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F1 GP von Melbourne: Schlussbericht Max Verstappen verlor den Start, gewann aber das Rennen in Melbourne
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Was für ein Chaos: Verstappen gewinnt Neustart-Drama in Melbourne!

Zweimal Neustart in den letzten zwei Runden: Der Sieg im bizarren Grand Prix von Australien geht an Max Verstappen - Nico Hülkenberg fast auf dem Podium gelandet

Lange Zeit sah es beim Grand Prix von Australien 2023 in Melbourne nach einem sicheren Sieg von Max Verstappen (Red Bull) aus, doch am Ende wurde das Rennen im Albert Park noch zum totalen Chaos. Wegen zweier roter Flaggen in den letzten drei Runden wurde mehr diskutiert als gefahren, bis Verstappen nach einem spannenden Nachmittag als Sieger feststand.

Der zweimalige Weltmeister musste für seinen ersten Sieg in Melbourne zumindest zu Beginn des Rennens mehr kämpfen, als ihm lieb war, als er kurzzeitig nur an dritter Stelle lag und Mercedes eine Doppelführung innehatte.

Ab dem Führungswechsel in Runde 12 von 58 ließ Verstappen zunächst nichts mehr anbrennen. Erst zwei Rennunterbrechungungen drei beziehungsweise zwei Runden vor dem Ende brachten noch einmal Spannung.

Letztendlich gewann Verstappen vor Lewis Hamilton (Mercedes), Fernando Alonso, Lance Stroll (Aston Martin), Sergio Perez (Red Bull), Lando Norris (McLaren), Nico Hülkenberg (Haas), Oscar Piastri (McLaren), Guanyu Zhou (Alfa Romeo) und Yuki Tsunoda (AlphaTauri).

Nach dem Rennen wird es womöglich noch Diskussionen geben. Zum Beispiel über die Fünfsekundenstrafe gegen Carlos Sainz (Ferrari).

Als der am Boxenfunk über die Strafe informiert wurde, übte er das Wort "Bitte" in Dauerschleife und appellierte an die Rennleitung, ihn erst nach dem Rennen anzuhören, bevor so eine Sanktion verhängt wird, denn: "Diese Strafe ist zu hart", sagte er.

Sainz fuhr hinter dem Safety-Car als Vierter über die Ziellinie. Wegen der Strafe fiel er aber auf Rang 12 zurück, letztendlich eine halbe Sekunde hinter den Punkterängen.

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Warum wurde das Rennen am Ende zweimal unterbrochen?

Kevin Magnussen (Haas) hatte mit seinem Crash zunächst eine Safety-Car-Phase notwendig gemacht. Beim Mauerkuss in Kurve 3 zersplitterte seine Felge, und um deren Teile einsammeln zu können, war ein längerer Zeitraum nötig. Und weil man sich in der Formel 1 darauf geeinigt hat, einen Zieleinlauf hinter dem Safety-Car wenn möglich zu vermeiden, wurde unterbrochen und neu gestartet.

Da wurden beim einen oder anderen womöglich Erinnerungen an Abu Dhabi 2021 wach. Womöglich auch bei Michael Masi, dem ehemaligen FIA-Rennleiter, der in Melbourne zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder bei der Formel 1 zu Gast war. Er war Rennleiter der V8-Supercars, die in Melbourne Rahmenprogramm der Formel 1 waren.

Laut Reglement durften während der Unterbrechung an der Box alle Reifen wechseln, sodass zum Neustart das komplette Feld weiche Reifen aufziehen lassen konnte. Das war die große Chance für Hamilton und Alonso - und ganz und gar nicht nach dem Geschmack von Verstappen: "Warum die rote Flagge?" Kein Wunder, hatte er doch schon mehr als zehn Sekunden Vorsprung.

Nachdem er die ersten beiden stehenden Starts verloren hatte, behielt Verstappen beim dritten Versuch die Nerven und behauptete die Führung vor Hamilton. Dahinter aber krachte es, weil sich Alonso und Sainz nicht über die Vorfahrt durch Kurve 2 einig wurden. Damit rückte Hülkenberg auf der Strecke auf den vierten Platz auf.

Die Entscheidung, den Neustart des Rennens so abzuwickeln, sorgte im Paddock für Diskussionen. Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko etwa sagt im Interview mit 'ServusTV': "Eine grenzwertige Entscheidung. Das Safety-Car ist sehr langsam gefahren, dadurch sind die Reifen ausgekühlt. Ich glaube, das war mit ein Grund, warum es so viele Kollisionen gegeben hat."

Und auch Verstappen änderte seine Meinung über den Abbruch nach dem Rennen nicht: "Ich verstehe die rote Flagge nicht. Normalerweise ist das nur ein virtuelles Safety-Car, oder maximal ein Safety-Car."

Warum wurde dann nicht nochmal gestartet?

Das Rennen wurde in Runde 55 von 58 unterbrochen. In Runde 56 wurde das Feld hinter dem Safety-Car in die Startaufstellung gebracht. Der Neustart erfolgte also in Runde 57 - in der es prompt erneut krachte. Für einen weiteren Neustart wäre also eine weitere Runde aus der Box in die Startaufstellung erforderlich gewesen. Mit eben dieser hätte das Rennen dann aber auch schon geendet.

Um 17:03 Ortszeit stand auf dem FIA-Monitor: "Neustartprozedur wird untersucht." Keiner wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, ob das Rennen nochmal neu gestartet wird oder nicht. Und so blieben auch die Fahrer in ihren Cockpits sitzen. Das war auch richtig so, denn erst nach einer neutralisierten Runde hinter dem Safety-Car war das Rennen auch formal beendet.

Glück im Unglück für Alonso & Co. (und Pech für Alpine), denn für die Startaufstellung wurde die Reihung vor der Unterbrechung herangezogen. Damit konnten an der letzten Rennrunde hinter dem Safety-Car alle teilnehmen, deren Auto noch dazu imstande war, zumindest eine Runde bei reduziertem Tempo zu überstehen.

War Verstappen je ernsthaft in Gefähr?

Nach dem verlorenen Start dauerte es bis in die zwölfte Runde, ehe der Red-Bull-Pilot die Führung übernahm. Verstappen saugte sich auf der schnellen Passage nach Kurve 8 an den Hamilton-Mercedes ran und überholte diesen noch vor Kurve 9. Letztendlich ein müheloses Manöver.

Danach konnte er den überlegenen Speed seines Red Bull voll ausspielen. Bereits in Runde 16 hatte er seinen Vorsprung auf 3,5 Sekunden ausgebaut. Hinter Hamilton wurde Alonso nur langsam schneller. Der Aston Martin bekam die Reifen nach dem Neustart nicht so schnell auf Temperatur, wurde dafür aber immer schneller, je länger der Stint dauerte.

Hamilton, der zu dem Zeitpunkt 2,4 Sekunden vor Alonso lag, meldete in Runde 25: "Ich kann mir nicht vorstellen, mit diesem Reifen bis zum Ende durchzufahren." Musik in den Ohren der hinter ihm liegenden Konkurrenten.

Wie kam es zur Mercedes-Doppelführung?

Durch einen guten Start von Russell und Hamilton. Russell schnappte sich Verstappen schon vor der ersten, Hamilton dann in der dritten Kurve der ersten Runde. Der Mercedes-Pilot setzte sich innen neben den Red Bull und ließ Verstappen dann außen geschickt verhungern. Verstappen meldete am Boxenfunk: "Er hat mich rausgedrängt." Das sah die Rennleitung aber anders.

"Ich habe einfach versucht, einen Kontakt zu vermeiden", sagt Verstappen. "In den Regeln steht ganz klar, was erlaubt ist, wenn man außen ist, aber daran wird sich offensichtlich nicht gehalten. Gut, was soll's? Die Pace war gut und wir konnten ihn sowieso überholen. Aber in den nächsten Rennen werde ich dran denken."

Die Doppelführung sorgte bei Mercedes gleich mal zu Spannungen am Boxenfunk. Russell wurde gesagt, er solle sich das Rennen einteilen und die Reifen schonen. Gleichzeitig setzte ihn aber Hamilton von hinten unter Druck. Was Russell nicht ahnen konnte: dass Hamilton seinerseits unter enormem Druck von Verstappen stand.

Russells Führung dauerte ohnehin nur ein paar Runden. Bei der Unterbrechung hatte er schon gestoppt, während viele andere "gratis" die Reifen wechseln konnten. Toto Wolff munterte ihn am Boxenfunk auf: "George, das hat uns gefickt. Aber lass uns nicht aufgeben. Du kannst es immer noch aufs Podium schaffen, oder sogar noch weiter."

Eine falsche Prognose: Russell war zwar tatsächlich enorm schnell und schickte sich gerade an, Alonso im Kampf um Platz 3 unter Druck zu setzen. Doch gegen Ende von Runde 17 spuckte sein Mercedes-Motor Flammen und Rauch und gab in Runde 18 endgültig den Geist auf. Statt eines dritten Safety-Cars gab's deswegen übrigens nur ein virtuelles Safety-Car.

"Es war ein substanzieller Motorschaden", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff im Interview mit 'ServusTV'. Er ärgert sich angesichts der starken Form, die Russell bis zu seinem Ausfall an den Tag gelegt hat: "Ich glaube, mit dem früh getimten Stopp wären wir um den Sieg mitgefahren, ohne die ganzen Neustarts. Aber das ist Hättiwari."

"Die Pace hat gestimmt. Wir waren dabei. Aber man darf sich keine Illusionen machen: Verstappen und Red Bull sind in einer eigenen Liga", analysiert Wolff.

Wollte Mercedes gegen Verstappen protestieren?

Beim alles entscheidenden letzten Rennstart stand Verstappen auf Poleposition, kam dabei aber ziemlich weit nach rechts. Prompt kamen Gerüchte auf, es könnte wieder Probleme mit der Startbox geben. Im Paddock verbreitete sich das Märchen, dass Mercedes Protest einlegen würde. Selbst von einer TV-Station wurde dieses aufgegriffen und verbreitet.

Dabei stand das nie zur Diskussion: "Was wir gesehen haben, steht er auf der Linie", verneint Wolff die Frage, ob man Protest einlegen werde, bejaht aber, dass man sich die Situation angesehen habe.

Warum gab's gleich nach dem Start ein Safety-Car?

Zunächst kamen alle heil durch die erste Kurve. Doch zwischen Kurve 2 und Kurve 3 wurde es eng. Vorn berührten einander Alonso und Sainz im Kampf um Platz 4, konnten aber weiterfahren; dahinter lieferten sich die Teamkollegen der beiden ein Gerangel. Letztendlich war es eine Kollision mit Stroll, die Leclerc in Kurve 3 ins Kiesbett bugsierte.

Während der Ferrari geborgen wurde, musste das Safety-Car auf die Strecke. Die Rennkommissare nutzten die Zeit, um den Zwischenfall zu begutachten. Stroll wurde zwischen Leclerc (links) und Alonso (rechts) eingeklemmt und hätte die Berührung nur verhindern können, wenn er zurückgezogen hätte. Strafe gab's für keinen der beteiligten Piloten.

Wer nutzte das Safety-Car zum Reifenwechseln?

Beide Alpine- und beide Alfa-Romeo-Fahrer waren auf Soft ins Rennen gestartet. Während Pierre Gasly nicht wechselte, entschieden sich Esteban Ocon und die beiden Alfas für einen Wechsel auf den Hard. Der auf Hard gestartete Perez kam ebenfalls an die Box. Er ließ aber überraschenderweise wieder einen Satz Hard aufziehen.

Beim zweiten Safety-Car in Runde 7 reagierten dann weitere Piloten. Russell kam in Führung liegend und wechselte von Medium auf Hard. Sainz tat es ihm gleich. Im Nachhinein betrachtet eine Fehlentscheidung: Was als Safety-Car-Phase begann, wurde zu einer Rennunterbrechung. Und unter roter Flagge durften auch alle anderen Reifen wechseln.

Was war der Grund für das zweite Safety-Car?

Alexander Albon (Williams) lag sensationell an sechster Stelle. Doch offenbar musste er die Limits zu weit ausreizen, um so weit vorn mitfahren zu können. In Kurve 6 flog er ab, krachte in die Barrieren und wurde auf die Strecke zurückgeschleudert - in einer schnellen Passage der Strecke.

Der erste Fahrer, der Albon passierte und beinahe in ihn reingefahren wäre, war Gasly. Hülkenberg erschrak am Boxenfunk ebenfalls hörbar, als er dem Williams ausweichen musste ("Das war beängstigend"). Es war viel Glück dabei, dass das keinen ganz schlimmen Unfall gab.

Dass die roten Flaggen rausgeholt wurden, verwunderte einige Fans vor den TV-Schirmen. Die FIA erklärt: Die schiere Menge an Kies auf dem Asphalt musste weggekehrt werden. Das wäre während einer Safety-Car-Phase nicht möglich gewesen.

Nach der Rennunterbrechung hatte der Rennleiter die Wahl, entweder fliegend hinter dem Safety-Car oder stehend am Grid zu starten. Niels Wittich entschied sich für einen stehenden Start. Für den ließen übrigens alle bis auf Nyck de Vries (AlphaTauri) und Logan Sargeant (Williams) harte Reifen aufziehen. Die beiden fuhren mit Medium.

Was war eigentlich mit Hülkenberg?

Der Deutsche holte endlich seine ersten Punkte in der Formel-1-Saison 2023. Bis kurz vor Schluss lag er sogar an achter Position. Doch dann kam von hinten Perez angestürmt, gegen den Hülkenberg natürlich keine Chance hatte, und durch den Zweikampf robbte sich von hinten Norris in den DRS-Abstand.

Die nächsten paar Runden verteidigte sich Hülkenberg beherzt, doch in Runde 52 war gegen den drängelnden McLaren kein Kraut mehr gewachsen. Beim Platztausch fuhr Hülkenberg sogar neben die Strecke und hatte Glück, dass er nur eine Position verlor. Anschließend fuhr er als Neunter über die Ziellinie.

Seinen Teamkollegen Kevin Magnussen deklassierte Hülkenberg diesmal nicht nur im Qualifying, sondern auch im Rennen. Zum Zeitpunkt, als Magnussen wegen eines Reifenschadens die dritte Safety-Car-Phase auslöste, lag rund eine halbe Minute zwischen den beiden Haas-Piloten. Grund für den Reifenschaden hinten rechts war ein Mauerkuss ausgangs Kurve 3.

Das anschließende Chaos um die Neustarts hätte Hülkenberg beinahe in die Nähe des Podiums gebracht. Zum Zeitpunkt, als das Rennen unterbrochen wurde, lag er sensationell an vierter Position. Erst durch die Neuordnung für den letzten Neustart wurde er wieder auf den neunten Platz zurückversetzt.

Immerhin bedeutet der die ersten zwei Punkte seit dem Comeback. Ein schwacher Trost, denn kurz vor dem finalen Neustart wurde Sainz wegen seiner Kollision mit Alonso nachträglich mit einer Fünfsekundenstrafe belegt. Das bedeutet, dass Hülkenberg ohne den letzten Neustart auf das Podium gefahren wäre.

"Der letzte Start war ultragut. Leider war 500 Meter später die rote Flagge da, sonst hätte es einen Knaller geben können", ärgert er sich. "Aber selbst davor lief es gut. Leider konnte ich Norris nicht ganz halten, weil die Reifen in die Knie gingen. Das war das Maximum. Und ich habe viel für den weiteren Verlauf des Jahres gelernt."

Hängt der Haussegen bei Alpine schief?

Wegen ihrer Kollision war die Stimmung zwischen Gasly und Ocon nach dem Rennen angespannt. "Ich möchte das nicht kommentieren. Ich will mich nur an das erinnern, was davor war. Und da lagen wir aus eigener Kraft auf Kurs zu Platz 5", sagt Gasly.

Er wurde nach Rennende zu den Rennkommissaren gebeten, um den Zwischenfall zu erklären. Sollte er dabei einen Strafpunkt kassieren, könnte ihm eine Sperre für einen Grand Prix drohen. Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich, wie 'Sky'-Experte Karun Chandhok glaubt, denn: "Esteban war jedenfalls nicht schuld dran. Pierre hätte ihm mehr Platz lassen sollen."

Ocon, sonst nicht als Diplomat bekannt, hält sich diesmal mit kernigen Kommentaren zurück. Er sagt nur: "Ich habe ein bisschen Kopfweh. Es war eine anstrengende Woche. Aber ich werde es überleben."

Wie geht's mit der Formel 1 2023 weiter?

Nach den ersten drei Saisonrennen ist jetzt erstmal Pause. Eigentlich hätte am 16. April der Grand Prix von China in Schanghai stattfinden sollen. Der wurde aber abgesagt. So bleiben Fahrern und Teams drei rennfreie Wochenenden, ehe am 30. April der Grand Prix von Aserbaidschan in Baku auf dem Programm steht.

Aber vorher gibt's noch die tägliche Formel-1-Show mit Kevin Scheuren und Christian Nimmervoll auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. Die Analyse des Rennens in Melbourne beginnt voraussichtlich um 13:00 Uhr.

Motorsport-Total.com

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