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Wie sollte die FIA auf das Spielberg-Chaos reagieren? Die Piloten hatten in Spielberg große Probleme, innerhalb der Tracklimits zu bleiben
Motorsport Images

"So geht es gar nicht": Wie sollte die FIA auf das Spielberg-Chaos reagieren?

Die Formel-1-Piloten sind sich nach Spielberg einig, dass sich beim Thema Tracklimits etwas ändern muss - Doch welche Lösungsansätze wären überhaupt praktikabel?

"So geht es gar nicht", stellt Toto Wolff nach dem Großen Preis von Österreich 2023 bei 'Sky' klar. Der Mercedes-Teamchef bezieht sich mit seiner Aussage auf die Tracklimits, die in Spielberg für eine Menge Chaos und zahlreiche Strafen noch weit nach Ende des Rennens sorgten.

Nachdem es bereits während des Rennens diverse Zeitstrafen gegeben hatte, wurden nach der Zieldurchfahrt noch einmal acht Fahrer für Vergehen gegen die Tracklimits sanktioniert. Das finale Resultat stand damit erst rund fünf Stunden nach Ende des Rennens fest.

"Es ist nicht leicht für die Renndirektoren, die FIA und die Fahrer. Niemand versteht es und für die Zuschauer ist es am allerschlimmsten", betont Wolff. Denn als die meisten Fans die Rennstrecke am Sonntag verließen, gingen sie noch von einem falschen Endergebnis aus.

Das korrekte wurde von der FIA erst am Abend um 21:45 Uhr veröffentlicht, als auch viele TV-Zuschauer bereits im Bett waren. Daher werden für die Zukunft nun Änderungen der Regeln gefordert. Dabei ist die aktuelle Regelung im Hinblick auf die Tracklimits eigentlich glasklar.

Die weißen Linien definieren die Strecke. Wer diese mit allen vier Rädern überfährt, der überschreitet die Tracklimits. Grauzonen gibt es durch diese klare Ansage der Rennleitung nicht, man ist entweder auf oder neben der Strecke. Doch genau das stört viele Piloten.

Fahrer können weiße Linie gar nicht sehen

"Ich denke, es ist besser, pragmatisch zu sein und bei jeder Strecke gesunden Menschenverstand walten zu lassen", findet Haas-Pilot Kevin Magnussen, der über Spielberg sagt: "Die Strecke macht Spaß, aber so ist es Bullshit, es ruiniert alles."

Zumal die Piloten klarstellen, dass es dem Cockpit heraus teilweise unmöglich sei, die weißen Linien überhaupt zu erkennen. "Das Problem ist, dass es für Fahrer sehr schwierig ist, weil sie die weißen Linien im Auto nicht sehen können, sodass man nur nach Gefühl fährt", erklärt Christian Horner.

Bereits nach dem Qualifying am Freitag, wo die Tracklimits ebenfalls schon ein Thema waren, hatten sich die Fahrer über genau diesen Punkt beschwert. Und Carlos Sainz erklärt nach dem Rennen, dass es dort sogar noch schlimmer als in der Qualifikation gewesen sei.

"Im Rennen hat man die 'dirty Air' des Autos vor einem, die einen noch mehr aus der Kurve trägt, was es noch schwieriger macht, [auf der Strecke] zu bleiben", erklärt der Spanier, und auch Lewis Hamilton ist der Meinung, dass die aktuelle Situation den Fahrern den Spaß nehme.

Der Rekordweltmeister betont: "Als wir dieses Thema noch nicht hatten, hat diese Strecke viel mehr Spaß gemacht. [...] Das hat nichts mehr mit Rennfahren zu tun. Sobald Lando [Norris] an mir vorbei war, war er mindestens zehnmal daneben. Perez auch."

Tracklimits einfach ganz abschaffen?

"Man sollte es so machen, dass wir neben die Strecke fahren dürfen, ohne bestraft zu werden", fordert Hamilton, und Lando Norris erklärt: "Die Leute da draußen beschweren sich, aber sie verstehen nicht, wie schwierig es ist, innerhalb der Tracklimits zu bleiben."

Der McLaren-Pilot gesteht: "Wenn Fernando [Alonso] in den letzten fünf oder zehn Runden hinter mir gewesen wäre, hätte ich mindestens einmal die Tracklimits überschritten, und dann hätte ich wahrscheinlich eine Strafe bekommen."

"Wenn du unter Druck stehst, pushst du einfach ein bisschen mehr, und du rutschst ein bisschen mehr", erklärt er und ergänzt: "Wenn man Schwierigkeiten hat, muss man einfach langsamer fahren. Aber das will man als Fahrer nie tun."

Der Vorschlag von Toto Wolff lautet daher: "Man muss Sausage-Kerbs dahin tun, dass du das Auto richtig beschädigst, oder du sagst: 'Fahr da, wo es am schnellsten geht'. Dann gibt es überhaupt keine Diskussionen mehr. Das einfachste sind die Sausage-Kerbs."

"Dann beschweren sich die Fahrer und Teams wieder, dass du dir das Auto kaputtfährst. Das musst du allerdings in Kauf nehmen", so der Mercedes-Teamchef. Norris erklärt dagegen: "Als Fahrer wollen wir dort Kies haben, wie wir es am Ausgang von Kurve 4 und am Ausgang von Kurve 6 haben."

Als Gegenargument für mehr Kiesbetten wird häufig die MotoGP genannt, die ebenfalls in Spielberg fährt. Fakt ist allerdings, dass die Motorräder nicht grundsätzlich gegen mehr Kies sind - im Gegenteil. Dort will man die Kiesbetten lediglich nicht direkt an der Strecke.

Spielberg nur ein Einzelfall?

Optimal ist es für die Motorräder, Kiesbetten etwas von der Strecke versetzt zu haben - wie also zum Beispiel in den von Norris angesprochenen Kurven 4 und 6. Doch der McLaren-Pilot stellt klar, dass die aktuelle Regelung selbst dort noch zu Strafen führen kann.

"Selbst dort werden wir bestraft, weil wir zwei Zentimeter über die weiße Linie hinausfahren können und trotzdem nicht den Kies berühren", erklärt Norris, der diese Regel für "dumm" hält und fordert, dass dort in Zukunft einfach das Kiesbett das natürlich Limit sein sollte.

Doch damit würde die FIA wieder eine Grauzone schaffen, was man eigentlich vermeiden möchte. Kevin Magnussen sieht die Schuld übrigens ohnehin nicht beim Weltverband und erklärt: "Es sind diese Strecken, die nicht so sind, wie sie sein sollten."

In diesem Zusammenhang stellt George Russell klar, dass Spielberg sowieso "die einzige Strecke im ganzen Kalender" sei, wo die Tracklimits so schwierig zu überwachen seien. Er geht nicht davon aus, dass man in diesem Jahr noch einmal so ein Chaos haben wird.

Trotzdem stellt Christian Horner klar, dass die aktuelle Situation die Fahrer "amateurhaft" aussehen lasse, und Pierre Gasly betont: "Wenn man 43 Rundenzeiten im Qualifying streicht, scheint das einfach nicht richtig zu sein. Meine Oma hat vor dem Fernseher gesessen, sie hat gar nichts verstanden."

Im Rennen selbst wurden sogar insgesamt 83 Vergehen gegen die Tracklimits festgestellt - bei gerade einmal 71 Runden. Im Schnitt macht das also mehr als einen Verstoß pro Runde, weshalb die FIA mit dem Prüfen der Fälle am Sonntag gar nicht mehr hinterherkam.

Masse an potenziellen Verstößen überforderte die FIA

Das war in Spielberg ein zusätzliches Problem, denn Andrew Shovlin von Mercedes, wo Lewis Hamilton gleich mehrere Strafen kassierte, erklärt: "Die Regeln waren klar, und es war klar, dass Lewis mehrere Male eines seiner Räder nicht auf der Strecke gehalten hat."

"Das Problem war jedoch, dass so viele Fahrer diese Strafen zu Beginn des Rennens sammelten, dass die Meldungen im FIA-Meldesystem nicht schnell genug kamen, sodass wir Lewis nicht informieren konnten", erklärt Shovlin.

Denn ein Fahrer wird erst nach dem vierten Verstoß gegen die Tracklimits mit einer Fünf-Sekunden-Strafe belegt. Im Normalfall hat das Team also Zeit, den Fahrer nach den ersten Vergehen zu warnen. Das hat in Spielberg allerdings nicht funktioniert.

Die Meldungen der FIA verzögerten sich am Sonntag so stark, dass über den offiziellen FIA-Monitor beispielsweise ein Tracklimit-Verstoß von Nico Hülkenberg erst zu dem Zeitpunkt gemeldet wurde, als der Haas-Pilot bereits seit mehreren Minuten ausgeschieden war.

Im Zweifelsfall wurden die Teams also erst über ein Vergehen informiert, als der Pilot die Tracklimits bereits mehr als dreimal überfahren hatte - und eine Strafe damit unvermeidbar war. Die FIA selbst sprach davon, dass es am Sonntag mehr als 1.200 mögliche Verstöße gegeben habe.

Es bleibt aktuell abzuwarten, ob die Regelung, wie die Tracklimits überwacht werden, in Zukunft noch einmal angepasst wird. Für die Beteiligten ist auf jeden Fall klar, dass sich ein Szenario wie in Spielberg nicht noch einmal wiederholen darf.

Motorsport-Total.com

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