In memoriam Enzo Ferrari | 15.08.2013
Vom Fußsoldaten zum Commendatore
Wie Enzo Ferrari ohne Perspektiven in die Autoindustrie kam, sich eine unnahbare Aura aufbaute und noch heute im Unternehmen wirkt.
Fotos: Ferrari S.p.A.
Es ist ein Vierteljahrhundert her, dass am Sonntag, den 14. August 1988, Enzo Ferrari in seinem Geburtsort Modena im Alter von 90 Jahren eines natürlichen Todes starb. Im Konzern und in ganz Italien ist das Erbe des Gründers der italienischen Sportwagen-Schmiede noch immer ein heiliger Gral. "Er wäre glücklich, wenn er sehen würde, was aus Ferrari geworden ist", erklärt ein gerührter Luca di Montezemolo, der nunmehr die Geschicke der Marke mit dem 'cavallino rampante' leitet.
Die Wege der beiden kreuzten sich relativ spät. Ferrari, der im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, seinen Vater genau wie seinen älteren Bruder beim Ausbruch einer Grippepandemie im Jahr 1916 verlor und selbst mehrmals an der Krankheit litt, kam mehr oder weniger zufällig in die Autoindustrie. Als Angestellter der eher unbedeutenden Costruzioni Meccaniche Nazionali begann er im Alter von 21 Jahren, aktiv Motorsport zu betreiben und feierte mit Alfa Romeo erste Erfolge auf nationaler Ebene. Später gründete er die Scuderia Ferrari als Rennteam der Turiner.
Das springende Pferd als Logo hatte der junge Enzo beim italienischen Fliegerhelden Francesco Baracca entdeckt. Er trug das Symbol als Glücksbringer auf seinen Maschinen. Es brauchte 1933 allerdings die weltliche und monetäre Hilfe von Pirelli, um den Rennbetrieb nach einem Streit mit Alfa Romeo über finanzielle Belange fortzuführen und Autos für die legendäre Mille Miglia zu bauen. Nachdem Ferrari im Zweiten Weltkrieg für die Waffenproduktion unter Benito Mussolini eingespannt worden war, gründete er 1947 auch formell seine eigene Automarke.
Nicht nur Commendatore, auch "der Drache"
Neben Serienfahrzeugen stand bald das Formel-1-Engagement im Vordergrund. Die ersten Weltmeistertitel feierte der Commendatore, der diesen Ehrentitel einem ihm verliehenen Orden zu verdanken hat, mit Alberto Ascari in den Jahren 1952 und 1953. Hinzu kamen Triumphe in Le Mans und der Sportwagen-WM. Eine Krise erlebte Ferrari erst Ende der sechziger Jahre, als eine Sicherheitsdebatte in den Motorsport Einzug hielt und Vebrauchs- wie Emissionswerte plötzlich Thema in der Autoindustrie wurden. Er verkaufte die Hälfte des Unternehmens an Fiat, behielt aber die alleinige Kontrolle über die Scuderia.
Seine harte Gangart hatte ihm einen Spitznamen eigebracht: "Il Drake", der Drache. Niki Lauda erinnert sich im Gespräch mit der Presse daran, wie es war, mit einer lebenden Legende über sein Gehalt zu verhandeln. "Drei Millionen Schilling habe ich gesagt. Er ließ sich das in Lire umrechnen. Dann hat er mich gefragt, ob ich deppert bin, ich soll froh sein, dass ich Ferrari fahren darf, er zahlt überhaupt nichts", so der Österreicher. "Ich habe gesagt, dann fahre ich halt woanders. Es wurde ihm dann klargemacht, dass es gescheiter wäre, mir die drei Millionen zu zahlen."
Erst 1971 zog sich der damals 73jährige als Geschäftsführer zurück und übergab an di Montezemolo als Sportdirektor. "Es ist unmöglich in Worte zu fassen, was Enzo Ferrari für mich bedeutet hat. Ich verdanke ihm so viel. Seinem Mut, seiner Zuversicht sogar in den schwierigsten Momenten – auf beruflicher und auf persönlicher Ebene", erklärt der heutige Präsident der Marke. "Sehr oft wird mir klar, was für ein Glück ich gehabt habe, ihn gekannt und mit ihm gearbeitet zu haben", zeigt sich di Montezemolo berührt.
Eine Ehefrau, eine Geliebte, zwei Söhne
Dabei galt Enzo Ferrari als Mensch, der auch seinen engsten Vertrauten oft die kalte Schulter zeigte. Sein distanziertes Verhältnis zu Fahrern führen einige Zeitzeugen auf die Unfalltode Ascaris und Guiseppe Camparis zurück. Über sein Privatleben drang nicht viel an die Öffentlichkeit, Interviews waren eine Rarität. Verheiratet war Ferrari seit 1933 mit Laura, bis sie 1978 verstarb. Sein Sohn Alfredo, besser bekannt als "Dino", starb 1956 an einer Muskelkrankheit. Seinen zweiten Sprössling Piero brachte Ferraris Geliebte Lina Lardi zur Welt.
Deshalb ließ die Anerkennung seiner Herkunft im konservativen Italien lange auf sich warten, heute ist er Ferrari-Teilhaber. Auch 25 Jahre nach seinem Tod wirkt das große Erbe noch nach, wie di Montezemolo schildert. Und das, obwohl mittlerweile viele Angestellte im Unternehmen arbeiten, die noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hatten, als der "Urvater" starb.
Der 65jährige wird philosophisch: "Direkt neben meinen Schreibtisch in Maranello hängt ein Foto unseres Gründers. Manchmal, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffe, schaue ich instinktiv auf das Bild und frage mich, was er getan hätte. Sein Beispiel bleibt mir immer im Kopf", berichtet di Montezemolo und glaubt, dass in Ferrari ein großes Stück von Enzo weiterlebt: "Er hat dank seiner Hingabe und Leidenschaft seinen Traum von außergewöhnlichen Autos realisiert – diese Qualitäten liegen jedem, der für seine Firma arbeitet, in den Genen."