GP von Las Vegas: Bericht | 24.11.2024
Verstappen Weltmeister, aber: Mercedes feiert Doppelsieg in Las Vegas!
George Russell gewinnt den Nacht-Grand-Prix in Las Vegas vor Lewis Hamilton und Carlos Sainz - Lando Norris verliert mit Platz 6 die letzte WM-Chance
Max Verstappen ist Formel-1-Weltmeister 2024! Im Spielerparadies Las Vegas, beim drittletzten Grand Prix der Saison, reichte dem Red-Bull-Piloten der fünfte Platz, um seinen vierten Titelgewinn vorzeitig zu fixieren. Gleichzeitig krönte das Mercedes-Team ein von Anfang an starkes Wochenende am Rennsamstag mit einem überraschenden Doppelsieg.
Überraschend nicht so sehr wegen George Russell, der das Rennen von der Poleposition aus dominierte. Sondern vielmehr wegen Lewis Hamilton, der im Qualifying nur Platz 10 belegt hatte und am Samstagabend eine herausragende Aufholjagd zeigte, in deren Verlauf er über weite Strecken des Rennens die schnellsten Zeiten im Feld fahren konnte.
Ganz anders Lando Norris (McLaren), der mindestens drei Punkte mehr als Verstappen holen hätte müssen, um die WM-Entscheidung zumindest um eine Woche zu vertagen. Der Brite hatte mit der Vergabe der Podestplätze in keiner Phase des Rennens was zu tun und kam letztendlich als Sechster ins Ziel.
Auch in der Konstrukteurs-WM war Las Vegas kein guter Tag für McLaren, denn während Norris Sechster wurde und Oscar Piastri Siebter, fuhr Carlos Sainz als Dritter aufs Podium und Charles Leclerc wurde Vierter. Immerhin sicherte sich Norris dank eines späten letzten Boxenstopps, den er aufgrund des großen Zeitabstands nach hinten geschenkt bekam, noch den Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde, den sonst Hamilton geholt hätte.
Nico Hülkenberg (Haas) holte nach einer kämpferischen Performance einen verdienten achten Platz und damit drei WM-Punkte - wichtig im Kampf gegen Alpine. Das französische Team verpasste wegen eines Powerunit-Defekts bei Pierre Gasly (Dritter im Qualifying) die Chance auf "Big Points".
Neunter wurde Yuki Tsunoda (Racing Bulls), Zehnter Sergio Perez (Red Bull).
Der große Star der Siegerehrung war diesmal der Fünftplatzierte, der in einem eigenen Rolls-Royce zum Platz vor dem Springbrunnen des ikonischen Bellagio-Hotels gefahren wurde. "Eines Tages als viermaliger Weltmeister hier zu stehen, das hätte ich niemals für möglich gehalten", freut sich Verstappen.
"Ich habe immer davon geträumt, Formel 1 zu fahren und vielleicht mal aufs Podium zu fahren. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis es zu laufen begonnen hat, aber seither läuft's halt. Vier WM-Titel hintereinander gewonnen zu haben, das ist etwas Besonderes."
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Wie verlief die Startphase?
Am Start blieb erstmal Polesetter Russell in Führung. Zweiter war nach der ersten Runde aber Leclerc, der am Start zwei Positionen gewinnen konnte, vor Sainz und Gasly. Der wiederum hatte von Anfang an Verstappen im Nacken, für den es aber auch mit DRS kein Selbstläufer war, am Alpine vorbeizugehen.
Erst in Runde 4 ging Verstappen an Gasly vorbei. Sein Rückstand auf Russell betrug jetzt 3,9 Sekunden. Russell andererseits geriet zur gleichen Zeit unter starken Druck von Leclerc: Vor Kurve 1 kam es zu einer leichten Berührung zwischen den beiden - aber durch die harte Verteidigung verschaffte sich Russell zunächst wieder ein paar Wagenlängen Luft.
Ein TV-Replay zeigte dann an, dass an Russells linker Unterbodenkante ein Plastikfetzen ging, der für die Performance unmöglich positiv gewesen sein kann. Dennoch konnte er sich in der Phase erstmal ein wenig absetzen. Zu Beginn der achten Runde hatte er 2,6 Sekunden Vorsprung auf Sainz, der Leclerc überholt hatte, 5,1 auf Verstappen (P4) und 8,8 auf Norris (P6).
Noch in Runde 8 verlor Leclerc eine weitere Position an Verstappen. "Ich glaube, einigen gehen jetzt die Reifen flöten", vermutete Formel-1-Experte Alexander Wurz im Live-Kommentar des ORF. Aber Ferrari reagierte prompt und holte Leclerc in der neunten Runde an die Box.
Leclerc und Norris wechselten gleichzeitig von Medium auf Hard. Standzeit: je 2,5 Sekunden. Und eine Runde später kam auch Sainz rein, dem ebenfalls die Pirellis einknickten und der in Runde 10 ebenfalls die Position gegen Verstappen verloren hatte. Bei inzwischen acht Sekunden Rückstand auf Russell!
Wofür gab's die Strafe gegen Piastri?
Der zweite McLaren-Pilot musste bei seinem ersten Boxenstopp zunächst fünf Sekunden Zeitstrafe absitzen, bevor seine Mechaniker mit dem Service beginnen durften. Piastri hatte sein Auto am Start ein paar Zentimeter zu weit vorn geparkt. Damit fiel er nach seinem Stopp auf Platz 18 zurück.
Wann kam dann Russell zum Boxenstopp?
Am Ende der 12. Runde hatte Russell 15,8 Sekunden Vorsprung auf Hamilton, der versuchte, mit einem langen ersten Stint ein paar Positionen gutzumachen. Russell kam 9,4 Sekunden vor Verstappen wieder auf die Strecke und schien das Geschehen bereinigt im Griff zu haben. Gleichzeitig drehte Hamilton bei freier Fahrt mit gebrauchten Reifen einige sehr schnelle Rundenzeiten.
Länger als bis Runde 13 ging's aber auch bei Hamilton nicht. Der zweite Mercedes-Fahrer kam unmittelbar hinter Norris auf die Strecke zurück. "Was zur Hölle, Mann! Wie viele Plätze habe ich gerade verloren?", ärgerte er sich. Sein Renningenieur antwortete ganz cool: "Wir wären noch fünf Plätze mehr zurückgefallen, wenn wir länger draußen geblieben wären."
Wo kam eigentlich Gasly so plötzlich hin?
Zwischendurch funkte Gasly: "Keine Leistung!" Doch sein Team beruhigte ihn: "Wir sehen nichts. Du stößt nur an den Begrenzer." Jetzt plärrte Gasly nochmal erregt ins Bordmikro: "Ich habe keine Leistung!" Im Sinne von: Glaubt ihr mir etwa nicht?
Die Bestätigung für das Popometer des Franzosen folgte nur wenige Augenblicke später, in der 15. Runde, und sie war unerfreulich - in Form einer bläulichen Rauchwolke. Gasly steuerte noch die Box an, musste dort aber aufgeben. Wegen eines Defekts im Bereich der Powerunit.
Warum baute Ferrari auf einmal so ab?
Anders als Mercedes und Red Bull schien Ferrari im ersten Renndrittel mit Graining zu kämpfen. Auch nach dem Boxenstopp. Sainz forderte zwischendurch sogar, auf "Plan C" umzustellen ("Let's get off these tyres!"), was mutmaßlich eine Dreistoppstrategie bedeutet hätte. Doch der Kommandostand bat ihn, noch etwas länger draußen zu bleiben.
Und tatsächlich erholten sich die Rundenzeiten der beiden Ferraris nach dem Durchhänger, sodass der Rückstand auf Platz 2 (Verstappen) sich nach einer Weile bei zwei Sekunden einpendelte. Sainz hatte in Runde 23 2,3 Sekunden Vorsprung auf Leclerc, der seinerseits von Hamilton unter Druck gesetzt wurde.
Der Mercedes konnte zwar offensichtlich das schnellere Tempo anschlagen, aber zum Überholen reichte es nicht: "Mann, die sind auf den Geraden so schnell", seufzte Hamilton am Boxenfunk.
An der Spitze hatte Russell seinen Vorsprung auf Verstappen inzwischen auf zehn Sekunden ausgebaut. Der konnte wiederum beruhigt sein, weil sein großer WM-Rivale Norris nach wie vor Sechster war, 6,6 Sekunden hinter Hamilton und mehr als zehn Sekunden davon entfernt, die WM-Entscheidung auf Katar zu vertagen.
Wie kam Hamilton an den Ferraris vorbei?
In Runde 27 kam Hamilton dann an die Box, mutmaßlich die Idee, die beiden Ferraris zu undercutten. Sainz deutete ebenfalls an, Reifen zu wechseln, überlegte es sich aber in allerletzter Sekunde anders und fuhr doch noch an der Boxeneinfahrt vorbei. "Das verstehe ich nicht", wunderte sich Wurz im ORF-Kommentar, und: "Ab einem gewissen Zeitpunkt darf er das auch nicht."
Später klärte sich die Situation auf: Sainz fuhr deswegen in letzter Sekunde wieder aus der Boxeneinfahrt auf die Strecke zurück, weil seine Crew noch nicht bereit war. Die Aktion kostete ihn einen Platz gegen Leclerc und viel Zeit, sodass er nach dem Stopp plötzlich 3,6 Sekunden hinter Hamilton lag.
Hamilton drehte jetzt die schnellste Runde im Rennen und lag auf einmal nur noch 1,3 Sekunden hinter Verstappen. Der hatte mit 3,4 Sekunden nicht den schnellsten Boxenstopp und dazu auch noch einen kleinen Ausritt, sodass es zu einer Neuauflage des Duells der beiden alten Rivalen von 2021 kam.
In Runde 31 war Hamilton erstmals innerhalb der DRS-Sekunde, und in Runde 32 nutzte er den Vorteil und ging am Red Bull vorbei. Jetzt war Mercedes erstmals auf Kurs zu einem Doppelsieg - aber Verstappen hatte immer noch eine Hand am WM-Pokal: "Max, verlier nicht unser wichtigstes Ziel heute aus den Augen, ja?", funkte Renningenieur Gianpiero Lambiase.
Worin bestand am Ende noch die Spannung?
Nachdem auch Russell gestoppt hatte, führte dieser 11,8 Sekunden vor Hamilton, 13,4 vor Verstappen, 17,1 vor Sainz, 18,8 vor Leclerc und 24,2 vor Hülkenberg, der aber erst einmal gestoppt hatte.
Wie schon nach dem ersten Boxenstopp bekamen die Ferraris auch im letzten Stint eine zweite Luft und wurden gegen Rennende im Vergleich zu Verstappen immer schneller. Der erkundigte sich bei seinem Renningenieur: "Wollt ihr, dass ich sie hinter mir lasse, oder was?" Eine Frage im Hinblick auf die WM - die Lambiase so beantwortete: "Ich denke, das solltest du versuchen, ja."
Spätestens ab Runde 41 hatte Verstappen mächtig Druck von beiden Ferraris. Verstappen fuhr konservativ um seine WM, die Ferraris aggressiv um die ihre - je mehr Punkte Ferrari in Las Vegas auf McLaren aufholen kann, desto besser.
In Runde 42 attackierte Sainz dann den Niederländer, der sich zwar nicht freiwillig überholen ließ, aber sichtlich kein unnötiges Risiko einging. Das war dann auch Ferrari-intern die Vorentscheidung, denn Leclerc brauchte wesentlich länger, um Verstappen zu überholen, sodass sich Sainz einen Vorsprung von eineinhalb Sekunden herausfahren konnte, den er nicht mehr abgab.
Auf Platz 3 war dann aber Endstation für Sainz: "Ich wünschte, wir wären heute ein bisschen schneller gewesen. Aber wir hatten es nicht drin", gesteht er sich ein.
Indes kam auch im Kampf um den Sieg nochmal sowas wie Spannung auf, als Hamilton eine schnellste Runde nach der anderen drehte und immer näher an Russell heranrückte. Zu Beginn der 44. von 50 Runden hatte er seinen Rückstand von ursprünglich mal zwölf auf nunmehr nur noch fünf Sekunden reduziert.
Teamorder gab's bei Mercedes offenbar keine, denn ein paar Runden vor Schluss wurde Russell aufgefordert, sein Tempo anzuziehen, um nicht mehr Gefahr zu laufen, den Sieg zu verlieren. Das tat er, und somit war's letztendlich eine klare Entscheidung, mit 7,3 Sekunden Abstand auf der Ziellinie.
Hamilton ärgert sich im Nachhinein: "Wenn ich gestern meinen Job gemacht hätte, hätte ich heute gewinnen können. Das Auto war das ganze Wochenende richtig schnell."
Formel-1-Kalender 2024: Wie geht's weiter?
Mit Las Vegas sind 22 der 24 geplanten Rennwochenenden der Formel-1-Saison 2024 absolviert. Die letzten beiden Rennen finden am ersten und zweiten Adventsonntag statt: zuerst in Katar, wo bereits in einer Woche wieder ein Grand Prix mit F1-Sprint steigt, und dann am 8. Dezember das große Finale in Abu Dhabi.
Für hartgesottene Formel-1-Fans ist der Rennsonntag in Las Vegas (vor Ort eigentlich ein Samstag) aber noch nicht zu Ende. Um 13 Uhr deutscher Zeit beginnt auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de die große Rennanalyse mit Kevin Scheuren und Ruben Zimmermann vor Ort in der Stadt, die keine Sünde kennt.
Der Livestream wird übrigens nicht nur auf YouTube, sondern auch auf Twitch zu sehen sein. Anders als die sonst stets auf Montagabend angesetzte Call-in-Show "Live bei Scheuren" auf Twitch, die diesmal wegen der Rückreise aus Las Vegas entfällt. Dafür gibt's am Mittwochabend ab 19 Uhr den monatlichen Formel-1-Stammtisch für Kanalmitglieder mit Stargast Karl Wendlinger.