
Hans Peter Voglhubers Kolumne | 08.07.2008
Am Tag als der Regen kam - die F1-WM hat neu begonnen
Mit dem Grand Prix in Hockenheim beginnt für das Quartett Hamilton, Kubica, Massa und Räikkönen die Formel 1-WM 2008 praktisch neu.
Hans-Peter Voglhuber
Mit dem GP in Hockenheim beginnt für das Quartett Hamilton, Kubica, Massa und Räikkönen die Formel1-WM 2008 praktisch neu. Nach dem verregneten GP in Silverstone sind Räikkönen, Massa und Hamilton punktegleich, dicht gefolgt von Kubica mit zwei Punkten Rückstand.
Es ist verblüffend, wie nahe Perfektion und Stümperhaftigkeit in der Formel1 beisammen sind. Was da in letzter Zeit passiert, lässt sich nicht mehr plausibel erklären. Da fährt ein offensichtlich geistig abgemeldeter Hamilton in der Boxenstrasse Kimi Räikkönen über den Haufen und gewinnt ein paar Wochen später unter widrigsten Bedingungen geradezu weltmeisterlich den England-GP. Massa gewinnt einerseits WM-Rennen im Stil eines künftigen Weltmeisters und fährt andererseits dann wieder wie ein mäßig begabter Formel1-Neuling. Und während Weltmeister Räikkönen in Monte Carlo in Kamikaze-Manier Adrian Sutil über den Haufen fährt, taktiert in Silverstone das Ferrari-Team, als würden sie das erste Mal ein Regenrennen erleben. Gerade in den Spitzenteams lösen sich die Tops und Flops bedenklich oft ab.
Dass die Formel1 äußerst kompliziert ist und jede Kleinigkeit zum Absturz oder zum Triumph führen kann, liegt auf der Hand. Aber dass gerade die renommierten Teams und Spitzenfahrer in letzter Zeit dermaßen stümperhaft agieren, ist mir ein Rätsel.
Ein Grund für die krassen Leistungsschwankungen und Fehlleistungen könnte sein, dass die Formel1 für die Fahrer und für die Teams bereits zu kompliziert geworden ist und deshalb allesamt immer häufiger überfordert sind.
Allein ein Boxenstopp ist Stress zum Quadrat: Anfahrt, Geschwindigkeitsbegrenzung, punktgenaues Stehen bleiben, Boxenfunk, Motoreinstellungen, Bremskraftverteilung, Betankung, Reifenwechsel, Flügeleinstellung und ein mit Knöpfen gespicktes Lenkrad, wo immer wieder einmal das falsche Knöpfchen gedrückt wird. Da ist es nicht verwunderlich, wenn vor lauter Konzentration auf die Technik, auf den Boxenfunk und auf die Boxenaktivitäten beim Fahrer keine Hirnkapazität mehr frei ist für den Blick auf das Geschehen in der Boxenstraße. Abgerissene Tankschläuche, über den Haufen gefahrene Mechaniker, überfahrene rote Ampeln oder von hinten gerammte Konkurrenten sind die Folgen; - immer öfter. Shit happens!
Aber auch die Teamstrategen und Superhirne taktieren inzwischen so raffiniert, dass sie sich zeitweise sogar selbst austricksen, sei es bei der Strategie der Tankstopps oder beim Reifenwechsel, wie es Ferrari in Silverstone praktiziert hat. Die Formel1 ist längst zum undurchschaubaren Strategiespiel und fast nicht mehr beherrschbaren Technikmonster mutiert, welches schön langsam ihre Kinder, respektive ihre Schöpfer frisst!
Weniger gefressen als vielmehr ausgespuckt hat die Formel1 den Schotten David Coulthard, der von Red Bull ganz gentlemanlike die Möglichkeit bekam, seinen Abgang „selbst zu bestimmen“ und diesen den Medien auch persönlich mitzuteilen. Mit seinem Rücktritt reiht sich Coulthard in die lange Liste der Weltklassefahrer „Aber-leider-nein-Weltmeister“ ein, wie etwa Stirling Moss, Jacky Ickx, Carlos Reuttemann, Michele Alboreto, Gerhard Berger usw.
Für Nick Heidfeld ist der Abschied aus der Formel1 sicher noch kein Thema. Dazu ist er noch zu jung und zu schnell. Aber ist er auch BMW Sauber schnell genug? Laut Dr. Theissen wird die Fahrerwahl ab August entschieden. Einer von Heidfelds Konkurrenten um einen Cockpitplatz bei BMW könnte Alonso sein, vorausgesetzt Renault schafft heuer den Anschluss an die drei Spitzenteams nicht mehr. Ob der Egozentriker Alonso für BMW ein guter Griff wäre, wage ich zu bezweifeln, da mit Teamkollegen Kubica ein Konflikt á la Alonso / Hamilton vorprogrammiert wäre. Möglicherweise wären Webber oder Massa zu haben, doch da ist BMW mit Heidfeld mindestens so gut besetzt.
Aber vielleicht taucht ja noch ein junges Supertalent á la Hamilton, Kubica oder Vettel auf.
In diesem Sinn: (Hockenheim)Ring frei zur nächsten Runde.
Wenn es so weitergeht wie bisher, wird heuer wahrscheinlich nicht der Bessere die Formel1-WM gewinnen, sondern jener, welcher bis Saisonschluss am wenigsten blöde Fehler gemacht hat.