Hans Peter Voglhubers Kolumne | 24.08.2004
Denn sie wissen nicht, was sie tun... sollen
Permanente Realitätsverweigerung in der Formel 1
Hans-Peter Voglhuber geht mit der gegen Ferrari chancenlosen Konkurrenz hart ins Gericht, McLaren, Williams & Co seien Schuld an der Langeweile.
Hans-Peter Voglhuber
Wenn ein und derselbe Skirennläufer ein Rennen nach dem anderen gewinnt, ist das für einen großen Teil der Fans vollkommen in Ordnung. Weil Schumacher mit Ferrari Jahr für Jahr der Konkurrenz davon fährt, sehen viele schon den Untergang der Königsformel.
Die Formel 1 muss attraktiver gemacht werden; - so schreit das rennbegeisterte Volk und so denken auch viele (Un)Verantwortliche aus der Benzinliga. Aber die Formel1 ist ja attraktiv! Nur der Rest des Starterfeldes ist es nicht!
Dabei würde es für die Fernsehzuschauer schon eine Erleichterung sein, wenn nicht immer das einsam durch die Gegend flitzende Ferrarirot gezeigt würde, sondern viel öfter und viel länger die kämpfende „Middleclass“ und die „Underdogs“ ins Bild kämen.
Allerdings frage ich mich ernsthaft, ob Letztgenannte mit über vier Sekunden Zeitverlust pro Runde überhaupt noch eine Startberechtigung haben sollten.
Zu schwache Konkurrenz: Ferrari fährt dem Rest auf und davon...
Grundsätzlich mag ich ja so kleine Rennställe wie Minardi einer ist, aber, derart schwache Teams zuzulassen, nur damit das Starterfeld die vertraglich vereinbarte Anzahl von Autos aufweist, ist für mich ein Betrug an den Rennsportfans.
Und überhaupt, wieso wird nicht einmal ganz klar ausgesprochen, was wirklich Sache ist. Die Formel 1 ist doch nur deshalb so uninteressant geworden, weil ein einziges Team eine Topperformance in allen Belangen an den Tag legt und der Rest der Millionen schweren Teams seit Jahren nicht in der Lage ist, gleichwertige Renner auf die Räder zu stellen.
Schon seit geraumer Zeit wird die Formel 1 von einem Geist beherrscht, der da „Realitätsverweigerung“ heißt. Wie sonst könnte so ein Vertragstheater wie bei Jensen Button herauskommen. Da wurden zuerst von einem ganzen Heer von Anwälten buchdicke Fahrerverträge ausgearbeitet und plötzlich werden diese juridischen Wunderwerke von jedem der Betroffenen anders gelesen und ausgelegt?!
Unter solchen Umständen könnte möglicherweise schon bei den Rechtsanwälten mit dem Sparen in der Formel 1 begonnen werden.
Realitäts-Verweigerung: Außer bei Tests und im Freien Training ist gegen Ferrari kein Kraut gewachsen
Dazu kommen die ewigen Spielchen der roten Renngemeinschaft aus Italien, welche im freien Training ihrer deutsch/englisch/französischen Konkurrenz kurzfristig das Gefühl und die Hoffnung gibt, als hätte diese tatsächlich zu ihnen aufgeschlossen, um sie dann im Qualifying wieder dorthin zu schicken, wo sie ohnedies immer schon waren, nämlich hinter Rot. Daran ändert auch die eine oder andere nichtrote Poleposition nichts.
Die Idee, aus einem Pseudo-Jaguar-Team ein reinrassiges FORD-Team zu machen, erscheint mir gut. Allerdings habe ich das Gefühl, dass Ford die Formel-1-Fahrerei allgemein zu teuer ist und man den ganzen Rennstall lieber heute wie morgen verscherbeln möchte. Das allerdings dürfte in Zeiten wie diesen ein äußerst schwieriges Unterfangen werden.
Besonders kräftig wird Realitätsverweigerung unter den großen, nicht roten Formel-1-Teams betrieben. Auch wenn man berücksichtigt, dass ein Kimi Raikkönen den McLaren-Mercedes deutlich schneller bewegt wie sein Kollege Coulthard, ist dieser Wagen dem Ferrari in Summe dennoch nicht ebenbürtig.
Abwarten: Die Überlegenheit der Scuderia hat auch einmal ein Ende
Dazu möchte ich noch zu bedenken geben, dass der McLaren-Mercedes ja ein „neues“ Auto sein soll und der Ferrari immerhin schon wieder eine „alternde“ 2004er-Version ist. Ähnlich verhält es sich mit BAR, Renault und BMW-Williams. Sie alle können hie und da aufzeigen, mehr jedoch nicht.
Würden diese Teams so gut arbeiten, wie sie sich immer wieder schön- und stark reden, sie hätten die Ferrari-Truppe samt Schumacher längst überrundet. So bleiben ihnen meist nur die „fantastischen“ Zeiten bei den diversen Testfahrten und die „Superzeiten“ im freien Training. Einige wenige echte Spitzenplätze dürfen hier als die Ausnahme von der Regel angesehen werden.
Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die hohen Rennfunktionäre mit Max Mosley an der Spitze immer wieder krampfhaft und mit allen erdenklichen untauglichen Mitteln versuchen, die Formel1 „interessanter“ zu machen.
Wie jedoch diese Clique agiert, würde ich ausnahmsweise auf totalen „Realitätsverlust“ und nicht auf „Realitätsverweigerung“ tippen. Denn diese Herren wissen ganz offenbar wirklich nicht mehr, was sie tun... sollen.
Freuen wir uns also weiter über die Überlegenheit von Schumacher und Ferrari, die Zeiten werden schon wieder einmal andere; - spätestens dann, wenn es keinen Schumi, keinen Todt, keinen Brawn und wie sie alle heißen mehr gibt...
Ihr Hans-Peter Voglhuber