Rallye-WM: Hintergrund | 10.02.2007
Mörtl: "Wenn er den Titel verfehlt, ist die Karriere vorbei!"
Achim Mörtl hat in einer Rally & more-Reportage das P-WRC-Projekt rund um Andreas Aigner kritisiert. Ohne Titelgewinn würde das Karriere-Aus drohen...
Michael Noir Trawniczek
Der regierende Staatsmeister der Gruppe N, der 36-jährige Kärntner Achim Mörtl, gilt als einer, der unbequem ist, der einfach und gerade heraus sagt, was er denkt - und dabei auch so manchen Schlag austeilt.
So erklärte Mörtl in einem für eine ausführliche Reportage (nachzulesen in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Rally & more) noch vor dem Saisonbeginn der Rallye-Weltmeisterschaft geführten Gespräch: "Das Gruppe N-Projekt rund um Andreas Aigner ist ein Rückschritt. Er fährt gegen alte Herren wie Nasser Al Attiyah oder Toshihiro Arai, die im Grunde zu langsam für ein WRC sind. Wenn er die nicht bügelt und den Titel holt, ist die große Karriere in Wahrheit schon wieder vorbei – da kann man in Österreich schönfärben, so viel man will."
Vom Titel spricht nicht nur Achim Mörtl. Der Titelgewinn in der seriennahen P-WRC ist das erklärte Ziel von Andreas Aigner und dem Red Bull Rallye Team. "Wenn du aus der WRC kommst, bleibt dir in der P-WRC nichts anderes übrig, als den Titel anzustreben", erklärten BRR-Teamchef Raimund Baumschlager und Andreas Aigner, als im Dezember das neue Projekt mit dem dunkelblauen Mitsubishi Evo IX vorgestellt wurde.
Bei der Generalprobe, der nicht zur P-WRC zählenden Rallye Monte Carlo, demonstrierte Aigner mit zwei SP-Bestzeiten die Ernsthaftigkeit seines Vorhabens. Allerdings bestätigte er auch die eigenen Zweifel, wonach bei nur sechs gewerteten Läufen der Titelgewinn leicht aufgrund von Ausfällen oder Reifenschäden vereitelt werden könnte. Ein Reifenwechsel kostete ohne Mousse-Reifen, die in der P-WRC verboten sind, gleich einmal vier Minuten. Zudem waren bei der Monte auch nicht alle Favoriten der P-WRC am Start.
Nullrunde
In Schweden lieferte Aigner mit der zweitschnellsten Shakedown-Zeit der P-WRC einen erfreulichen Auftakt. Auf der ersten Sonderprüfung, der Superspecial auf der Trabrennbahn, wollte Aigner nichts riskieren, begnügte sich mit Rang 10 der P-WRC. Auf SP 2 fuhr Aigner die viertbeste Zeit, hinter Kristian Sohlberg, Oscar Svedlund und Anton Alén. Auf SP 3 reihte sich Aigner hinter Svedlund, Alén, Sohlberg, Juno Hänninen und Toshihiro Arai als Sechster ein. SP 4 beendete Aigner wieder als Vierter.
Vor seinem Unfall auf SP 5 lag Aigner mit rund 30 Sekunden Rückstand auf dem fünften Gesamtrang der P-WRC. Nach der Reparatur klagte Aigner über ein mysteriöses Untersteuern, konnte deshalb sein Potential nicht freilegen.
Kritische Stimmen werden nun fragen, ob diese Resultate eines Titelkandidaten würdig sind. Doch es darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Schweden-Rallye, der einzigen Schnee-Rallye in der P-WRC, um einen typischen "Skandinavier-Event" handelt. Sogar "Super-Séb" Loeb konnte in Schweden erst ein einziges Mal den Sieg holen. Man sollte Aigner also Zeit geben - in Mexiko findet der nächste P-WRC-Lauf statt.
Achim Mörtl erinnert in der erwähnten Rally & more-Reportage daran, dass auch ein Manfred Stohl einige Jahre brauchte, um Gruppe N-Weltmeister zu werden. "Seien wir uns ehrlich, der Manfred Stohl fährt seit zehn Jahren WM - doch erst seit zwei Jahren fährt er so schnell, dass man von einer großartigen Leistung spricht und man es schade findet, dass er nicht in einem Werksauto sitzt. Man muss eben auch eine Streckenkenntnis erlangen und das dauert eben", sagt Mörtl.
Druck steigt
Eines ist klar: Andreas Aigner benötigt vor allem so viele Fahrkilometer wie möglich. Man darf nicht vergessen, dass Aigner quasi aus dem Nichts heraus entdeckt und aufgebaut wurde. Im Vorjahr hat er in der WRC mit dem Skoda Fabia nicht nur mit dem sechsten Platz bei der Deutschland-Rallye sein Potential demonstriert.
Sicher: Der Druck wird nicht geringer. Vor allem der erstrebte Titelgewinn sorgt dafür, dass Aigner beim nächsten Lauf zur P-WRC quasi gewinnen muss, um noch im Titelrennen zu bleiben. Es ist Aigner und auch den heimischen Rallyefans zu wünschen, dass seine Karriere auch ohne diesen Titelgewinn vernünftig fortgesetzt werden kann.
Und dass Achim Mörtl, der in Österreich "keinen Nachwuchs" sieht, mit seiner fatalistischen Einschätzung falsch liegen möge, wonach nur "22-jährige Franzosen oder Skandinavier für die Rallye-WM interessant" seien. Ein gewisser Manfred Stohl und seine Copilotin Ilka Minor haben im letzten Jahr schließlich das Gegenteil bewiesen.