Natürlich wäre es schön, wenn die leidige Spionageaffäre ein für allemal beendet wäre und wieder der Sport im Vordergrund stehen würde - nur: Dieser Weihnachtsfrieden stinkt. Er trägt jenen verfaulten Geruch, welcher entsteht, wenn nicht die Wahrheit, sondern andere Interessen im Vordergrund stehen.
Die plötzliche Kapitulation von McLaren-Mercedes wirft einige Fragen auf. Einerseits entschuldigt sich der Rennstall bei der FIA, bei Ferrari und bei den Fans dafür, dass die eigenen Untersuchungen nicht alle Fakten ans Tageslicht gebracht haben und dass erst die FIA-Untersuchung nötig gewesen sei, um alle Fakten ans Tageslicht zu bringen. Zugleich jedoch ist diese Entschuldigung stets in der Möglichkeitsform verfasst - es heißt: "Ferrari-Informationen könnten innerhalb des Teams weiter verbreitet worden sein, als wir gedacht haben." Die FIA-Inspektion "liefert einige Gründe zu der Erkenntnis", dass einige weitere McLaren-Mitarbeiter Zugang zu den illegalen Ferrari-Informationen hatten.
Es handelt sich um einen Kniefall des Teams - und es handelt sich um ein Team, dass stets seine Integrität in den Vordergrund stellte. Es muss also triftige Gründe geben für diese Entschuldigung. Ein drohender WM-Ausschluss im kommenden Jahr wäre ein solcher Grund - denn ein F1-Team, welches keine Rennen bestreitet, ist dem Untergang geweiht. Man kann könnte durchaus den Eindruck erhalten, dass McLaren-Mercedes massiv unter Druck gesetzt wurde.
Eine weitere Frage, die sich stellt: Wie kann ein derartiges Entschuldigungsschreiben zur Folge haben, dass der FIA-Präsident sämtliche weiteren Untersuchungen beenden möchte, er das World Council um die Absage des Jänner-Termins bittet? Es muss für die weiteren Untersuchungen doch auch triftige Gründe und berechtigte Sorgen gegeben haben? Dass diese nun mit einem öffentlichen Kniefall plötzlich ihre Wichtigkeit verlieren, sorgt für einen schalen Nachgeschmack.
Was ist nun mit dem angeblichen möglichen Einfluss der illegalen Ferrari-Informationen auf das McLaren-Auto für die Saison 2008? Deshalb wurde ja weiter gegen McLaren ermittelt. Waren diese Ermittlungen vielleicht nur Mittel zum Zweck, um McLaren in die Knie zu zwingen? Oder ist der Kniefall eines Traditionsteams so berauschend, dass man trotz der vorherigen massiven Bedenken die Untersuchungen beendet und den Sieg in vollen Zügen genießt? Wie kann eine Entschuldigung wie sie McLaren vorgelegt hat ausreichen, um diese angeblich massiven Bedenken einer Beeinflussung des nächstjährigen Fahrzeugs aus dem Weg zu schaffen?
Ferrari nahm die Selbstgeißelung von McLaren erfreut zur Kenntnis, fügte aber hinzu, dass die zivilrechtlichen Verfahren weiter betrieben werden. Vielleicht schafft es ja ein ziviles Gericht, doch noch ans Tageslicht zu bringen, was in der Spionageaffäre wirklich geschehen ist?
Max Mosley sagte unlängst: "Sehr wichtig ist, dass die Leute glauben, dass die Spionage vorbei ist und nicht wieder vorkommen kann." Und genau das wird mit dem plötzlichen Wunsch des Präsidenten, sämtliche weiteren Untersuchungen einzustellen, in Frage gestellt.