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Legende in Silber: Caravans von Airstream

Im Windschatten des Abenteuers

Silbernes Gehäuse und Stromlinienform: seit mittlerweile mehr als 70 Jahren werden Airstream-Caravans über die Straßen gezogen.

mid/gp

Die rollenden Unterkünfte der Wohnwagenschmiede Airstream sind mittlerweile nicht nur in den USA berühmt. Seit mehr als 70 Jahren werden die besonders leichten Anhänger über die Straßen gezogen.

Heute wie damals sind die Caravans an ihrem silberfarbenen Aluminium-gehäuse und ihrer Stromlinienform zu erkennen.

Eine Idee kommt ins Rollen

Die Idee für die rollenden aerodynamischen Unterkünfte wird im Jahr 1929 geboren, als der Amerikaner Wallace Merle Byam, genannt Wally, das Fahrgestell eines Ford Model T an sein Auto hängt, auf einen Campingplatz fährt und dort sein Zelt auf der Plattform aufbaut.

Da dies allerdings nicht sonderlich komfortabel ist, wie vor allem Ehefrau Marion findet, sucht Wally nach einer anderen Lösung und baut auf dem Fahrgestell eine Dauerunterkunft. Diese ist tränenförmig gestylt und verfügt über einen Kerosinofen und einen kleinen Kühlschrank. Wie fast alle Wohnwagen zur damaligen Zeit ist auch Wallys Caravan recht simpel aus Leinwand und Sperrholz gebaut.

Die Zufriedenheit seiner Frau mit der rollenden Behausung ist vielleicht mit dafür verantwortlich, dass Wally unter der Überschrift "Wie man für 100 Dollar einen Wohnwagen baut" einen informativen Artikel über seinen Selbstbau im Magazin "Popular Mechanics" verfasst. Die Leser seines Beitrags gieren nach weiteren Infos und nach einer detaillierten Bauanleitung.

Der Herausgeber des Magazins bittet ihn, eine solche Anleitung für zehn Cent pro Stück zu verschicken; doch der Geschäftsmann Wally entschließt sich dazu, eine Anzeige im Popular Mechanics zu veröffentlichen.

Dort bietet er sein "vervielfältigtes Büchlein mit Zeichnungen" zum Nachbau seines Wohnwagens für einen Dollar das Stück an. Eine lohnende Idee:

Das große Interesse seiner Mitbürger bringt ihm mehr als 15.000 Dollar ein, für damalige Zeiten eine anständige Summe Geld.

Eigene Fertigung

Eines Tages fragt ihn ein offenbar handwerklich wenig geschickter Nachbar, ob Wally ihm einen Wohnwagen bauen könne. Kaum ist dieser Caravan fertig, will der Nachbar eine Tür weiter auch einen haben. Im Jahr 1932 stehen die ersten Wohnwagen zum Verkauf.

Wally Byam nennt sie "Airstream" - denn, so seine Erklärung, sie bewegen sich auf der Straße wie ein Luftzug - "like a stream of air." Das Geschäft mit Wohnwagen boomt in den USA; im Jahr 1932 gibt es in Amerika 48 Hersteller, fünf Jahre später liegt ihre Zahl bei mehr als 400.

Aber lediglich Airstream hat bis heute überlebt. Man verkauft in den ersten Jahren komplett ausgestattete Wohnwagen, seine Bauanleitungen und Bausätze.

Im Jahre 1935 kauft Byam die Bowlus-Teller Trailer Company. Deren Begründer, von Beruf Luftfahrtingenieur, konstruiert seine stromlinienförmigen Wohnwagen wie ein Flugzeug ohne Flügel: ein Monocoque aus Aluminiumrohr, beplankt mit genieteten Aluminiumtafeln.

Resultat dieses Konstruktionsprinzips ist eine hohe Stabilität bei gleichzeitig geringem Gewicht. Nach der Übernahme werden kleine Veränderungen am Grundkonzept vorgenommen:

Die Tür etwa wandert von der Frontpartie an die Seite, da der Einstieg über die Deichsel doch etwas unbequem ist.

Dann werden die einstigen "Road Chiefs mit ihrem damals hochmodernen Art-Deco-Design als "Airstream Clipper" verkauft, eine Hommage an die früheren großen Segelschiffe im Fernhandel ebenso wie an die seinerzeit bekannten Flugboote der Fluggesellschaft Pan Am.

Alles beim Alten

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte gibt es nur fünf Änderungen im Design der Airstreams. Bis heute ist durch alle Modellgenerationen die Familienähnlichkeit augenfällig.

Als bekennender Perfektionist versucht Byam alle Mängel, die ihm von Kunden mitgeteilt werden oder die er selbst auf seinen Reisen feststellt, abzustellen. Sein Wahlspruch: "Wir machen keine Veränderungen - nur Verbesserungen."

Der Zweite Weltkrieg stoppt die Produktion, denn für zivile Zwecke ist kein Aluminium mehr zu bekommen. Wally Byam landet bei der Flugzeugfirma Curtiss-Wright.

Nach dem Krieg baut er mit diesem Unternehmen Wohnwagen, die dem Airstream sehr ähnlich sehen, allerdings über einige Verbesserungen verfügen, die man sich aus dem Flugzeugbau abgeschaut hat.

Meinungsverschiedenheiten führen zu Wallys Ausscheiden aus der Firma, er gründet die Airstream Trailers Inc. Noch heute wird jeder Airsteam nach den Regeln der Handwerkskunst der ersten Airstream-Erbauer gefertigt.

Lauter Nieten!

Die Aluminiumleisten und die Rippenstruktur werden sorgfältig von Hand mit mehreren tausend Nieten befestigt. Ergebnis ist ein leichter und stabiler Aufbau, der sich auch ohne zusätzlichen Rahmen selbst trägt.

Zuerst werden der Schalenrumpf und das Fahrgestell montiert. Bevor die Innenhaut und die Möblage eingebaut werden, testet Airstream in einem eigenen Windkanal jedes Fahrzeug auf Dichtigkeit. Dadurch kann sofort jedes Leck erkannt und behoben werden.

Und: Alle Teile, von den Möbeln bis zu den eingebauten Geräten, gelangen durch die Tür in den Caravan. So ist jeder Teil auch bei Reparaturen leicht zugänglich und kann einfach ersetzt werden.

Somit werden die Airstreams wohl noch lange über die Straßen der Welt rollen, ganz im Sinne des 1962 verstorbenen Wally Byam: "Das Abenteuer ist überall, wo du es suchst - außer zuhause in deinem Schaukelstuhl."

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