Hans Peter Voglhuber's Kolumne | 14.06.2002
Der Irrtum der "Superhirne"!
Dieses Mal dreht sich alles um die Computer-Abhängigkeit der Formel 1 und das vermeintliche Allheilmittel Aerodynamik.
Hans Peter Voglhuber
Die Computergläubigkeit der F1-Teams nimmt beinahe schon religiöse Formen an
Hartmut Thaßler, einer der erfolgreichsten Rennwagenkonstrukteure der seinerzeitigen DDR, testete bereits 1977 erstmals einen Formel Easter-Monoposto im Windkanal der staatseigenen Luftfahrtsindustrie. Thaßlers Erkenntnis: "Wir haben bei den Windkanaltests herausgefunden, dass alles was dem Auge gefällt, auch im Windkanal funktioniert!"Die Formel Easter war in der ehemaligen DDR eine Rennformel für einsitzige Rennwagen (Monoposti), welche von meist viel zu schwachen Motoren von Wartburg, Skoda etc. angetrieben wurden. Es ist übrigens geplant, die Formel Easter 2002/2003 in Deutschland als eigene anerkannte Rennformel einzuführen.
Obwohl heutzutage immer und überall die Aerodynamik in den Mund genommen wird, ist für den Erfolg eines Rennwagens grundsätzlich das Gesamtkonzept entscheidend - Fahrwerk, Aerodynamik, Motor. Dass ein Niki Lauda in der Öffentlichkeit so inbrünstig auf den neuen Windkanal setzt, dürfte wohl weniger mit seinem festen Glauben an Windkanäle, als vielmehr mit dem momentanen Argumentationsnotstand hinsichtlich der stark lahmenden Raubkatzen zusammenhängen, denen weder der neue Aerodynamiker noch der neue Windkanal wirklich weiterhelfen können.
Aber möglicherweise hat sich das Thema Jaguar und Formel1 ohnehin schon erledigt und Ford schickt seine Raubkatzen endgültig in Pension, um wie Phönix aus der Asche, mit einem völlig neuen Ford/Ford auf WM-Titeljagd zu gehen. Denn nur mit Ford-Motoren allein in der Formel1 vertreten zu sein, dürfte angesichts der steigenden Anzahl von teilnehmenden Autokonzernen nicht zielführend sein.
Nichts Neues:
Reglement und Erfolgsdruck verhindern echte Neuentwicklungen
Was nun den Einsatz der vielgepriesenen Windkanäle betrifft, so ist ja das alles gar nicht so neu, wie es sich immer liest und anhört. Bereits 1967 testete Ford seinen Gruppe 7 Wagen im Windkanal. 1978 testete McLaren ebenfalls einen Formel1-Renner im Windkanal des amerikanischen Flugzeugherstellers Lockheed und 1979 folgte Ligier mit F1-Tests im Windkanal von SERA (Société d´Etude Recherche Aerodynamique). Das Budget von Ligier betrug damals rund 32 Millionen Schilling. 23 Jahre später gibt es dafür bestenfalls ein Super-Motorhome für größenwahnsinnige Racing-Teams.
Zwei Hauptgründe verhindern derzeit echte Innovationen in der Formel1. Erstens das geltende Reglement und zweitens der wahnsinnige Erfolgsdruck, welcher gerade die großen Teams davon abhält, echte Neuschöpfungen zu entwickeln. Das Ergebnis dieses Erfolgsdrucks zeigt sich jedes Jahr in den vorgestellten neuen (alten) Boliden, bei denen laut ihrer Schöpfer bis hin zur kleinsten Schraube alles neu gestaltet und fabriziert wurde.
System-Error:
In der Formel 1 ist derzeit kein Platz für echte Innovationen
Ein weiterer Grund für diese Fehlentwicklung in der Formel1 ist nicht zuletzt die offensichtliche, totale Computergläubigkeit der Formel1-Teams. Plötzlich sehen viele der Eierköpfe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr und sind überrascht, wenn technische Lösungen, die auf dem Computer und bei den Simulationen oft so hervorragend funktioniert haben, sich später auf der Rennstrecke als Flop erweisen. Zudem hat der ständige Reglementskrampf in der Formel1 die elementaren Fragen des Rennsports inzwischen völlig verdrängt. Etwa, was denn langfristig aus der Formel1 werden soll.
Sollte sie sich eventuell wieder zu einer zwar technisch hochstehenden, aber weitgehend vom Größenwahn befreiten Rennformel zurückentwickeln, wo auch kleine, innovative Teams Platz und Siegchancen vorfinden? Dafür gibt es leider keinerlei Anzeichen. Zuviel Geld ist im Spiel, zu groß ist der bereits betriebene Aufwand, zu stark ist der Einfluss der Automobilkonzerne.
Eine sich ständig weiterentwickelnde Hightech-Rennformel wäre somit das logische Konzept, welches jedoch auch die Gefahr des totalen Absturzes in sich birgt. Was die Formel1-Macher bisher nämlich hartnäckig ignorierten und noch immer ignorieren, ist die Tatsache, dass die Zuschauer einen Kampf Fahrer gegen Fahrer und nicht Teamtaktik gegen Teamtaktik mit allen Haken und Ösen sehen wollen.
Und eines sollte allen Beteiligten auch klar sein: wenn in den Cockpits weiterhin mündige Lenkraddreher den Job eines Rennfahrers verrichten sollen, dann muss ein Großteil der Elektronik wieder entfernt werden (Launch control, traction control, Bordfunk usw.).
Triste F1-Zukunft?
Die Rennfahrer werden immer mehr zu unmündigen High-Speed-Kutschern...
Auch die Telemetrie-Daten sollten während des Rennens nur mehr on board gespeichert werden dürfen und nicht mehr per Funk an die Boxen übertragen werden, damit ausgeschlossen werden kann, dass per Funk Veränderungen am Wagen während des Rennens vorgenommen werden können.
Denn wenn während eines Rennens von den Boxen per Funk die Performance eines Formel1-Boliden beeinflusst werden kann, dann ist es nicht mehr weit zum Formel1-Pilot als lebender Ballast. Mit Boxenstrategien á la Ferrari degradiert man Schumacher & Co zu hochbezahlten, aber unmündigen Highspeed-Kutschern und nimmt gleichzeitig den Fans ihre verehrten Helden.
Aus ehemals spannenden Autorennen wird immer mehr ein für die Zuschauer uninteressantes Straßenschach, wo Taktik und Technik beinahe alles sind und der Fahrer immer unbedeutender wird. Schon jetzt bestimmen die Boxenstopps und Rennstrategien weitgehend den Rennausgang und es genügt längst nicht mehr, den besten Fahrer ins beste Auto zu setzen.
Dazu wäre noch anzumerken, dass allein schon die vorgeschriebenen Boxenstopps, um die Rennen spannender zu machen, im Grunde genommen eine ideologische Bankrotterklärung des Rennsports sind. Und mit jeder Reglementänderung wird der sportliche Wert noch mehr vermindert und verfälscht.
Ich habe den Eindruck, dass im Moment niemand von den Herrschaften so recht weiß, wie die Formel1 in fernerer Zukunft aussehen könnte, sodass sich die Verantwortlichen offensichtlich eher vom künftigen Geschehen überraschen lassen wollen, anstatt die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Und die Eierköpfe überlassen wohl auch weiterhin den Computern und den Windkanälen die Gestaltung von Formel1-Boliden, anstatt selbst wieder einmal richtig kreativ zu werden.
Ihr Hans Peter Voglhuber