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„Wir müssen unbedingt ein paar Schritte zurückgehen!“

Teambesitzer Eddy Schlager sieht die Lösung in einer drastischen Abrüstung – statt sündteuren S2000-Projekten sollen R2 und R3-Autos eingesetzt werden.

Michael Noir Trawniczek
Foto: Daniel Fessl/www.motorline.cc

Teambesitzer Eddy Schlager hatte schon bessere Jahre erleben dürfen. 2009 erlebte er mit Patrick Winter am Steuer seines Mitsubishi Lancer Evo IX den bisherigen Höhepunkt – der Jungpilot war plötzlich Stammgast auf dem Podium, doch dann trennten sich die Wege der beiden…

Während am Saisonbeginn 2010 im Lavanttal noch vier Autos im Stall des umtriebigen, in Tschechien operierenden Österreichers standen, sind es im Waldviertel nur noch zwei: Der Mitsubishi von Alexander Tazreiter und der Renault Clio R3 von Willi Rabl.

An die Erfolge seines früheren Piloten Patrick Winter kommt Tazreiter nicht heran, doch Eddy Schlager bricht für seinen Schützling eine Lanze: „Der Alex hatte in zwei Jahren bis auf einen Motorschaden, für den er nichts kann, keinen einzigen Ausfall. Das registrieren die meisten Leute nicht: Zwei Saisonen, ein Ausfall – und der wurde bestimmt durch die Technik. Es ist einfach so, dass der Tazreiter auf sein Geldbörsel schauen muss und er so fährt, dass er nichts riskiert. Das sind andere Maßstäbe als bei Baumschlager und Harrach. Immer wenn man auf die Geldbörse schaut, fährt man nicht so schnell, wie man eigentlich könnte.“

Das Problem: Die Budgets sind wegen der hohen Kosten derart knapp bemessen, dass ein Unfall im Grunde den Rest der Saison gefährdet. Von dieser „Bremse im Kopf“ sind nicht nur Piloten wie Tazreiter betroffen – auch ein Franz Wittmann kennt das Problem nur allzu gut. Auch in seinem IRC-Budget waren schwere Schäden nicht einkalkuliert, da die Umsetzung dann wohl unmöglich gewesen wäre.

Das Problem besteht auch auf internationaler Ebene: Während man respektive die FIA den Rallyesport eigentlich kostengünstiger gestalten wollte, muss man mittlerweile ein Super 2000-Auto pilotieren, wenn man eine nationale Meisterschaft gewinnen möchte. Somit wurden die Kosten mindestens verdoppelt wenn nicht verdrei- oder vervierfacht.

“R2 genauso attraktiv“

Genau in diese Kerbe schlägt Eddy Schlager, wenn er sagt: „Ich glaube, man muss jetzt ganz schnell Kompromisse finden – dass man eben mit Autos fährt, die nicht ganz so teuer sind, um weiterfahren zu können. Die großen Dinge spielt es nicht mehr. Wir müssen ein paar Schritte zurückgehen. Ich bin überzeugt davon, dass ein R2 genauso attraktiv ist für die Zuschauer – weil er auch recht gut um die Ecken kommt und einen Wirbel macht und weil er eben noch eher leistbar ist. Ich glaube, dass wir dort hin müssen – wenn wir das nicht begreifen, wird es zäh werden.“

Freilich räumt Schlager ein: „Die Reichen werden immer das beste Material haben, da gibt es halt ein paar davon – der Rest muss sich meiner Meinung nach an die Ökonomie anpassen, anders wird es nicht gehen.“

Projektesterben = negatives Signal

Schlager sieht im Dahinsterben von vormals euphorisch präsentierten Projekten auch ein Signal an die Fans, ein negatives Signal: „Wenn ein Aigner-Projekt und ein Winter-Projekt so schnell wieder sterben, wie soll sich da die Stimmung verbessern? Sie kann sich nur verschlechtern – und leider Gottes übertragt sich das auch auf die möglichen Fans, die daheim sitzen und eigentlich zuschauen wollten. Aber dann sehen sie: Naja im Waldviertel gibt es nur 88 Starter, so schwach war es noch nie, da fahre ich gar nicht hin. Dass Aigner wieder fährt, ist sicher eine Bereicherung – aber es ist halt nicht mehr das, was es am Anfang war.“

Schlager sagt: „Das Geilste wäre, wenn man alle mit einem R2 oder R3 fahren lassen würde - dann würde man sehen, was wirklich los ist fahrerisch. Dann hätten alle mehr oder weniger die gleichen Chancen – so lange es bei den Autos so gewaltige Unterschiede gibt, wird es immer so sein, dass einer wegzieht und der Rest ist eine arme Sau, die hinten nach fährt. Dadurch ist es aber auch für die Zuschauer uninteressant. Ich wünsche auch dem Raimund, dass er 15mal Meister wird – die Frage ist nur, ob das auch die Leute interessiert?“

Eddy Schlager schreckt auch vor unbequemen Aussagen nicht zurück. Vielleicht auch deshalb, weil er als Exil-Österreicher gewissermaßen auch von außen auf die österreichische Rallyeszene blicken kann.

“Werden nicht respektiert“

Er nennt ein aktuelles Beispiel: „Hermann Neubauer ist ein großartiger Junge. Für mich war eigentlich klar, dass er beim Global Shootout der Pirelli Star Driver-Wahl dabei sein wird. Aber da haben wir erneut zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir ein kleines Land sind und dass wir in Wirklichkeit nirgendwo respektiert werden. Zugleich ist wieder ein Tscheche dabei, zum zweiten Mal hintereinander ist ein Tscheche dabei. Die haben nur um zwei Millionen mehr Einwohner als wir – also machen sie es scheinbar cleverer als wir. Es liegt eben nicht nur am Markt, sondern auch an anderen Dingen.“

Dass er sich mit seinen Aussagen nicht immer Freunde macht, ist Eddy Schlager klar: „Leider gibt es bei uns so viele Dinge, die nur unter vorgehaltener Hand gesagt werden – denn wenn du sie dort sagen würdest, wo sie eigentlich gesagt werden sollten, dann schießt du dich selbst ins Out, dann bist du draußen.“

“Zwei Streicher? Ein Schuss ins Knie!“

Er nennt ein Beispiel: „Wenn ich an meinen Eintrag im motorline.cc-Forum denke, in dem ich eine Blutauffrischung anrege – na bumm, die Feinde haben sich gleich zum Quadrat vermehrt.“

Wird Schlager trotzdem weiterhin seine Meinung öffentlich kundtun? „ Das weiß ich nicht – irgendwann werde ich nicht mehr da sein, weil ich sagen werde, dass ich mir das nicht mehr antun werde. Weil ich alles verkaufen werde und etwas anderes tun werde. Noch bin ich leidenschaftlich dabei. Aber wenn ich sehe, wie es für 2011 ausschaut, muss ich mir überlegen, ob ich die Autos verkaufe. Du kannst ja nichts mehr kalkulieren.“

Oft sind die Probleme hausgemacht. Schlager nennt ein letztes Beispiel: Die ÖM soll planen, im kommenden Jahr zwei Streichresultate einzuführen. Für Schlager wäre das der klassische „Schuss ins Knie“. Er warnt eindringlich: „In dem Moment, wo man sagt, es gibt zwei Streichresultate, tötet man die Jänner-Rallye. Das wäre das Dümmste, was man überhaupt machen kann. Ein Streichresultat ist absolut genug.“

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