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Nachruf GTI Treffen Wörthersee

Es war einmal, es war einmal schön

Offiziell ist das GTI Treffen in Reifnitz nun offiziell also endgültig und wirklich tot. In Wahrheit ist es das aber schon seit Jahren. Und jedem ist und wird das auch künftig ziemlich egal sein.

Seit damals fuhr er wohl nur mehr Bahn. Ich glaube, er wollte nach Jesolo, oder war es die Toskana, jedenfalls überzeugte uns der Anhalter aus Ungarn irgendwie, dass wir ihn in Richtung Süden ein Stückchen mitnahmen. Aber nach ein paar Kilometern, zwei Ausfahrten, fünf ausgedrehten Gängen und einem abgerissenen Auspuffgummi meinte er höflich aber bestimmt, er würde sich lieber eine andere Mitfahrgelegenheit suchen. So standen wir also am frühen Abend irgendwo im Kärntner Land mit einer Panne, was der Vorfreude aber keinen Abbruch tat. Denn es war die Zeit des Jahres. Es war Wörthersee!

Nun ist diese Episode schon mehr als 20 Jahre her, aber schon damals gab es ein Phänomen rund um dieses Autotreffen, an dem sich bis heute nichts geändert hat. Wie ein unsichtbarer Sog zieht es abertausende Typen (die Mädels waren hier immer schon in der Unterzahl) Richtung Klagenfurt, nicht um gemeinsam auf vier Rädern den Weltfrieden zu zelebrieren, eine Marke anzubeten oder lokale Köstlichkeiten zu genießen. Man fuhr dorthin, um Spaß zu haben. Und das passiert bei einem Autotreffen nun einmal auf vier Rädern – mit allem, was dazu gehört. Sicher rankten sich zahlreiche Mythen um den Wörthersee, der dieses Verlangen noch befeuerten. Von wilder Action wurde berichtet, die man sonst nirgendwo findet. Und das war schon vor den sozialen Medien so, die noch eine entscheidende Rolle spielen sollten.

Wer also sagt, er fuhr wirklich nur nach Reifnitz, um auf Gartenbänken zu sitzen und bei einem Eis parkende Autos zu bestaunen, dem gratuliere ich sehr herzlich. Die meisten taten das aus anderen Gründen. Dass es Burnouts, Raserei, Motorgeheule und – zugegeben – auch Unfälle gab, sind kein Phänomen der jüngeren Zeit. Das war immer schon so. Früher spielte sich das alles aber in einem weit kleineren Rahmen ab, dauerte nicht drei Wochen, und die Autos waren nicht einmal halb so stark und nicht einmal halb so viele wie heute. Oder um es anders zu sagen: Wirklich geil wurde das GTI Treffen erst durch den halblegalen Touch, der in unserer runterreglementierten Zeit einfach einen unvergleichlichen Reiz ausübt. Einmal wild sein. Sich nicht immer an alle Regeln halten. Das rechtfertigt gewiss keine Gesetzesübertretung. Zeigt aber schön, dass das menschliche Hirn einfach immer gleich tickt: In der Menge wird man anonym, lässt sich mitreißen und verliert seine Hemmungen.

Und ich meine, der verwegene Ruf macht doch gentrifizierte Stadtteile erst so reizvoll, auch wenn man dann nicht Crack dealen sondern einfach nur dort wohnen möchte. Und jede Großveranstaltung muss mit diesem Phänomen dealen. Das friedliche Woodstock sah nach dem Ende des Konzerts aus wie eine Müllhalde, und alles, was dort konsumiert wurde, war sicher nicht hochoffiziell. Fußballmatchs können mit wilden Raufereien und verwüsteten Toilettenanlagen und Innenstädten enden, was beides nicht unbedingt begrüßenswert ist. Sprich: Es gibt immer die wenigen, die für Randale sorgen und das Image einer friedlichen Masse mit Schmutz bewerfen. Wenn ein Event wie der Wörthersee aber einmal eine Größe erreicht, die nicht nur ein Stadion, eine Wiese oder auch nur einen Ort vereinnahmt, ergibt das automatisch auch eine Menge, die nur mehr statistisch als Minderheit angesehen werden kann. Und die versteht es nur zu gut, eine ganze Region zu terrorisieren, indem sie Spaß hat.

Wer denken kann, wusste schon vor Jahren, dass dieser Tag so oder so einmal kommen würde. Und wer Anrainer kennt, bewundert vor allem deren unglaubliche Toleranz, mit der viele diese Zeit über sich ergehen haben lassen. Das spricht auf der anderen Seite zeitgleich für eine gewisse Art von Ignoranz der Teilnehmer, wenn in Foren und Gruppen gerne geschrieben wird, man lasse ja so viel Geld in der Region. Als ob man damit jeglichen Wahnsinn rechtfertigen könne, sehen das erschreckend viele als Freibrief, sich völlig hemmungslos zu benehmen. Nur bleibt die Frage, wie sehr die Region wirklich von den Treffen-Wochen profitiert. Sicher gibt es Hotelketten, die ein paar Zimmer vermieten können, oder Parkplätze, die auf einmal absurd hohe Tarife veranschlagen. Nur erstens könnten sie das sonst mit herkömmlichen Gästen machen. Und zweitens konsumiert die große Mehrheit der Bevölkerung vor Ort nur ewig lange Staus, eventuell noch vollgekotzte Vorgärten oder zahllose Straßenschäden, die ja auch irgendjemand ausbessern und bezahlen muss.

Natürlich war man sich dieses Problems schon lange bewusst und versuchte, irgendwie gegenzulenken. Das führte vor knapp 25 Jahren zu einem komplett gesperrten Reifnitz, in das man nur mehr mit Einfahrtsticket einfahren durfte, was aber erst das Phänomen der Vor- und Nachtreffen aufbrachte, die sich auf die ganze Region ausdehnten. Das hat meiner Meinung nach zwei Effekte gebracht: Zum einen gab es neue große Hotspots, die immer beliebter wurden. Harmlos war noch die große Tanke bei Velden. Wilder schon die Turbokurve, bei der es nur darum ging, mit vollem Karacho an der großen Fangemeinde vorbeizuknallen. Der Auflauf an diesen Stellen war zum Schluss schon dermaßen immens, dass jeder, der VW buchstabieren kann, eigentlich hätte bemerken müssen, dass man leider nicht mehr von einer Minderheit sprechen kann, die für Wirbel sorgen. Das war eine echte Freakshow mit sündteuren Geräten, bei denen es nur um eines ging: Stoff geben. Und dass es nur Unfälle mit Blechschaden gab, kann wirklich nur als Glück bezeichnet werden.

Der zweite Effekt: Das eigentliche Treffen in Reifnitz wurde zunehmend uninteressanter. Die Szene organisierte sich lieber selber, das offizielle Programm war eh fad, die Ausstellerzelte stickig, die Sauf- und Fressbuden gefühlt nur da, die Teilnehmer abzuzocken. Zugleich zogen sie natürlich ein Publikum an, denen es eher um feuchtfröhliche Freuden ging, für deren Eskapaden alle aber büßen mussten. Ein grundsätzliches Problem also, das es schon Anfang der 1990er gab, und für das schon seinerzeit niemand eine Lösung parat hatte. Weil sehen wir die Sache realistisch: Hier ging es stets um Autos, die davon lebten, Fahrspaß zu bieten. Schnell zu sein. Cool zu sein. Das passiert aber nicht, wenn sie nur auf einer Wiese herumstehen. Dass sich dieses Meeting also immer mehr verselbstständigt hat, dürfte auch jedem klar machen, dass es völlig egal ist, ob es nun einen offiziellen Rahmen gibt oder eben nicht. Es kann schließlich keinem verboten werden, mit seinem Auto nach Kärnten zu fahren und dort etwas essen zu gehen. Und egal ob Gardasee, Plattensee oder sonst ein anderes Wasser: Es wird nicht möglich sein, einen Ersatz zu organisieren. Wörthersee bleibt Wörthersee, daher geht es jetzt halt eben einfach so weiter – wie eigentlich die letzten Jahre auch schon.

Natürlich tut es mir leid für alle, die wirklich vernünftig an das Thema herangingen. Um sich einfach nur Autos anzusehen oder ganz nebenbei Urlaub zu machen. Vielleicht ist es auch eine Frage des Alters, aber erst Recht sollte dann jedem klar sein, dass die Zeiten der automobilen Tollerei ein für alle Mal vorbei sind. Das Auto ist und bleibt ein leicht auszumachendes Feindbild. Es produziert CO2, Lärm, nimmt viel Fläche ein. Dem generellen Misstrauen tun ausartende Treffen keine guten Dienste. So friedlich man das Treffen also auch angegangen ist: Selbst ein stehendes, aufpoliertes, auf Turbo umgebautes und wild tiefergelegtes Kfz strahlt vor Ort einfach automatisch etwas Negatives aus und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht ganz legal. Ganz egal, wie rechtschaffend der oder die Besitzer:in auch sein mag. Ganz nebenbei führte der permanente Drang, im nächsten Jahr noch etwas draufsetzen zu müssen, zu einem Wettlauf der Extreme. Geld spielte bei vielen keine Rolle mehr. Es ging oft nur mehr darum, andere zu übertrumpfen, so als ob man sein Auto nicht für sich, sondern eher für alle anderen gebaut hat. So galt es oft als gängige Praxis, erst nach dem Treffen online auf Teilesuche zu gehen, weil viele dann eh schon wieder dabei waren, den Umbau für das nächste Jahr zu starten und sich der Sachen zu entledigen, die man nicht mehr benötigte.

Man kann also durchaus von einer Überdrehtheit sprechen, die sich selbst immer höherputschte. Erst recht, als es online anfing, richtig rund zu gehen. Die Eingangs erwähnten sozialen Medien befeuern dieses Bild natürlich ungemein, wenn man mit ein paar Klicks sich Tageszusammenfassungen der besten Action vor Ort ansehen kann. "Der See" wurde endgültig zum Manifest PS-geschwängerten Wahnsinns, den man sich unbedingt live geben muss. Immerhin ist man mittlerweile so schlau und verpixelt in den Videos die Kennzeichen. Aber Kameras, die auf einen gerichtet sind, bewirken bei einer Vielzahl automatisch eine gewisse Hemmungslosigkeit. Die berühmten zehn Sekunden Ruhm, selbst wenn es nur auf einer niederrangigen Landstraße oder im Zentrum von Velden ist.

Was lernen wir also daraus? Streng genommen, dass wir nichts gelernt haben. Das jetzige Verbot kündigte sich schon seit Jahrzehnten an, es war aber jedem ziemlich egal. Einer einzelnen Partei die Schuld zu geben, würde nichts bringen – es wäre sowieso nicht zu vermeiden gewesen. Wie die Episode nach dem Abgang des Anhalters ausging? Wir klingelten beim nächstbesten Haus an und schnorrten uns ein Stückchen Draht, um den Auspuff provisorisch festzubinden. Das reichte, um weiterzufahren. Ob eine derartige Hilfsbereitschaft heute noch einem Teilnehmer des Wörthersee-Meetings entgegenschwappen würde, ist eher unwahrscheinlich. Ich würde es verstehen.

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