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"Wir brauchen eine Lösung"

Im Rahmen des Autoforums in Graz sprachen Magna-CEO Siegfried Wolf und Opel-Boss Carl-Peter Forster über die gemeinsamen Ziele, Motorline war dabei.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

Leaner & meaner? Für seine elfte Auflage kehrte das Automobil-Forum von den Messehallen der steirischen Landeshauptstadt wieder in die angestammten Räume des Congress zurück. Zwei „Schwergewichte“ der Branche brachten beim Branchentreffen ein tagesaktuelles und brisantes Thema ein.

Siegfried Wolf, der CEO von Magna International, und Opel-Chef Carl-Peter Forster sind unter den Augen der Öffentlichkeit zweier Kontinente derzeit dabei, die mehrheitliche Übernahme der Adam Opel AG durch eine Magna-geführte Investorengruppe zu fixieren.

Dies geht unter größeren Mühen vor sich, als die beiden sich das vielleicht ausgemalt haben. Hindernisse werden nicht nur von der EU, sondern auch von den Politikern der betroffenen Staaten und mitunter vom derzeitigen Eigentümer GM aufgerichtet.

Die EU-Wettbewerbshüter müssen erst zu einer Entscheidung kommen; der neu formierte GM-Ausfsichtsrat hat seine Geschäftsführung bereits einmal zu Nachverhandlungen „zurück zum Start“ geschickt. Mittlerweile wurde bei Magna Steyr die Kurzarbeit um ein weiteres halbes Jahr verlängert, und Opel sieht sich in den Ländern mit gefährdeten Standorten, wie zum Beispiel im spanischen Zaragoza, mit stärkerem politischem Widerstand konfrontiert.

„Magna wird Magna bleiben“ - Siegfried Wolf

Das eigentliche Vortragsthema Siegfried Wolfs war „Der Umbruch in der Automobilindustrie“, denn der kürzlich von der TU Graz mit dem Ehrentitel des Professors h.c. bedachte Magna-General sieht die Autoindustrie in einem grundlegenden Umbruch begriffen. Wir greifen hier seine Statements im Zusammenhang mit Opel heraus.

„Magna wird Magna bleiben, und Opel wird ‚New Opel’ werden. Das werden zwei völlig voneinander getrennte Unternehmungen sein, und sie werden auch unabhängig voneinander geführt. Magna wird das Zuliefergeschäft sehr strikt vom Engagement bei Opel trennen.“ – Auch eine Bevorzugung als Lieferant werde Magna bei Opel nicht genießen, betont Siegfried Wolf.

„Opel bietet ein großes Wachstumspotential, und wir haben als Zulieferer die Chance ergriffen, uns bei diesem Unternehmen zu beteiligen. Das ist eines der neuen Denkmuster, denen wir uns gerade in Zeiten des Umbruchs nicht verschließen dürfen. Wieso soll eine innovative Beteiligung eines Zulieferers an einem Hersteller nicht legitim sein? Umgekehrt wird es ja seit Jahren vielfach praktiziert.“

Ein solches Modell könne auch als Vorteil für andere Hersteller gesehen werden, weil dadurch eine stabilere und kosteneffektivere Zuliefererbasis entstehe. Daher solle man neue Modelle der Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und OEM andenken.

Wolf sieht ‚New Opel’ als ein Vorzeigemodell für das von ihm immer wieder angesprochene neue Denken in der Autobranche, mit mehr Offenheit als bisher gegenüber unkonventionellen Kooperationen und neuen Zugängen in puncto Vereinfachung und Kostensenkung: „Carl-Peter Forster hat trotz schwierigster Bedingungen klar bewiesen, dass er mit seiner Mannschaft gute Produkte machen und Kunden zufrieden stellen kann. Wenn es nicht klappen sollte, sind wir um eine Chance ärmer.“

Der Beginn der Zusammenarbeit liegt in Russland; dort arbeiteten GM und Magna 2006 am Projekt eines leistbaren, robusten Massenfahrzeuges à la Dacia Logan. Das unterschriftsreife Geschäft scheiterte an der zunehmenden finanziellen Malaise von GM.

Vorher hatte Magna bereits ein solches Projekt mit AvtoVAZ am Laufen, durch den 25-prozentigen Einstieg von Renault-Nissan beim Lada-Hersteller VAZ wurde daraus dann nichts.

„Wir brauchen eine Lösung“ - Carl-Peter Forster

„Zu Opel hat jeder eine Meinung; ich bin froh, dass ich die Gelegenheit habe, unsere Meinung und vielleicht die eine oder andere Tatsache hinzuzufügen“ - Carl-Peter Forsters Auftritt merkte man sozusagen die Übung im Argumentieren für seine Firma und den Magna-Deal an.

Die Politik sei jedenfalls so interessiert an dieser Industrie wie schon lange nicht mehr, dieses Interesse sei ebenso gut wie in mancher Hinsicht auch belastend: „Letztendlich ist unsere Industrie eine politische Industrie. Die Einflussnahme über jede Form von Emissions- und Sicherheitsregulierung ist massiv, gleichzeitig ist die politische Bedeutung so groß. Wir werden das nicht mehr los.“ – Der Dialog sei also positiv anzugehen und nicht erst dann aufzunehmen, „wenn das Dach brennt.“

Nach seinem Wechsel von BMW zu GM begann der heutige Aufsichtstratsvorsitzende der Adam Opel AG und Präsident von GM Europe im Jahr 2000 die Arbeit am Problemfall Opel: „Wir hoffen, dass wir in der nächsten Woche eine erneute Bestätigung der Entscheidung von General Motors bekommen, auf Basis dessen die quasi unterschriftsreifen Verträge dann unterschrieben werden.“

Forster drängt auf einen raschen Abschluss, denn: „Das letzte Jahr war nervenaufreibend. Ich muss vor den Mitarbeitern meinen Hut ziehen; in anderen Unternehmen hätten Sie unter Umständen schon Teerfässer brennen sehen. Die Mitarbeiter sind fokussiert, aber sie wünschen sich eine Lösung. Sie möchten wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Das betrifft alle, inklusive des Vorstandsvorsitzenden, des Vorsitzenden der Geschäftsführung und des Aufsichtsratsvorsitzenden. Wir brauchen eine Lösung, so kann es nicht weitergehen.“

Der derzeitige Prozess der „Gesundschrumpfung“ allein wird für die europäische Autoindustrie die Zeiten nicht einfacher machen: „Zu glauben, dass man, wenn man ein paar Kapazitäten in Europa abbaut, der Druck aus dem System entweicht und wir dann fürderhin freundlich alle viel Geld verdienen, ist naiv.“

Die Mittel zum Erfolg für den Hersteller von heute sind Innovation und kluge Expansion, Mitwachsen und schnelleres Wachsen als andere in sich entwickelnden Märkten wie eben in Russland. Die technischen Umbrüche mit neuen Antriebsformen und E-Mobilität bringen auch ein Umdenken bei den Autobauern mit sich:

„Die Hersteller denken alle stark darüber nach, was sie bei den neuen Antriebssystemen selbst machen müssen, damit nicht die anderen das Geld verdienen. Heute spielt der Antriebsstrang, insbesondere der Motor, eine wichtige Rolle in der Wertschöpfung des Autoherstellers. Ob die Hersteller sich das ganz so einfach aus der Hand nehmen lassen, weiß ich nicht.“

Aber die Struktur der Industrie könnte sich womöglich fundamental verschieben: „Nur wenn wir aufhören, in einfachen Strukturen der 1:1-Zusammenarbeit zu denken, sondern in Netzwerken denken, werden wir in der Lage sein, in Europa unser Innovationspotential zu heben und gleichzeitig unseren inhärenten Wettbewerbsnachteil in Schach zu halten. Deshalb gehen wir offenen Blickes für die Risiken, aber auch die Chancen in eine Zusammenarbeit mit Magna. Das heißt nicht, dass wir an allen Stellen zusammenarbeiten. Der Magna-Arm und der Opel-Arm werden sehr scharf voneinander getrennt sein.“

Die Zusammenarbeit sei trotzdem hilfreich, und sie öffne auch Türen für andere Kooperationen, zum Beispiel für gemeinsame Plattformen: „Ich glaube nach wie vor nicht, dass man unbedingt immer eine eigene Plattform haben muss, auch nicht als Premiumhersteller“, sagt der ehemalige BMW-Produktentwickler, „wir zeigen im GM-Verbund, wie es möglich ist, eine Plattform so zu differenzieren, dass unterschiedliche Autos herauskommen. Man muss einige der tradierten Meinungen über Bord werfen, sonst werden wir uns auf Dauer sehr schwer tun.“

Die Partnerschaft mit Magna biete die Möglichkeit zu einem solchen Modell; in diesem Verbund werde für Opel die Kooperation mit anderen Firmen womöglich leichter sein als für die jetzige mehrheitliche GM-Tochter: „Magnas Geschäft besteht darin, mit vielen OEMs zusammenzuarbeiten. Wir würden gerne mit mehr OEMs zusammenarbeiten. Magna gibt uns die Chance, diese Diskussion auf einem andere Niveau zu führen als bisher.“

Ist Opel mit seinem jährlichen Ausstoß von ungefähr 1,5 Millionen Autos zu klein für ein eigenständiges Überleben? Eine komplette Loslösung von GM, so Forster, sei nie zur Diskussion gestanden: „GM wird mit 35 Prozent der größte Einzelaktionär bleiben, weil beide Seiten die Zusammenarbeit und die daraus resultierenden ‚economies of scale’ für extrem wichtig erachten. Ich sage es auch immer, wenn bei uns der Frust über die Mutter groß ist: ohne eine positive Zusammenarbeit mit der Mutter wird es nicht gehen – beiderseitig übrigens, weil europäische Technologie extrem wichtig ist. Auch deshalb überlegt das Board nochmals, können wir Opel denn verkaufen?“

Den Größenvorteil könne Opel aber auch dann nutzen, wenn man nicht mehrheitlich zu GM gehört. Als Beispiel nennt Forster die koreanische Firma GMDAT, ehemals Daewoo, wo GM lange Zeit nur minderheitsbeteiligt war.

General Motors wechselt nach Forsters Ansicht nach langer Zeit zu großer Regionalisierung gerade in Richtung zu starker Zentralisierung: „Ich habe mich immer dagegen ausgesprochen. Man muss die globalen Synergien heben und trotzdem für die lokalen Märkte die richtigen Lösungen finden. Meine Beobachtung ist, dass sich alle Hersteller da etwas schwer tun.“

Nachdem die deutsche Regierung von ihrer Festlegung auf die Konstellation Opel/Magna einen halben Schritt zurück gemacht und finanzielle Unterstützung jedem Investor in Opel zugesichert hat, ist auch der Aufsichtsrat von General Motors offenbar noch einmal ins Grübeln gekommen, ob man nicht selbst davon Gebrauch machen und den Verkauf vielleicht abblasen sollte.

Forster sieht das aber als nicht wahrscheinlich an. „Es gibt nach meiner Information das eine oder andere Board-Mitglied, das diese Frage nochmals in den Raum gestellt hat. Das ist in jedem Corporate-Governance-Prozess richtig. So muss man das sehen, und nicht nach dem Motto, es wird alles wieder völlig neu aufgerollt.“ – Ein Platzen des Verkaufes wäre „nicht nur schade, sondern ein Problem.“

Das bringt lokalen Herstellern wie beispielsweise Tata die Chance für Erfolge mit dem maßgeschneiderten Angebot in der Region. Mehr Eigenständigkeit bedeutet schnellere Reaktionsfähigkeit in den Märkten, die der Hersteller gut versteht, zeigt Forster einen weiteren Vorteil für den Schritt aus dem GM-Volleigentum auf. Die Unternehmenskultur bei Magna sei dem förderlich: „Magna hat den Ruf, unternehmerisches Denken zuzulassen und nicht zu sehr dem Zentralismus zu verfallen.“ – Es gebe also keine Zentrale im Elfenbeinturm, die zumeist zu langsam reagiere, und mitunter falsch entscheide.

Den weiteren Fortbestand von Opel begründet Forster auch mit dem Hinweis auf das Forschungs- und Entwicklungspotential eines Autoherstellers: „Wir beschäftigen direkt oder indirekt 30.000 bis 40.000 Ingenieure in Europa, 8.000 bei uns und mindestens das Dreifache bei der Zulieferindustrie. Wenn man einen solchen Spieler herausnimmt, wird der nicht ersetzt. Sie können nicht davon ausgehen, dass jemand anderer diese Entwicklungskapazität dann übernimmt. Das ist in der Produktion teilweise so, in F&E ziemlich sicher nicht.“

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