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Das Schlachtross

Heuer vor 25 Jahren begann eine der größten Erfolgsgeschichten des Motorsportes: 1982 nahm der Porsche 956 sein erstes Rennen unter die Räder.

Johannes.Gauglica@motorline.cc

1982: Man trug wieder Dach

Mit Beginn der Saison 1982 stellte die Sportwagen-Weltmeisterschaft auf eine neue Formel um, die sogenannte Gruppe C. Wichtigstes äußeres Erkennungsmerkmal: Das Dach. Erstmals seit über einem Jahrzehnt waren die Sportwagen wieder geschlossen. Porsche hatte in den 1970ern mit einem Engagement auf Sparflamme und dem aus größtenteils bereits vorhandenen Komponenten „auf die G’schwinde“ zusammengebauten Typ 936 dreimal die 24 Stunden von Le Mans gewonnen; für das neue Reglement war man von Anfang an gewappnet.

Die Gruppe C war eine Verbrauchsformel; Art und Hubraum des Motors waren freigestellt, man musste jedoch mit einer vorgegebenen Treibstoffmenge auskommen. Der neue Typ 956 hatte einen Turbo-aufgeladenen, ursprünglich für Indianapolis konzipierten 2,65l-Sechszylinder-Boxer im Heck. Der Rest des Chassis, inklusive der Aerodynamik mit Venturi-Unterboden und „Ground Effect“, war neu.

Massenprodukt

Drei Werksautos wurden für die Sportwagen-WM 1982 vorbereitet, das erste Rennen im Mai 1982 brachte einen zweiten Platz. Das war die letzte „Niederlage“ eines 956 für sehr, sehr lange Zeit. Die 24 Stunden von Le Mans wurden zur 956-Show, die drei vom Werk eingesetzten Autos belegten auch gleich die ersten drei Plätze. Spätestens da begannen sich in Stuttgart die Auftragsbücher für Kunden-956er zu füllen.

Anders als beim 936, von dem nur insgesamt fünf Stück gebaut wurden, bot Porsche den 956 auch zum Verkauf an. Zweistellige Produktionszahlen sind für Rennwagen normalerweise ein Erfolg; nach diesen Maßstäben gehören der 956 und sein Derivat 962 zu den Megasellern des Motorsportes. Vom 956 wurden 28 Chassis gebaut, die modifizierte Variante 962 startete dann richtig durch.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass einige Fahrer in 956ern ihr Leben verloren, so zum Beispiel Jo Gartner, Stefan Bellof oder Manfred Winkelhock.

Cousin 962

Die Hauptunterschied des zuerst für die amerikanische IMSA-Meisterschaft gebauten 962 waren der größere Motor (zuerst 2,8l, später 3,2l) und der längere Radstand: In Amerika mussten aus Sicherheitsgründen die Füße des Fahrers hinter der Vorderachse sein. Als 962C löste diese Variante schließlich auch in Europa den 956 ab, aber nicht bevor dieser viermal Le Mans und die WM gewonnen hatte.

Der 962C setzte diese Karriere auf bemerkenswerte Weise fort; bis in die 1990er sollte dieser Typ das Rückgrat der Sportwagenszene bilden und mehrere unerwartete Comebacks feiern. Die meiste Zeit gab es vor allem für private Teams praktisch keine Alternative zum 962. Die Siegesserie begann erst abzureißen, als andere Werke sich in die Gruppe-C-WM einschalteten, nämlich zuerst Jaguar und dann Mercedes.

Ende der ersten Karriere...

Die Briten ließen von Tom Walkinshaws Firma TWR ein komplettes Chassis für ihren monumentalen 7-Liter-Zwölfzylinder zeichnen, später brachte das werksseitige Comeback der „Sterne“ gemeinsam mit dem Team von Peter Sauber den technischen Overkill. Der in Ehren ergraute 962 konnte da nicht mehr ganz mit; motorisch waren die Grenzen der Leistungsausbeute bald erreicht, und der breite Boxermotor war zudem ein Nachteil bei der Ausnutzung des Ground Effect.

Einzelne Teams (wie Joest, Kremer, Brun, oder der amerikanische Rennstall von Rob Dyson) gingen bald ihre eigenen Wege in der Entwicklung „schärferer“ 962er-Varianten, während das Werk sich langsam von der Weiterentwicklung verabschiedete. Immerhin entstanden bis 1991 insgesamt 93 Stück, für ein Rennauto eine gigantische Zahl! Noch einmal 40 Chassis wurden von externen Firmen gebaut, darunter beispielsweise eine ganze Reihe Monocoques aus Kohlefaser.

Noch 1992 konnte ein Porsche 962 in den USA ein IMSA-Rennen gewinnen; dann endete die Ära der Gruppe C. Die Weltmeisterschaft hörte auf zu existieren, das Sportwagen-Universum implodierte. Ende der Story? – Mitnichten.

Winkelzüge

Der deutsche Sportwagenhändler und Teamchef Jochen Dauer entwickelte 1993 für seine betuchten Kunden eine Straßenversion des 962, das Werk erkannte die Chance für einen cleveren Schachzug und homologierte den Dauer 962 für 1994 als GT-Fahrzeug, also als „Produktionswagen“ – und schaffte mit dieser, streng genommen eigentlich nicht ganz sauberen, Aktion tatsächlich ganze zwölf Jahre nach dem Debüt noch einen Le-Mans-Sieg. Und auch danach war noch nicht Schluss.

Dach ab

Alte Porsche sterben nicht, sie werden umgebaut. Die Brüder Kremer waren die ersten Käufer eines Kunden-956ers und gehörten zu den wichtigsten "Umbauern" überhaupt; sie hatten in der Folge großen Anteil an der privaten Weiterentwicklung des 956 und 962. Und sie bauten mit den Modellen K7 und K8 eine Variante ohne Dach. Komplett überraschend gewann dieses Auto 1995 die 24 Stunden von Daytona, danach wurden Turbomotoren dort sicherheitshalber ganz verboten...

Bis 1998 trat Kremer Racing noch mit den offenen K8 in Le Mans an. Dann war die Karriere des Porsche 956/962 nach immerhin 16 Jahren endgültig beendet, das treue Stuttgarter Schlachtross durfte in Pension gehen. Und dreht heute vergnügt wie eh und je im historischen Rennsport seine Runden.

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