Rallye-WM: Exklusiv | 08.06.2007
Stohlito & der Weltmeisterbolide - ein Drama in 9 Akten, Teil 1
Was ist los mit Manfred Stohl? Was ist los mit seinem Weltmeisterboliden? Wie geht es weiter? motorline.cc hat Stohl besucht...
von Michael Noir Trawniczek & Stefan Schmudermaier
Über Manfred Stohl und seinen "Weltmeisterboliden", das Citroen Xsara WRC, wurde in letzter Zeit viel geschrieben - das Meiste jedoch muss man zwischen den Zeilen lesen. Das Pflaster der internationalen Automobilpolitik ist zu heiß, um einfach sagen zu können, was man denkt. Zugleich verstehen manche Fans nicht, wieso die Nummer vier der Welt ausgerechnet im "Weltmeisterboliden" hinterherfährt.
motorline.cc hat Manfred Stohl einen Besuch abgestattet - vieles wurde gesagt, doch nicht alles kann hier geschrieben werden. Wer jedoch das folgende Drama aufmerksam studiert, wird ein Stück der traurigen Realität erkennen.
Akt 1: 2006 - der Aufstieg
"Als ich mich im letzten Jahr für Peugeot entschieden habe, hat mich jeder gefragt, ob ich nicht ganz dicht im Kopf bin. Wo doch sogar Marcus Grönholm Probleme mit dem Auto hatte", erzählt Manfred Stohl. Und blickt zurück auf das mit Abstand beste Jahr seiner Karriere. Peugeot hat sich zwar offiziell aus der Rallye-Weltmeisterschaft zurück gezogen - Stohl jedoch konnte aus dem Vollen schöpfen: "Die haben gesagt: 'Hier, das und das haben wir, nehmt euch was ihr braucht!' Ich habe mich in dieses Auto verliebt."
Es folgten die bekannten Erfolge - Manfred Stohl wurde Stammgast auf dem Siegerpodest. Ein persönliches Highlight der Saison 2006 wird den wenigsten Fans bewusst sein - es heißt Henning Solberg. "Der Henning ist einfach eine Sensation - der beste Teamkollege meines Lebens, ich vermisse ihn heute noch. Als ob er meine Freundin gewesen wäre, ehrlich. Wir hatten so viel Spaß miteinander - und bei der Rallye waren wir so ernst."
"Im letzten Jahr hatte ich nur ein Ziel: Ich wollte vor Henning sein - und er wollte vor mir sein. Das war das Beste, das uns passieren konnte. Wir sind sehr ähnliche Fahrer - wir haben uns derartig angespornt - und wir sind zudem auch sehr gute Freunde geworden und hatten unseren Spaß - aber im Auto haben wir einander nichts geschenkt. Das fehlt mir heuer - mit wem soll ich mich vergleichen?"
Gab es mit Henning Solberg auch einen Austausch? "Ja, nur habe ich immer gesagt: Was er macht, ist alles scheiße - und umgekehrt war es genauso. Wenn der Henning rote Federn genommen hat, dann nahm ich blaue Federn. Aber wir haben mit offenen Karten gespielt - wir haben beide gewusst, was der andere macht."
Akt 2: 2007 - die Entscheidung
"Wenn du Vierter in der WM bist, dann suchst du dir ein Projekt, das dir eine Zukunft verspricht. Und deshalb nimmst du einen Hersteller, bei dem du glaubst, dass er dich nimmt, weil er dich für die WM braucht. Und deshalb war Citroen zu diesem Zeitpunkt die richtige Entscheidung. Jeder hat mir auf die Schulter geklopft. 'Wir sind stolz auf dich!', haben sie gesagt. Und: 'Super, dass dich Citroen genommen hat!'"
Der absolute Aufstieg schien perfekt. Der Citroen-Teamchef höchst persönlich versprach dem Österreicher ein Topmaterial: "Guy Fréquelin hat mir persönlich versichert, dass ich ein Topauto erhalte."
Akt 3: Die Ernüchterung
Zunächst beginnt alles recht harmlos - ein verflixtes Bremsproblem verfolgt das Kronos Citroen-Team in Monte Carlo. Stohl muss sich zudem erst an das schwer zu fahrende Auto gewöhnen. Noch ahnt niemand, wohin die Reise geht. Doch mit jeder Rallye nähert sich Stohl einer bitteren Realität.
Zunächst kommt die Erkenntnis: "Die Werksautos sind zu stark geworden." Das hochgesteckte Ziel - Podestplätze bei jeder Rallye - wird revidiert: "Als Privater kannst du heute bestenfalls hinter den Werksteams Siebenter werden."
Doch es gibt auch andere Kundenautos - Kumpel Henning Solberg sitzt heuer im Stobart Ford. Und fährt damit "Stohlito" um die Ohren. Stohl hat heuer keine Chance gegen den Norweger: "Ich würde verstehen, wenn ich gegen Henning zehn oder zwanzig Sekunden verlieren würde, pro Rallye - aber er gibt mir drei Minuten! Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich plötzlich das Fahren verlernt habe."
Und schließlich die Erkenntnis: "Es kann nicht sein, dass es von einem Jahr auf das andere einen solchen Entwicklungssprung gibt - dieser Sprung müsste dann ja von Griechenland bis Finnland größer sein als jener von England bis Monte Carlo."
Akt 4: Was ist los mit dem Xsara?
Ein Rätsel. Dem Weltmeisterboliden fehlt es an Vortrieb. Es wird zur Gewohnheit, dass Manfred Stohl nach den Sonderprüfungen in die Mikrofone spricht: "Alles bestens, keine Probleme - nur leider stimmt die Zeit nicht."
Stohl sagt. "Viele Leute, Zuschauer und Journalisten, sagen mir, dass sie mit freiem Auge sehen können, dass es da einen Unterschied gibt. Dass mein Auto langsamer zu sein scheint. Die sagen dann: 'Ich bin kein Profi - aber DAS kann ich sagen!'"
Bestätigung kommt auch von Kopilotin Ilka Minor: "Die Ilka hat ein supergutes Gefühl im Auto, die weiß genau, worum es geht. Wir sind in Griechenland aus der 4er-Prüfung raus gefahren und sie sagt: 'Jetzt kann ich dir garantieren, dass du keinen Fehler gemacht hast.' Gerade, dass sie nicht gesagt hat: 'Jetzt hatte ich wirklich Angst!' Da bin ich wirklich am Limit gefahren. Ich bin ja ein Mensch, der normalerweise den Steinen ausweicht - aber in dieser Prüfung bin ich über alles drübergefahren, ich bin die kürzeste Linie gefahren."
Stohl grübelt. "Ich verstehe die Logik nicht, die dahinter steckt. Zum Beispiel Subaru - was glaubst, wie schnell die Entwicklung dort voranschreiten würde, wenn man zusätzlich zu den beiden Werkspiloten einen schnellen Mann wie den Gigi Galli in eine drittes Auto setzen würde, das genau gleich ausgerüstet ist? Ich garantiere dir, dass dann der Herr Solberg wieder um den Sieg fahren würde."
Akt 5 (Selbstzweifel) bis Akt 9 (Die Zukunft) finden Sie am Dienstag auf motorline.cc.