
ERC/ORM: Jännerrallye 2013 | 15.01.2013
Niki Glisic über die Jänner-Rallye: Leben und leben lassen!
Die zum Teil kritischen Worte von Helmut Schöpf zur Jännerrallye 2013 haben Niki Glisic dazu bewogen, zum Thema Stellung zu nehmen…
Fotos: Glisic privat
Helmut Schöpf sorgte mit seinen auf motorline.cc veröffentlichten Anmerkungen zur Jännerrallye 2013 [siehe „Kommentar H. Schöpf: Licht & Schatten“ in der Navigation rechts oben]für Gesprächsstoff in der heimischen Rallyeszene…
Denn der Veranstalter der Waldviertel-Rallye betonte zwar, dass es für den österreichischen Rallyesport eine „herausragende Ehre“ sei, in Freistadt „die neue Rallye-Europameisterschaft (ERC) mit Eurosport als Promotor eröffnen zu können“ – zugleich aber kritisierte Schöpf den Umgang mit den Startern des ÖM-Feldes: Bei der Vermarktung der Jännerrallye habe man seit 2011 das Gefühl, die ORM „diene nur als Starterfeldlieferant und sei jedoch nur ein Klotz a Bein“ – die von der FIA ab 2013 vorgeschriebene Listentrennung der beiden Starterfelder ERC und ORM sowie das Verschweigen der nationalen Piloten in der Pressearbeit würden diesen Effekt nur verstärken, schrieb Schöpf…
Jener Helmut Schöpf, der letztendlich befürchtet, dass die heimischen Piloten angesichts des Totschweigens der Lokalmatadore künftig FIA-Läufe wie die „Jänner“ und auch die Waldviertel-Rallye (European Rally Cup) meiden könnten, zumal der frühere Mastermind der IG Rallye ohnehin „eine der schwierigsten ORM-Saisonen“ erwartet…
Die Kritik an der Vorgehensweise der Jännerrallye-Veranstalter, gepaart mit einem Hinweis auf einen Zeitungsbericht, in dem seiner Meinung nach „zwischen den Zeilen“ das Gefühl aufkommen würde, die „Euphorie im Lande scheint doch nicht mehr so herausragend zu sein“, brachte Schöpf viel Kopfschütteln und noch mehr Kritik aus dem Umfeld der Jännerrallye ein.
Niki Glisic, der große Held und Lokalmatador im BMW M3, der nach einem tragischen Motorrad-Unfall mit einer Fußprothese klarkommen musste und nach harten Bewährungsproben im Rallyesport eine neue Erfüllung fand, der seither die Fans mit seinen beherzten Drifts begeistert, ist nach neun Jännerrallye-Teilnahmen so etwas wie die Gallionsfigur dieser Veranstaltung – Niki Glisic kann die Kritik von Helmut Schöpf nicht verstehen…
Die Worte von Schöpf bewegten Glisic vielmehr dazu, seinerseits eine Stellungnahme abzugeben – der Perger Lokalmatador sandte motorline.cc zu diesem Zwecke gleich ein fertiges Interview, inklusive aller Fragen und Antworten. Gerne veröffentlichen wir das uns zugesandte Interview, hier der erste Teil des Dokuments:
Wer „Jänner-Rallye“ sagt, der muss auch „Glisic und M3“ sagen. Wie bist du zu dieser Veranstaltung gekommen? Wie stehst du zu ihr?
Unser erster Einsatz bei der Jänner-Rallye war 2004, das war damals erst meine zweite Rallye. Rückwirkend betrachtet sogar ein kleines Wunder. Nach meiner ersten Rallye mit meinem berühmt-berüchtigten Lehrmeister und Freund Sigi Schwarz in Deutschland hätten wohl viele andere wegen Nervenverlust schon vorzeitig das Handtuch geworfen. Sigi hat mich richtig schwitzen lassen und hat mir gezeigt, wo der Hammer hängt - das werde ich nie vergessen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich von der OSK noch kein grünes Licht erhalten, um als Körperbehinderter in einem Rallye-Bewerb zu starten. Mir wurde auferlegt, mich zuerst zwei Jahre lang in der Autoslalom-ÖM zu bewähren, ehe man über weitere Schritte nachdenken würde. Durch Zufall lernte ich dann aber Christian Weissengruber kennen. Er und der Rallye Club Mühlviertel gaben mir, meinerseits völlig unerwartet, die Chance und vor allem das Vertrauen, als Vorausauto bei der Jänner-Rallye zu starten, welche erstmals in Freistadt abgehalten werden sollte.
Mein mir bis heute treu gebliebener Co-Pilot Alfred Glaser und ich hatten zu diesem Zeitpunkt noch absolut keine Ahnung von irgendetwas, weder vom richtigen Anfertigen eines Schriebs, noch von jeglichen Abläufen während der Veranstaltung. Blutige Anfänger halt, jedoch ohne Furcht. Blauäugiger Weise glaubten wir damals zumindest eines zu wissen: Die Tschechen kommen mit 14 WRC nach Freistadt – wir müssen dringend trainieren, um neben denen nicht blöd dazustehen!
Am Donnerstag, beim Shakedown, war es dann so weit: Keiner kannte uns wirklich, jedoch beobachteten viele skeptische Blicke jeden Schritt von uns. Als Antwort darauf sind Fredl und ich dann den Stadtberg quer auf Anschlag hinaufgefahren, aber richtig. Mit Anstellen und Lastwechsel von einer Kurve direkt in die nächste. Und nicht nur wir hatten unseren Spaß, sondern auch die Leute!
Ich kann mich auch noch an die ersten Feedbacks der Zuseher und Fahrerkollegen erinnern. Keiner wollte bzw. konnte begreifen, wie man mit einer Prothese so fahren kann. Nach drei Tagen Driften im tief verschneiten Mühlviertel waren wir dann plötzlich bekannt wie bunte Hunde und das auf Anhieb.
Und wenn ich mich zurückerinnere - dann war da auch noch so ein Lausbub aus Rohr im Kremstal. Auch er schaffte es von der ersten Minute an, mit altem Gerät und spektakulärer Fahrweise aufzuzeigen. Rückblickend betrachtet – soweit kann ich auch für Christof Klausner, welchen ich seit jeher auch als Freund kennen und schätzen gelernt habe, sprechen - hatten wir der Jänner-Rallye von Anfang an sehr viel zu verdanken. So ein Senkrechtstart ist nur hier und nirgendwo sonst möglich gewesen, dessen sind wir uns beide bewusst.
Auch in den Folgejahren wurde mir immer wieder klar, dass es für unsere Zwecke nicht wichtig war, wie viele Rallyes wir fahren, sondern lediglich welche!
Übrigens, zwei Wochen später habe ich dann wieder einmal vorsichtig bei der OSK angeklopft, um eine neuerliche Untersuchung bei Herrn Prof. Dr. Hertz zu ersuchen. Ich habe ihm dann auf meinem Notebook ein paar Fotos und Videos gezeigt und seine Antwort lautete: „Wenn Sie die Jänner-Rallye bei diesen Bedingungen mit einem M3 durchgefahren sind, dann sind sie Rallyefahrer.“
Ein weiterer Schritt war fortan erreicht, ich wurde mit den anderen Piloten auch am Papier gleich gestellt. Vor lauter Freude und Fassungslosigkeit kam mir lediglich ein leises „Danke - dann haben wir uns, um einen Beweis anzutreten, wohl auch die richtige Veranstaltung dazu ausgesucht“.
Ab dieser Stunde wurde mir klar, dass es auch im Rallyesport entscheidend ist, zu welcher Zeit du an welchem Ort bist. In meinem Fall waren der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort die Jänner-Rallye 2004, soviel kann ich aus heutiger Sicht eindeutig bestätigen.
Hast du die Auflagen der OSK an dich nicht als übertriebene Schikane empfunden?
Nein, absolut nicht. Die handelnden Personen, in meinem besonderen Fall Herr Mag. Martin Suchy, Herr Dietmar Hinteregger und Herr Prof. Dr. Harald Hertz, haben mich vom ersten Tag an bis heute immer sehr fair und korrekt behandelt. Man hat sich immer sehr aufgeschlossen und an einer Lösung interessiert gezeigt, das hat mich beeindruckt und es hat auch letztendlich gepasst für mich.
Vermutlich hat’s auch gepasst, weil ich auch den gleichen Respekt und Anstand der OSK entgegen gebracht habe. „Wie man in den Wald ruft, so kommt’s auch zurück!“, ist für mich nicht nur ein Spruch. Deshalb verstehe ich auch öfters gewisse Leute nicht, welche über die OSK ununterbrochen schimpfen und klagen. Würde man mancherorts einen sachlicheren Ton und ein ordentlicheres Miteinander pflegen, dann würden gewisse Konflikte erst gar nicht entstehen.
Und wenn andere Personen andere Erfahrungen gemacht haben, dann ist das nicht meine Sache. Die Herren der OSK machen auch nur ihren Job - und das, meiner Erfahrung nach sogar ganz gut. Soviel kann ich als Fahrer und auch als damaliger Obmann des Rallye Club Perg bestätigen. Den österreichischen Rallyezirkus auf einen Nenner zu bringen – das soll erst einmal jemand besser zu Wege bringen. Es allen in gleichem Maße rechtzumachen, ist ein Ding der Unmöglichkeit - und das gilt für alle Teams und auch Veranstalter.
Du fährst und kennst die Jänner-Rallye also schon seit 2004 und zählst zu den Lokalmatadoren. Was bedeutet diese Veranstaltung für die Region und was macht die Jänner-Rallye bei euch so besonders? Wenn man im Mühlviertel zur Rallye zusehen geht, dann hat man das Gefühl, dass die ganze Region auf den Beinen ist.
Um das zu erklären, muss ich zuerst die Jänner-Rallye erklären. Die Jänner-Rallye ist Österreichs größte Motorsportveranstaltung und die größte Sportveranstaltung Oberösterreichs. Die Jänner-Rallye wird bei uns nicht als Rallye, sondern als eine Art Volksfest gefeiert. Und genau da fängt diese Rallye an, sich von anderen zu unterscheiden.
Die Jänner-Rallye wird nicht nur mit den Rallyeteams, Gemeinden, Vereinen und Sponsoren, sondern vor allem durch und für diese abgehalten. Der Rallye Club Mühlviertel hatte früh begriffen, dass eine langfristige und nachhaltige Veranstaltung nur dann geschaffen werden kann, wenn alle davon profitieren. Nach dem Motto „Leben und leben lassen“ wurde die Veranstaltung nach der Obmann-Übernahme durch Ferdinand Staber komplett reorganisiert.
Ich selbst habe Jahre gebraucht, um den Ferdinand kennen und verstehen zu lernen. Wenn man aber seinen „Masterplan“ für diese Veranstaltung einmal durchschaut und begriffen hat, dann bleibt einem lediglich Respekt und Anerkennung über. Fakt ist, dass es prinzipiell allen offen steht, von der Jänner-Rallye zu profitieren, wenn sie nur wollen und mithelfen.
Viele Sportvereine, Organisationen und Freiwillige Feuerwehren sind auf Grund der knappen Kassen von Bund, Länder und Gemeinden finanziell immer mehr auf sich allein gestellt. Die Jänner-Rallye jedoch ermöglicht es diesen Organisationen, einmal im Jahr ordentlich Kasse zu machen, vorausgesetzt man stellt sich auch geschickt an und macht was draus. Beste Beispiele dafür sind der Pierbacher Höfnerberg und die Klausner-Arena. Jeder Zuseher zahlt pro Actionzonen-Besuch fünf Euro Eintritt, außer er hat sich vorher schon einen Rallyepass gekauft. Diese Eintrittsgelder kassieren und kontrollieren Vereine, welche für ihre Arbeit anschließend einen gewissen Prozentsatz vom Eintrittsumsatz erhalten. Durch diesen Anteil wird es den Vereinen ermöglicht, beispielsweise Investitionen in den eigenen Sportstätten, ohne oder zumindest nur mit geringerer fremder Hilfe zu tätigen. Die Einnahmen der Essens- und Getränkeausschänke gehen wiederum an die Actionzonenbetreiber, meist sind diese Freiwillige Feuerwehren.
Man braucht keinen Taschenrechner, um auszurechnen, dass wenn in einer Actionzone innerhalb von zwei Stunden dreitausend Leberkäsesemmeln verkauft werden, es für die Feuerwehren ein im Jahr einmaliges Geschäft ist. Limonaden, Bier, Glühwein und sonstiges noch nicht mal mit ein gerechnet. Da wird also nicht nur ein bisschen Kleingeld gesammelt, da schaut wirklich ordentlich Geld dabei raus!
Mit Hilfe dieser Gelder können die Freiwilligen Feuerwehren dann eigenständig Investitionen, beispielsweise für ihre Fahrzeugflotte oder Zeughäuser tätigen. Kein Wunder, dass die Actionzonenbetreiber aus freien Stücken mit beleuchteten Parkplätzen, Videoleinwänden, Moderationen und Feuerwerken für die Rallyefans aufwarten, immerhin liegt’s ja im eigenen Interesse, die Zuseher bestmöglich zu betreuen und zu unterhalten, denn im kommenden Jahr möchte man die Zuseher gerne wieder und noch zahlreicher begrüßen dürfen.
Der RCM lässt also die Vereine und Organisationen leben, und das sogar sehr gut. Letztgenannte lassen wiederum aus Dank und natürlich auch aus Eigeninteresse die Veranstaltung leben und wachsen. Einen der wichtigsten Punkte bei diesem Beteiligungssystem darf man dabei auch nicht außer Acht lassen: Und zwar, dass der Großteil der Bevölkerung und Anrainer entweder zu Vereinen oder zu Freiwilligen Feuerwehren gehören, welche wie soeben erläutert allesamt von der Veranstaltung profitieren. Somit haben vom Bürgermeister und Bezirkshauptmann bis hin zum Landeshauptmann alle den überwiegenden Rückhalt der Bevölkerung und Organisationen.
Das Fundament dieser Veranstaltung steht somit felsenfest und ist sinnvoll und nachhaltig abgesichert, ebenfalls auch ein wichtiger Punkt für die Sponsoren. Soviel also zur Erklärung, warum die Jänner-Rallye bei uns das ist, was sie sowohl nach außen als auch nach innen darstellt: ein Fest für alle.
Und die von Helmut Schöpf erwähnten Flurschäden und abgeknickten Strommasten?
Tut mir leid, aber auch in diesem Punkt habe ich Helmuts Sorgen nicht verstanden. Der Veranstalter der zweitgrößten Rallye Österreichs spricht von Fakten und legt dabei einen Zeitungsbericht auf den Tisch. Sagen wir mal so: Ein Bericht der auflagenstärksten Tageszeitung wird nicht nur von Akademikern nicht als wissenschaftliche Quelle anerkannt. So etwas dann als stichfesten Beweis vorzulegen, um beweisen zu wollen, dass jemand in eine Wiese gefahren ist, macht für mich keinen Sinn.
Flurschäden und eventuelle Sachschäden gibt’s bei allen Veranstaltungen. Dadurch, dass die Jänner-Rallye aber im Winter, also in der nicht landwirtschaftlich aktiven Zeit abgehalten wird, sind Flurschäden für die Bauern lediglich ein geringes Problem, speziell wenn Schnee liegt oder der Boden gefroren ist. Ebenfalls werden die Anrainer für eventuell entstandene Flurschäden vom Veranstalter finanziell entschädigt. Wenn’s für die Anrainer die letzten zehn Jahre so gepasst hat, dann wohl auch heuer.
Des Weiteren sind wir Fahrer gegen Drittschäden, ausgenommen Flur- und Leitmittelschäden, versichert. Diese Versicherung bezahlen wir mit einem Teil unseres Nenngeldes und das sollte auch Herr Schöpf wissen. Wo er auch da ein außerordentliches Problem sieht, weiß ich nicht. Ernst Haneder und Christof Klausner, beide übrigens Oberösterreicher, haben diese Strommästen und somit auch ihre Fahrzeuge sicher nicht mit Absicht beschädigt. Solche Drittschäden an Sachgegenständen kommen auch bei jeder anderen Veranstaltung vor, vermutlich auch im Waldviertel.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass seine Aussagen wohl eher nicht durchdacht und unqualifiziert waren und dem gesamten österreichischen Rallyesport vermutlich mehr geschadet als geholfen haben.
Teil 2 des Niki Glisic-Interviews folgt demnächst auf motorline.cc