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Die F1-Stimme vom Rundfunk - Gerhard Prohaska im Interview

Im Autoradio, ob Ö1, Ö2 oder Ö3, berichtet er in Live-Einstiegen vom F1-GP - Gerhard Prohaska war zu Gast bei unserer Serie "F1-Backstage - Österreichs F1-Reporter".

Michael Noir Trawniczek
Fotos: www.medien-pro.at

Im ersten Teil des zweiteiligen Gesprächs mit Gerhard Prohaska, im Rahmen der motorline.cc-Serie "F1-Backstage - Österreichs Formel 1-Reporter", spricht der Radio-Reporter über seinen Job, über die Kunst, in Bildern zu sprechen, über die Distanz zwischen Formel 1-Piloten und Journalisten, über das Phänomen Michael Schumacher und über ein für Prohaska wenig erfreuliches Erlebnis mit Christian Klien.

Gerhard, du bist seit wie vielen Jahren in der Formel 1 tätig?

Seit zehn Jahren. Und ich bin bei etwa 14 Grand Prix pro Saison vor Ort.

Wie kam es zu deinem Job in der Königsklasse?

Ich hab damals unter Heinz Prüller den Sportreporterwettbewerb gewonnen, wodurch ich überhaupt erst beim ORF gelandet bin. Dann hat mich Prüller zum ersten Mal mitgenommen zu einem Grand Prix. Mittlerweile betreue ich die Hörfunksender des ORF in Eigenregie.

Wie sieht so ein GP-Wochenende vom Ablauf her bei dir aus?

Meistens fliege ich am Donnerstag hin, weil ich am Donnerstagmittag an der Rennstrecke sein möchte, um bei den ersten FIA-Pressekonferenzen dabei zu sein. Dann mache ich eben sämtliche Live-Einstiege für Ö1, Ö2 und Ö3 - bis nach dem Rennen. Nach dem Rennen mache ich noch die Beiträge für die nächsten Tage. Am Montag fliegen wir dann zurück - meistens in dem Tross, in dem alle österreichischen Journalisten heimwärts fliegen, das ist ja mittlerweile eine große Familie geworden.

Diese Beiträge sind ja relativ kurz?

In Ö3 sind sie 1:30 Minuten, in Ö1 sind sie 3 bis 4 Minuten lang.

Das heißt, du bist es gewohnt, in aller Kürze das Wesentliche auf den Punkt zu bringen.

Ja - und das Ganze am besten in Bildern.

In hörbaren Bildern?

So dass sich der Hörer Bilder machen kann. Es geht darum, die Situation so zu beschreiben, dass sich der Hörer ein Bild davon machen kann.

Kannst du dafür ein Beispiel nennen?

Egal wie du den Start zeichnest - der Hörer soll, wenn er im Auto sitzt und Autoradio hört, das Gefühl haben, er würde selbst beim Grand Prix-Start sitzen, so dass der Start wie ein Film vor ihm abläuft. Dass er auch merkt, dass ich vor Ort bin.

Hast du eine spezielle Ausbildung absolviert, um im Radio zu moderieren? Und wie bereitest du dich auf eine Sendung oder einen Sendeeinstieg vor?

Ja, ich habe eine Sprecherausbildung absolviert. Vorher spreche ich mich nur ein bisschen ein und dann ist es wichtig, dass du in die Emotion hineinkippst - aber das passiert meistens ohnehin automatisch. Wenn du bei der Start/Ziel-Geraden sitzt, kommt automatisch diese Anspannung.

Lampenfieber?

Nein, Lampenfieber trifft in meinem Fall nicht zu. Ich sehe einfach, wie die Fahrer und Teams ihre Vorbereitungen treffen und dann spürst du schon auch so eine Anspannung. Nervös bin ich jedoch nicht. Wobei gerade der Start am schwierigsten ist - denn du musst ja stets beschreiben was passiert, da darfst du keine drei Minuten Pause machen und wenn dann der Start läuft, konzentrierst du dich auf die ersten zwei, drei Fahrer - denn es ist auf alle Fälle zu vermitteln, wer die Führung übernommen hat, das ist die wichtigste Information.

Sitzt du in einer Kabine?

Ich sitze im Pressezentrum - mit Kopfhörer, Monitore und ISDN-Leitung. Ich habe im Prinzip die gleichen Quellen zur Verfügung wie Heinz Prüller.

Du hast vorhin von einer großen Familie gesprochen - meinst du da nur die Kollegen oder auch die Fahrer?

Ich meine hauptsächlich die Kollegen - weil die Formel 1 ein Sport ist, wo der Kontakt zu den Piloten relativ gering ist. In anderen Sportarten, wie dem Schisport oder Fußball ist das Verhältnis zwischen Sportler und Reporter viel enger als in der Formel 1.

Warum glaubst du ist das so?

Erstens weil die Formel 1 im Gegensatz zur österreichischen Bundesliga eine Weltsportart ist. Beim Schisport sind halt auch weniger Journalisten vor Ort. Zum anderen ist das auch so, weil dieses Bild vom unnahbaren Formel 1-Fahrer von einem Piloten zum nächsten überliefert wird. Und weil die Piloten dieses Bild auch relativ schnell annehmen, dass sie die Distanz zu den Journalisten bewahren wollen. Was meiner Meinung nach ein bisschen schade ist.

Weil die Piloten Angst haben vor den Journalisten?

Nein, Angst ist es nicht.

Es ist ja bekannt, dass die Piloten auch von den Teams, den Herstellern dazu angehalten werden, möglichst wenig zu verraten und damit auch möglichst wenig zu sagen. Meinst du, dass es aber zudem auch an den Piloten selber liegt und nicht so sehr an ihren Verträgen?

Ja, es liegt zu einem großen Teil auch an den Piloten selbst. Dass sie diesen engen Kontakt nicht halten, liegt aber natürlich auch am Ablauf eines Grand Prix-Wochenendes. Ein F1-Fahrer hat einen viel stressigeren Ablauf, hat viel mehr Termine als beispielsweise ein Fußballer. Durch die ganzen PR- und Pressetermine sind die F1-Piloten in ein relativ enges Korsett gezwungen - trotzdem bin ich der Meinung, dass der Kontakt zu den Journalisten ein engerer sein könnte.

Hast du mit einem der Piloten eine Freundschaft geschlossen?

Freundschaft - das sind Zweckgemeinschaften, die sehr gut funktionieren. Und ja - ich freue mich, wenn ich den Alexander Wurz oder den Christian Klien sehe. Es ist aber nicht so, dass mich der Wurz, wenn er in Wien ist, anruft und sagt: 'Gehen wir auf ein Bier!'

Du würdest ihn schon anrufen und auf ein Bier einladen?

Ich komme sehr selten nach Monte Carlo. Aber es ist schon so, dass wir bei dem einen oder anderen Grand Prix gemeinsam essen gehen. Aber noch einmal: Der Kontakt in anderen Sportarten ist enger.

Wo dich also ein Schifahrer anruft, wenn es ihm schlecht geht?

Naja, wenn es ihm schlecht geht - er wird mir jetzt nicht seine Seele ausschütten aber auch wenn ich unterwegs bin habe ich zu anderen Sportlern einen engeren Kontakt. Zu Patrick Friesacher hatte ich einen freundschaftlichen Kantakt.

Den hat man ja ziemlich abmontiert, nicht wahr?

Ja.

Wie hast du das erlebt?

Für mich gibt es zwei Kategorien von Fahrern: Zu der einen Kategorie zählt der Michael Schumacher, der Fernando Alonso und aus österreichischer Sicht der Alex Wurz - das sind Piloten, die für ein Ziel arbeiten. Die anderen Fahrer sind einmal zufrieden, wenn sie den Schritt in die Formel 1 schaffen, wenn sie es schaffen, einer von den 22 zu sein.

Aber dann hat man in der Formel 1 so wenig Zeit, dass man sich wirklich beweisen kann und für das Ziel arbeitet. Diesen Piloten fehlt dann die letzte Konsequenz, nur für die Sache zu arbeiten.

Was verstehst du unter "nur für die Sache arbeiten"?

Für einen Michael Schumacher gab es nur die Familie und die Formel 1. Der ließ sich nicht ablenken, der ging seinen Weg - der dachte, wenn er nicht gerade an die Familie dachte, an die Formel 1, und das 24 Stunden am Tag.

Der denkt dann also andauernd über Fahrabstimmungen und Flügelneigungswinkel nach?

Der denkt: 'Wo kann ich ansetzen? Was müssen wir besser machen? Warum habe ich dort ein Zehntel verloren?' Der analysiert jedes einzelne Training, jeden Sektor.

Das machen doch alle, oder?

Nicht so akribisch wie es ein Schumacher getan hat oder ein Alonso tut.

Das heißt, man liegt auf dem Hotelzimmer mit tausenden Datenausdrücken...

Es ist halt der Unterschied ob du das lebst oder nicht - andere sind auch super talentiert, aber da fehlt halt das letzte Prozent.

Besteht da nicht auch die Gefahr, dass man es übertreibt mit der Grüblerei über Abstimmungen?

Ich meine jetzt auch gar nicht nur die Abstimmungsarbeit, sondern dass man auch über den Tellerrand hinaus sieht. Dass man sich auch politisch Gedanken macht. Dass man genau weiß, welche Zahnräder müssen zusammenspielen, damit das letzte Zahnrad, und das ist der Fahrer, in die richtige Richtung läuft. Der sich also auch über solche Zusammenhänge Gedanken macht.

Und auch Leute motiviert, oder?

Ja. Manche Piloten sagen: 'Ich bin der Fahrer und der Rest geht mich nichts an.' Die sind dann eher engstirniger unterwegs. Der Schumacher hat das als Ganzes gesehen, er dachte global. Man muss ja bedenken, dass es sich hier um Betriebe mit 1000 Angestellten handelt - und der Schumacher hat es immer wieder zu Wege gebracht, dass er rund um sich ein Team schart, das dann einfach das beste wurde, das dann einfach das beste Auto geliefert hat. Den Ralf Schumacher hat man mit dem selben Anforderungsprofil zu Toyota geholt - und bis jetzt hat er es zumindest nicht geschafft.

Ist sicher auch keine leichte Aufgabe - du musst ja auch ganze Vorstände von deinen Ansichten überzeugen.

Du musst auch die Ingenieure für dich gewinnen, du musst jede Ebene dieser Firma für dich gewinnen. Und da müssen dann im Team auch die einzelnen Hierarchien stimmen - und darin war der Schumacher sicher ein Meister. Und auch darin, wie er das Team motiviert hat. Und es gab und gibt Fahrer wie einen Juan Pablo Montoya oder einen Ralf Schumacher, wo im Team dann nicht alle Mitglieder hundertprozentig zum Fahrer gestanden sind. Weil sie sich nicht gut behandelt gefühlt haben.

Apropos nicht gut behandelt fühlen: Hast dich du schon einmal von einem Fahrer nicht gut behandelt gefühlt?

Ja, mehrmals.

Erzähl!

Naja, es gibt verschiedene Situationen, in denen manche Fahrer unprofessionell in der Medienarbeit sind. Das war zum Beispiel Christian Klien in Monza.

Da waren ja viele sauer auf ihn, weil er zuerst sagte, er habe noch nichts zu sagen und dann gab er dem ORF-Fernsehen als einzigem Medium bekannt, dass er das Champ Car-Angebot von Red Bull nicht annehmen werde.

Und nicht nur das - nachdem ich das mitbekommen habe und ich ihn noch an der Strecke angetroffen habe, hat er mir ausrichten lassen, er gibt heute keine Interviews mehr - und ich stand aber nur zehn Meter von ihm entfernt. Und er ließ mir ausrichten, ich solle morgen wieder kommen.

Nur - für das schnellste Medium, für das Radio, ist das eine unbefriedigende Antwort. Noch dazu warte ich seit drei Jahren jedes zweite Wochenende auf den Christian, darauf, dass er ein Interview gibt - und dann, beim wichtigsten Interview, sagte er: 'Komm morgen wieder!' Das war einfach unprofessionell.

Warst du oder bist du jetzt so richtig sauer auf ihn, kann man das so sagen?

Sauer - ich war ehrlich gesagt auch enttäuscht von ihm. Zu einem erfolgreichen Formel 1-Piloten gehört ja nicht nur, dass er schnell rennfahren kann. Da gehören eben auch Dinge wie Lobbying, Medienarbeit oder sich verkaufen dazu - wenn das einem absoluten Frischling passiert, würde ich sagen: 'Okay, das ist halt so, der kennt das Getriebe noch nicht...' Aber nach drei Jahren in der Formel 1 so zu agieren - da war ich ehrlich gesagt schon persönlich enttäuscht.

Christian sagte ja, er kam sich unter Druck gesetzt vor.

Wie auch immer - aber wenn ich das Gefühl habe, ich muss mich von diesem Druck befreien, dann darf ich das nicht nur einem Medium gegenüber tun, sondern muss es auch gegenüber allen anderen tun. Und auch wenn er es exklusiv einem einzigen gibt, dann muss er zumindest ab dem Zeitpunkt, wo dieses Statement versendet wurde es auch allen anderen zur Verfügung stellen.

Er hat auch nicht bedacht, dass wir ja auch eine Pflicht gegenüber unserem Arbeitgeber haben. Der ORF zahlt mir eine Dienstreise und fragt dann zu Recht: 'Warum haben wir dieses Interview nicht?'

Lesen Sie am Mittwoch, den 3. Jänner 2007 auf motorline.cc: Teil 2 des Gesprächs mit Radioreporter Gerhard Prohaska: Über Wurz-Witze. Über das erste Interview in Silverstone. Über kritische Worte in Live-Reportagen. Über Red Bull-Junioren und die Schwierigkeit, ohne den Energiegetränkekonzern weiter zu bestehen. Über Manipulation in der F1 und vieles mehr.

Gerhard Prohaska gibt sein Fachwissen auch an Interessierte aus allen Berufsgruppen weiter - Rhetorik, Kommunikation, Medientraining oder auch Fragen wie 'Medien richtig nutzen' werden in zum Teil auch maßgeschneiderten Seminaren erörtert. Zur Website von Gerhard Prohaska (www.medien-pro.at)

In der Navigation rechts finden Sie auch sämtliche Interviews, die seit 2004 im Rahmen der Serie "F1-Backstage - Österreichs Formel 1-Reporter" abgehalten wurden. Darunter auch Gespräche mit den Reporterlegenden Hein Prüller, Helmut Zwickl oder Österreichs TV-Lady Tanja Bauer.

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