Achtung, fertig, Autokindersitz | 18.03.2021
Was beim Kauf eines Autokindersitzes zu beachten ist
Ein passender Autokindersitz ist gesetzlich vorgeschrieben – doch welcher passt für mein Kind und in unser Auto? Wo bekomme ich einen wirklich geeigneten Sitz? Worauf muss ich beim Kauf noch achten? Viele Fragen – wir haben, gemeinsam mit Kindersitz-Experten Peter Jahn die richtigen Antworten und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung rund um den Autokindersitz-Kauf.
Petra Walter
Die Auswahl an Kinderschutzsystemen (KiSS) fürs Auto ist schier unendlich groß. Nicht verwunderlich, dass der Kauf eines Autokindersitzes für Neo-Eltern eine ziemliche Herausforderung ist. Viele Fragen tauchen auf, sowohl beim ersten Kind als auch bei Geschwisterkindern: Welches System ist geeignet? Welches KiSS passt in mein Auto? Kann ich den bereits verwendeten Sitz für ein weiteres Kind verwenden? – Keine Sorge, mit unserer übersichtlichen Kaufanleitung sind Sie gut gerüstet. Und Sie sind ja nicht nur gesetzlich verpflichtet, Ihr Kind bis zu 14 Jahre und mindestens bis zu 1,35 Meter mit einer entsprechenden Rückhaltevorrichtung zu sichern, sondern es ist auch in Ihrem Sinn, es optimal zu schützen. Auch wenn ein Autokindersitz auf den ersten Blick „teuer“ erscheint, bedenken Sie: „Alles in allem belaufen sich die Kosten für drei unterschiedliche Kindersitz-Modelle, die Ihr Kind im Laufe seines Wachstums brauchen wird, auf rund 1.000 Euro“, so Kindersitz-Experte Peter Jahn. „Das sind nicht einmal sechs Euro pro Monat. Für die Sicherheit Ihres Kindes, weil es Ihnen das wert ist. Für Spielzeug oder Schokolade wird meist weit mehr ausgegeben.“
Erstellen Sie eine Checkliste
Bevor Sie sich auf die Suche nach dem geeigneten KiSS und in Ihren Fachhandel begeben, sollten Sie nachfolgende Fragen beantworten bzw. klären. Damit erleichtern Sie sich und Ihren BeraterInnen aus dem Fachhandel die Wahl bzw. Entscheidung.
• Wenn die Babyschale vor Geburt des Kindes gekauft wird: Trägt sie ein ECE-Prüfzeichen (ECE R 44/04, ECE R 129)?
• Wie groß und schwer ist mein Kind?
• In welchem/n Auto/s wird die Babyschale/ der Kindersitz montiert (Marke, Modell und Baujahr)?
• Hat das Auto bereits besondere Ausstattungen und wenn ja, welche (zum Beispiel Isofix, Bodenstaufächer, Top Tether, Gurt Airbags etc.)?
• Wer fährt noch regelmäßig mit (Geschwister, Großeltern, Hund etc.)?
• Gibt es weitere Fahrzeuge, in denen Ihr Kind gelegentlich mitfahren wird (Marke, Modell, Baujahr)?
• Was empfiehlt der Hersteller Ihres Autos hinsichtlich KiSS?
• Informieren Sie sich bei Testberichten oder entsprechenden Stellen über Babyschalen und Autokindersitze, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was gefragt, gut und geeignet ist (zum Beispiel oeamtc.at, arboe.at, adac.de, autokindersitz.at), und notieren Sie sich drei Schalen/Sitze davon, die Ihnen gefühlsmäßig zusagen.
• Wählen Sie eine gut sortierte und professionelle Verkaufsstelle mit einer kompetenten Beratung.
• Um herauszufinden, ob die/der Berater/in
auch wirklich kompetent ist, setzen Sie sich (telefonisch oder direkt) mit ihr/ihm in Verbindung. Stellen Ihnen diese den Großteil dieser hier aufgelisteten Fragen, können Sie davon ausgehen, dass die Beratung fachkundig ist und Ihnen nicht der teuerste, sondern der geeignetste Auto-Kindersitz verkauft wird.
Auf zum Kindersitz-Kauf!
Haben Sie Ihre To-do-Liste aus dem vorigen Absatz erledigt und eine geeignete Verkaufsstelle gefunden, dann geht’s los zum Probesitzen und Montieren.
• Nehmen Sie Ihr Kind und Ihr/e Autos auf jeden Fall mit!
• Lassen Sie sich im Idealfall von einem zweiten Erwachsenen begleiten, um in Ruhe mit dem Berater sprechen und probieren zu können.
• Planen Sie genügend Zeit für eine ausführliche Beratung ein.
• Sitze und Babyschalen müssen das ECE-Prüfzeichen ECE R44/04 oder ECE-129 (i-Size) tragen.
• Bei Isofix-Sitzen muss gecheckt werden, ob der Sitz für das jeweilige Auto freigegeben ist (Fahrzeugtypenliste).
• Lassen Sie sich alle Funktionen des Kindersitzes im Geschäft vorführen.
• Lassen Sie sich das korrekte Anschnallen Ihres Kindes zeigen.
• Probieren Sie die Montage des Kindersitzes und Anschnallen Ihres Kindes in Ihrem eigenen Auto unter Anleitung des Beraters / der Beraterin aus.
Tut’s ein Gebrauchter auch?
Eins vorweg: Selbst der teuerste Kindersitz hat nur eine begrenzte Haltbarkeit: Materialien werden spröde oder rissig, und die gesetzlichen Vorschriften ändern sich mit der Zeit. Sollten Sie sich also aus Kosten- oder anderen Gründen für einen Secondhand-Kindersitz/eine Babyschale entscheiden, bitte nur dann, wenn alle folgenden Punkte bestätigt werden können:
• Der Kindersitz entspricht mindestens der ECE R44/04 Norm.
• Der Kindersitz ist maximal vier Jahre alt (nach etwa sechs Jahren geht man davon aus, dass das Produkt technisch veraltet ist).
• Es gibt eine Montageanleitung.
• Alles Zubehör (laut Montageanleitung) ist vorhanden.
• Gurte und Gurtführungen sind intakt.
• Alle Schlösser/Verschlüsse sind in Ordnung und funktionieren.
• Die Vorbesitzer sind Ihnen bekannt bzw. vertrauenswürdig.
• Das Sitzinnenleben (Bezug abnehmen und schauen) ist ohne Risse oder Dellen.
• Der Kindersitz passt zu Ihrem Kind und Ihrem Auto.
Wichtig zu wissen: Die Verwendung von Kindersitzen mit dem ECE-Prüfzeichen R44/01 und 02 ist verboten. Kindersitze der Norm R44/03 dürfen noch verwendet, aber nicht mehr verkauft werden, weder neu noch gebraucht!
Qualität an erster Stelle
Zu guter Letzt, denn man kann es nicht oft genug erwähnen, wollen wir Ihnen nochmals ans Herz legen: Sparen Sie nicht beim Kindersitz, und investieren Sie in einen guten und geeigneten Neuen oder auch geeigneten guten Gebrauchten (meist besser als ein billiger Neuer), und nehmen Sie sich Zeit für Kauf und Probe. Denn SIE sind die wichtigste Verbindung zwischen Ihrem Kind und Ihrem Auto.
KOMMENTAR Peter Jahn
Peter Jahn ist Vater und Großvater und rief vor über 20 Jahren das Projekt „Autokindersitz.at“
ins Leben. DER Experte in Sachen Autokindersitze plädiert dafür, dass jedes Kind den perfekt passsenden und korrekt sitzenden Kindersitz bekommt, der konsequent verwendet wird.
Nehmen Sie sich Zeit für die Sicherheit Ihrer Kinder im Auto!?
Mythos: Der Testsieger bestimmt darüber, welcher Kindersitz der beste ist?
Vergleichende Warentests eignen sich sehr gut dafür, um sich einen Überblick über die neuesten Produkte am Markt zu verschaffen. Die Tests der letzten zehn bis 15 Jahre zeigen auch, dass die meisten der Produkte auf einem sehr hohen Niveau sind. Der beste Kindersitz hilft aber nichts, wenn die Eltern die Bedienungsanleitung nicht lesen, den Kindersitz nicht richtig ins Auto einbauen und/oder das Kind darin nicht richtig sichern. Nicht das Produkt muss Testsieger sein, sondern die Eltern, die den Kindersitz richtig verwenden!
Mythos: Kindersitze sind so teuer!
Im Schnitt braucht ein Kind von Geburt bis zum Erwachsenengurt drei geeignete Kinderrückhaltesysteme:
• Babyschale mit Basisstation (0 bis 1,5 Jahre): Kostenpunkt 400 Euro
• Kleinkindersitz (1 bis 4 Jahre) rückwärts/vorwärts, geschlossene Schale, meistens Hosenträgersystem: 400 Euro
• Sitzkissen mit Rückenlehne (3,5 Jahre bis fahrzeugeigener 3-Punkt-Gurt verwendet werden kann): 200 Euro
Das macht zusammen 1.000 Euro. Wohl gemerkt: ohne Nachnutzung und ohne Wiederverkaufswert!
Die Schutzkonzepte im Auto sind ganz auf Erwachsene ausgerichtet. Kinder befinden sich noch im Wachstum und brauchen daher speziell angepasste Kinderrückhaltesysteme.
Was kostet die passive Sicherheit von Eltern?
Die gute Nachricht: Das ist alles schon eingebaut – und das ist gar nicht so wenig:
• 3-Punkt-Automatikgurt
• Gurtstraffer
• Gurtkraftbegrenzer
• Aktive Kopfstütze
• verstellbarer Sitz
• Airbags (Kopf, Seiten, Knie etc.)
Auf Basis eines Golf 5 liegt der Wiederbeschaffungswert dieser Schutzeinrichtung bei 1.800 Euro – pro Sitzplatz! Das heißt ein Kind von 0 bis 12 Jahren braucht deutlich weniger Geld als EIN Erwachsener für seine Sicherheit.
Die alles entscheidende Frage:
Wie viel darf es kosten, wenn Ihr Kind bei einem Unfall, den möglicherweise sogar Sie verursacht haben, ohne dauerhafte Behinderung überlebt? Und wenn jetzt rauskommt, dass „weniger auch ausreicht“, dann stellen Sie sich doch vor, SIE wären das Kind und ein Elternteil würde Ihnen so eine Antwort geben …