
Fiat-Chef Sergio Marchionne verstorben | 25.07.2018
Visionär und Gambler
Sergio Marchionne, Vorstandsvorsitzender von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und Ferrari-Präsident, ist im Alter von 66 Jahren verstorben.
Georg Koman; Fotos: PHOTO4
Erst vor kurzem hatte FCA (Fiat, Alfa Romeo, Jeep, Chrysler, Dodge, Ferrari, Maserati, Lancia) gemeldet, dass Vorstandschef Sergio Marchionne wegen Komplikationen nach einer Schulter-Operation (mutmaßlich ein Ewing-Sarkom) alle Ämter niederlegen müsse, nunmehr folgte die Todesmeldung.
John Elkann, Verwaltungsrats-Präsident von FCA und Nachfolger Marchionnes als Aufsichtsrats-Vorsitzender bei FCA-Tochter Ferrari, zeigt sich bestürzt über den Todesfall und betont, die Geschäfte im Sinne Marchionnes weiterzuführen. Er drückte gegenüber dessen Familie sein Beileid aus. Auch im italienischen Parlament wurde eine Schweigeminute abgehalten.
Der Italo-Kanadier Marchionne, der wegen seiner genialen Einfälle, seiner hohen Risikobereitschaft, seines messerscharfen Verstandes und seiner Sturheit zuletzt immer häufiger mit Ferdinand Piëch verglichen wurde, war definitiv ein Original. Optisch als konsequenter Anzug- und Krawatten-Verweigerer sowieso, aber mindestens genauso als Manager.
Kurz nach seinem Start bei Fiat löste er das italienische Traditionsunternehmen aus der verlustreichen Allianz mit GM und holte dabei gleich auch noch zwei Milliarden Euro für Fiat heraus. Mit schlauen Investments brachte er Fiat danach wieder in die Gewinnzone. 2009 übernahm er Chrysler, nachdem es der Investor Cerberus (genau jener, der auch an der BAWAG P.S.K. beteiligt ist) abstoßen wollte. Niemand war interessiert am maroden US-Autobauer, der Kaufpreis quasi ein Geschenk.
In der Branche wurde Marchionne ausgelacht: Ein Wirtschaftsfachmann ohne Benzin im Blut will aus einem kranken und einem todkranken Auto-Konzern ein gewinnbringendes Unternehmen formen? Kann nicht funktionieren! Tat es aber. Die Gewinne wurden immer solider und die Fiat-Eignerfamilie Agnelli, aus der auch FCA-Präsident John Elkann und sein schillernder Bruder Lapo stammen, ist Sergio Marchionne wohl zu ewigem Dank verpflichtet.
Ferrari als Cash-Cow des Unternehmens brachte Marchionne gesondert an die Börse, was wiederum viel Geld in die FCA-Kassa spülte, übernahm aber sicherheitshalber gleich dessen Präsidentschaft. Er brachte sich danach auch kräftig in die Formel 1 ein und war beim neuen F1-Eigner Liberty Media ein mittelmäßig gern gesehener, weil beinharter Verhandlungspartner, der auch schon mal die gefürchtete "Austrittskeule" schwang, wenn die Verhandlungen zu stocken begannen. Dass es genau ab dem Zeitpunkt mit Ferrari in der Formel 1 bergauf ging, als Marchionne begann, sich einzumischen, mag man als Zufall sehen. Es wird aber wohl eher keiner gewesen sein...