
Korrosions-Probleme durch Salzstreuung | 29.02.2016
Eingesalzen
Aufgrund der Salzstreuung mit Kalziumchlorid feierte der Rost unerwartete Auferstehung. Wir erklären Hintergründe und Gegenmaßnahmen.
Text: Georg Koman
Fotos: ASFINAG (2), ADAC (1), Porsche Austria (1), Kia (1)
Rost galt in früheren Zeiten als die natürliche Todesursache von Autos – mit der Einführung verzinkter Karosserien verlor er jedoch komplett seinen Schrecken.
Seit ein paar Jahren finden sich aber plötzlich wieder Rostspuren an Autos, und so manches Fahrwerksteil korrodiert mit ungeahnter Heftigkeit.
Schuld daran ist die seit 2003 im winterlichen Österreich stark intensivierte Salzstreuung. Zu diesem Zeitpunkt war die Diskussion um Feinstaubbelastung aufgrund von Splittstreuung auf dem Höhepunkt.
Der von Autoreifen zermahlene Splitt erwies sich im Spätwinter als ausgemachte Staubschleuder, da erschien Salz als das geringere Übel. Der dadurch wiedererweckte Rostfraß machte sich erst ein paar Jahre später, dafür umso heftiger, bemerkbar.
Grundsätzlich gilt: Je älter der fahrbare Untersatz, desto markanter der Rostfraß. Allerdings kann es auch bei sehr jungen Autos zu sichtbaren Rostschäden kommen, im Fokus stehen vor allem Bremsscheiben, Luftleitbleche der Bremsen, Auspuffteile, diverse nicht tragende Fahrwerksteile und fallweise auch Karosserieteile.
Grundsätzlich kommen mehrere Streumittel zum Einsatz. Hauptverwendung findet Natriumchlorid (NaCl), also das klassische Kochsalz. Es ist am kostengünstigsten und gleichzeitig relativ harmlos in Sachen Rostentwicklung. Aber: Bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt wird es in Sachen Tauwirkung zäh.
Deshalb mischen der österreichische Autobahnerhalter Asfinag sowie die Gemeinde-Winterdienste unter -7 Grad Kalziumchlorid als Zusatzstreumittel bei. Und genau darin liegt der Hund begraben: Kalziumchlorid (CaCl) ist extrem hygroskopisch, es zieht Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft viel stärker an als Natriumchlorid. Und es ist via herkömmlicher Autowäsche kaum zu entfernen, jedenfalls nicht in Ritzen und Falzen.
Johann Schmidinger, Leiter Service und Technik bei Porsche Austria (Bild rechts), hält deshalb fest, dass Garantiezahlungen in Österreich etwa zehnmal so hoch seien wie in der wettermäßig gut vergleichbaren Schweiz oder im südlichen Deutschland, wo gar kein CaCl zum Einsatz kommt.
Schmidinger: „Die Garantieleistungen von Österreichs Autoimporteuren sind auch deshalb so hoch, weil man sich in vielen Bereichen kulant zeigt.“ Echte Durchrostung (nur gegen diese wird garantiert) kommt trotz Kalziumchlorid selten vor, aber Rost ist ein heikles Thema und welcher Autohersteller sieht sein Produkt schon gern als „Rostlaube“ verschrien?
CaCl wird in Österreich nicht aus Jux und Tollerei eingesetzt – es ist schließlich deutlich teurer –, sondern vor allem aufgrund der hierzulande wesentlich schärferen Wegehalterhaftung. Diese sieht auf Autobahnen gar eine Beweislastumkehr vor.
Sprich: Rutscht man im Winter von der Schnellstraße und beschädigt sein Auto, muss die Asfinag nachweisen, dass der Unfall NICHT auf Glatteis zurückzuführen war. Auf allen Gemeindestraßen muss hingegen der Autofahrer den Beweis FÜR Glatteis als Unfallursache erbringen.
Bei der Asfinag versucht man deshalb seit langem, das Thema Salzstreuung wissenschaftlich zu erfassen. Georg Steyrer, Winterdienst-Experte der Asfinag (Bild links), erläutert: „Um das Salz ohne große Streuverluste ausbringen zu können, wird es in Form einer Sole (Wasser-Salz-Gemisch) auf die Straße gebracht, idealerweise vor dem Fall von Schnee oder Eisregen.“
Bei Temperaturen unter -7 Grad betrage das Gemisch grundsätzlich 70% NaCl, 8% CaCl und 22% Wasser. Für gewöhnlich werden maximal 10 Gramm pro Quadratmeter gestreut.
Große Gemeinden seien laut Steyrer auf dem gleichen aktuellen Wissensstand wie die Asfinag, in kleineren Gemeinden, in Skigebieten und auch auf Gehsteigen würde allerdings häufig nach dem Grundsatz: „Je mehr, desto besser“ verfahren. Zehn Gramm Salz pro Quadratmeter seien faktisch unsichtbar. Sehe man Salzspuren auf dem Boden, könne jeder Laie sofort ein „Zu viel“ attestieren.
Außerdem habe man die Menge von Kalziumchlorid in den letzten Jahren laufend reduziert, so Georg Steyrer. Dies sei wissenschaftlichen Erkenntnissen und modernisierten Ausbringungsmethoden geschuldet. Aber wohl auch den milden Wintern der letzten Jahre.
Immer wieder werden Stimmen laut, die die Forcierung alternativer Streumittel fordern. Davon gibt es eine ganze Menge, meist sind sie aber weniger effektiv oder deutlich teurer als CaCl. In diesem Zusammenhang wird häufig „Safecote“ auf Zuckermelasse-Basis genannt. Darauf gibt es allerdings ein Hersteller-Monopol, weshalb der Preis für die meisten Gemeinden und die Asfinag wirtschaftlich nicht darstellbar sei.
Was tun die Autoimporteure gegen den Rost, abseits des kulanten Tauschs besonders angegriffener Teile wie Radlager? Johann Schmidinger (Porsche Austria): „Wir schützen die Fahrwerksteile bei Neuwagen in Österreich zusätzlich mit Wachs.“
Bei Kia, wo man aufgrund der einzigartigen 7-Jahres-Garantie besonderes Augenmerk auf das Salz-Problem legen muss, setzt man auf eine weitere Schutzmaßnahme.
Kia-Austria-Sprecher Gilbert Haake (Bild rechts): „Die Partner sind angehalten, ihren Kunden das Aufbringen von Spritzfett zu empfehlen. Am einfachsten geschieht das beim Neuwagen, da dann der Vorreinigungsaufwand entfällt. Eine solche Behandlung hält zwei bis drei Winter.“ Kostenpunkt: rund 250-300 Euro.
Wem das zu teuer erscheint, der sollte auf häufigere Autowäsche nach winterlichen „Salzfahrten“ setzen und dabei jedes Mal den Punkt „Unterbodenwäsche“ mitwählen. Die verschönert das Auto nicht, hilft aber, Geld zu sparen.
Zusätzlich sollte man nach jedem Winter selbst Hand in Form einer Lanzenwäsche anlegen und sich dabei besonders intensiv dem unteren Teil des Autos widmen. Wenig verlockend, aber allemal reizvoller als ein vom Salz erzwungener Tausch von Bremsscheiben & Co.