Rallye-ÖM: Hintergrund | 03.11.2010
Die Uhr tickt
Eine Wolke der Ungewissheit schwebt bedrohlich über dem Servicepark. Auch die Hauptdarsteller wissen großteils noch nicht, wie es 2011 weitergeht. Die Kosten steigen mit jedem Jahr.
Michael Noir Trawniczek
Krise oder nicht Krise? Krise thematisieren oder totschweigen? So tun, als wäre alles bestens oder der Krise ins Auge blicken und Lösungen suchen? All diese Fragen haben sich im Vorfeld des ÖM-Saisonfinales im Waldviertel in einem Rundgang durch den Servicepark quasi von selbst beantwortet.
Die Aussagen der wichtigsten Protagonisten der österreichischen Rallye-Staatsmeisterschaft sprechen eine deutliche Sprache: So schwierig war es noch nie – im Grunde weiß bis auf wenige Ausnahmen niemand, wie es konkret weitergeht. Doch an Lösungsansätzen und Analysen mangelt es nicht…
Nicht im Servicepark war Patrick Winter anzutreffen, doch der Oberösterreicher hat erst unlängst in einem motorline.cc-Interview erklärt, wie schwierig es zurzeit ist, ein Projekt auf die Beine zu stellen.
„Ich wäre schon mal froh, wenn ich eine Saison fahren könnte, wo ich genügend Sponsoren an Bord habe, damit ich einmal ohne Kopfweh die Saison durchfahren kann. Oder dass auch einmal ein Schaden vielleicht mit einkalkuliert werden kann. Und dass man nicht aus eigener Tasche mit dem letzten Cent noch eine Rallye finanzieren muss. Wenn einmal ein Projekt stehen würde von Saisonbeginn an, dann wäre ich schon einmal überaus glücklich“, hat er im Anschluss an sein Bergdrama erklärt.
Auch sein früherer Teamkollege aus dem Eddy Schlager Rally Sport-Team, Alexander Tazreiter, erklärt mit sorgenvoller Miene: „Leicht war es noch nie – aber heuer ist es besonders hart, es wird immer schwieriger, es hängt noch alles in der Luft.“
Manfred Stohl antwortet auf die Frage nach einem Fragezeichen mit säuerlicher Bestimmtheit: „Ja sicher, momentan steht gar nichts, nicht einmal annähernd irgendetwas.“
Andi Aigner bastelt an einem internationalen Projekt, kann aber noch keine Angaben dazu machen.
Auch bei den so genannten „Kleinen“ herrscht Unsicherheit. Victoria Schneider, immerhin eine der schnellsten Pilotinnen im Feld, sagt: „Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, was ich nächstes Jahr tun werde. Gibt es 2011 den Suzuki Cup? Fahr ich nur Rallye? Fahr ich nur Rundstrecke? Ich weiß es nicht.“
Teamchef Eddy Schlager stöhnt: „Wir wissen im Moment gar nichts. Die Jänner-Rallye naht mit Riesenschritten. Ich kann nichts kalkulieren - weil wir einfach nichts wissen.“
Und selbst Thomas Zeltner, der Co-Pilot des achtfachen Staatsmeisters Raimund Baumschlager, verrät: „Es glaubt jeder, dass wir immer das größte und das beste Budget haben und dass bei uns immer alles so einfach ist. Das ist es natürlich auch nicht. Wir rennen genauso um jeden einzelnen Euro.“
„Es gibt nur einen Unterschied: Der Raimund macht das Budget immer sehr frühzeitig und konsequent. Er denkt nicht erst im Dezember daran, die nächste Saison zu finanzieren. Aber es wird auch bei uns jedes Jahr schwieriger – jedes Jahr werden die Budgets kleiner und die Kosten werden immer höher. Weil natürlich alle Firmen und Sponsoren auch mit der Wirtschaftslage zu kämpfen haben und entsprechend auch bei den Sponsorenausgaben zu sparen haben. Es geht also nicht nur dem Patrick Winter so, es geht allen so.“
Eddy Schlager sieht es pragmatisch: „Es liegt daran, dass die Gelder immer weniger werden, das ist in anderen Sportarten auch so. Es wird überall mehr und mehr gespart und zugleich wird alles teurer – die Schere klafft immer weiter auseinander!“
Neben Piloten und Teambesitzern leiden auch die Veranstalter, schon im Vorfeld der Waldviertel-Rallye hat der engagierte Helmut Schöpf öffentlich in Frage gestellt, ob es seine Rallye 2011 noch geben wird. Rund 50.000 Euro seien nötig, schon heuer mussten die Sonderprüfungen verkürzt werden – wenngleich auf eine kreative Art und Weise, welche bei den Piloten gut angekommen ist.
Dass es eine Krise gibt, kann man also schwer verleugnen – doch welche Wege gibt es aus dieser Krise? Was muss geändert werden, damit der Rallyesport in Österreich einen Aufwind erlebt? Ist es nur der fehlende Kampf an der Spitze? Jener Kampf, den es am Saisonbeginn mit dem Dreikampf Baumschlager-Aigner-Winter noch gab? Oder gibt es auch andere Bereiche, die man verbessern kann oder muss?
Lesen Sie demnächst: Welche Lösungen Manfred Stohl, Eddy Schlager und Andi Aigner andenken, welche Probleme sie lokalisieren.