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Als die Sonne vom Himmel fiel

Am 1. Mai 1994, beim Grand Prix von San Marino, hat die Formel 1 Ayrton Senna verloren. Es war der Tag, an dem die Sonne vom Himmel fiel...

Hier finden Sie zahlreiche Fotos aus Ayrton Sennas Karriere.

Das Rennwochenende des Großen Preises von San Marino 1994 ging als „schwarzes Wochenende“ in die Geschichtsbücher der Formel 1 ein. Am Freitag verunglückte der Brasilianer Rubens Barrichello schwer, den sein Landsmann Ayrton Senna sofort im Krankenhaus besuchte. Am Samstag erlitt die Formel 1 dann ihren ersten schweren Stich seit Jahren: Der Österreicher Roland Ratzenberger verstarb nach einem schrecklichen Unfall. Wieder war Ayrton Senna an der Unfallstelle vor Ort und wurde verjagt.

Und dann kam der schwarze Sonntag. Der 1. Mai des Jahres 1994. Der Tag an dem laut Gerhard Berger „die Sonne vom Himmel fiel“.

„Dieses Wochenende werde ich nie vergessen“, erinnert sich Ayrton Sennas langjähriger Physiotherapeut und Freund Josef Leberer zurück. „Es begann mit dem Unfall von Barrichello. Am Samstag starb dann Roland Ratzenberger. Ayrton ist zum Unfallort gefahren. Doch dort hat man ihn weggejagt. So zornig wie damals habe ich ihn vorher nie erlebt. Er kam zurück und bebte, mir wollen sie was über Sicherheit erklären, kochte er. Seine Rennfahrer-Kollegen waren ihm wichtig, auch wenn das nicht so rüber kam.“

„Wir hatten an diesem Imola-Samstag vor, meinen Geburtstag zu feiern“, ruft sich der heutige Sauber-Betreuer von Giancarlo Fisichella und Felipe Massa im Gespräch mit unseren Kollegen der Motorsport aktuell weiter die Szenen jenes letzten Abends mit Ayrton Senna in Erinnerung. „Wir haben uns alle getroffen, aber es war ein seltsames Abendessen in einer sehr gedrückten Stimmung. Ich möchte nichts hinein interpretieren, aber Ayrton sind an diesem Abend viele ernste Gedanken durch den Kopf gegangen, es war eine unheimliche Stimmung.“

Normalerweise machten Senna und Leberer am Samstagabend vor dem Rennen immer „ihre Therapien“. Doch an diesem Abend sagte der Brasilianer zu Leberer: „Geh schlafen, wir verzichten heute darauf.“

Vor dem Start des San Marino Grand Prix 1994 stand Leberer wie üblich bei Ayrtons Auto. „Er war sehr ernst. Ich sah seine Augen und wusste: Alles erschien ihm sinnlos. Sein Blick verlor sich in der Ferne. Im Laufe der Zeit verstanden wir uns jenseits der Worte. Aber ich konnte auch nur so gut sein, wie er es zuließ. Damals am Start war alles sehr eigenartig. Er war irgendwie gar nicht mehr da.“

Sennas Freund und Ex-McLaren-Teamkollege Gerhard Berger fuhr damals bei Ferrari. „Als der Streckensprecher seinen Namen nannte und die Tifosi brüllten, huschte ein Lächeln über Ayrtons Gesicht. Das war sein letztes Lächeln.“

In Runde fünf des dritten Saisonrennens auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari ereignete sich dann jener Unfall, welcher die Formel 1 für immer verändern und die Gerichte unverständlicherweise bis heute beschäftigen sollte. Bereits in Runde 16 gab Sennas Freund Gerhard Berger dann das Rennen auf: „Ich lag nach dem zweiten Start in Führung, aber ich konnte einfach nicht mehr, hab nach ein paar Runden aufgegeben und hab eineinhalb Wochen überlegt: Willst Du überhaupt noch? Ich bin dann noch dreieinhalb Jahre Formel 1 gefahren.“

Die letzte Reise von Ayrton Sennas Leichnam führte dann aus Italien über Paris nach Sao Paulo, wo der Sarg mit dem verstorbenen F1-Piloten von unzähligen seiner Landsleute in Empfang genommen wurde. „Als wir in Brasilien zur Landung ansetzten, ging die Sonne auf. Die Ankunft kann ich kaum schildern“, berichtet Josef Leberer. „Es war ein Staatsempfang. Auf den 25 Kilometern vom Flughafen in die Stadt standen zigtausende Menschen Spalier – teilweise auf den Dächern. Menschen liefen vom Flugplatz weg neben dem Sarg einher. Arme und Reiche, Junge und Alte, Schwarze und Weiße standen am Straßenrand.“

Und auch F1-Journalist Livio Oricchio, der als einer der Wenigen mit dem Sarg des mittlerweile legendären Ayrton Senna von Paris in sein Heimatland gereist war, erinnert sich nur zu gut an jene Szenen: „Die Szenen am Flughafen sind kaum zu beschreiben. Millionen säumten den Weg in die Stadt. Sie nahmen Abschied von einem Mann, den sie jeweils vom Frühling bis Herbst fast jeden zweiten Sonntag in der Stube zu Besuch hatten.“

Deswegen sagt Oricchio: „Es ist für Nicht-Brasilianer vielleicht schwierig zu verstehen, was Senna für seine Landsleute bedeutete. Die Menschen identifizierten sich zu hundert Prozent mit Ayrton. Wenn er fuhr, dann stand fast im ganzen Land das Leben still, alle wollten sehen, wie er sich aus der Affäre zog. Wenn er siegte, siegten auch sie. Wenn er verlor, dann quälte es sie. Senna gab Brasilien in schwierigen Zeiten Stolz, Hoffnung und Freude.“

Und Senna war „stolz darauf, Brasilianer zu sein“. Und er war sich laut seines langjährigen Teamchefs Ron Dennis auch dessen bewusst, dass er „in Brasilien Dinge verändern konnte. Ich glaube, das hat ihn sehr gereizt“, erinnert sich der McLaren-Boss. „Außerhalb Brasiliens waren seine Chancen, etwas zu verändern, eher gering. Aber dort konnte er einen Unterschied machen, etwas bewirken. Und er hat etwas bewirkt.“

Was machte Ayrton Senna so gut?

Wenn man jemanden nach dem besten F1-Piloten aller Zeiten fragt, fällt trotz der Schwierigkeit dieser Frage unweigerlich ein Name: Der Name von Ayrton Senna da Silva.

Sennas Freund und McLaren-Teampartner Gerhard Berger beschreibt den Brasilianer dabei einfach als „den Besten“ gegen den er je gefahren sei. „Als Rennfahrer ein Perfektionist, konditionell gut, und er hat in seinem Leben ja auch nichts anderes gemacht. Dazu kam seine Erfahrung, sein unheimlicher Speed, seine Emotionen. Gleichzeitig war er cool und überlegt. Keine Fehler, keine Schwächen!“

Nicht ganz dieser Meinung zeigt sich jedoch ein anderer Teamkollege des dreifachen Weltmeisters: Der Franzose Alain Prost, mit welchem Senna sich bei McLaren etliche heiße Teaminterne Duelle lieferte. Prost sagt: „Senna war nicht unfehlbar.“ So war der Professor von Sennas Fähigkeiten beim Abstimmen eines Autos beispielsweise nicht berauscht. „Im Grunde lief es oft darauf hinaus, dass ich während des Winters die ganze Arbeit machte, und Ron Dennis ein ums andere Mal meinte, Ayrton würde nicht kommen, er wolle in Brasilien bleiben.“ Jener Heimat die er so sehr liebte.

Doch trotz aller Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden McLaren-Piloten meint Prost heute, dass er und Senna durchaus „Freunde hätten werden können“ – eine Meinung, welche Gerhard Berger übrigens nicht teilt. „Noch in Imola sagte er zu mir, ich sollte es mir nochmals überlegen und wieder fahren“, erinnert sich Prost. „Er glaubte, dass ihn sein starker Glaube an Gott unsterblich macht.“

Auf jeden Fall unsterblich war Sennas Siegeswillen. „Verlieren an sich war schlimm genug,“ weiß Alain Prost, „gegen mich zu verlieren, war ein Desaster. Oft schien es mir, seine ganze Motivation bestünde darin, mich zu bezwingen. Ganz klar wurde mir das erst, als ich aufgehört habe, aber eigentlich war das ein schönes Kompliment für mich.“

Nachdem der Professor seinen Helm an den Nagel gehängt hatte, konnte er auch wieder „normal“ mit Ayrton Senna sprechen. Der Konkurrenzdruck war weggefallen. Zuvor hätte er „nie eingestanden im Unrecht“ zu sein. „Nun konnten wir über die normalsten Belange im Leben eines Fahrers reden. Über Ängste, über die Tatsache, dass der Wagen nicht so gut war wie erhofft. Ayrton wollte, dass ich mich für die Fahrervereinigung einsetze. Sicherheit lag ihm am Herzen.“

Bestätigt werden die Einschätzungen von Prost durch Gerhard Berger: „Er hatte immer das Gefühl er habe Recht und sei nie schuld. Senna war ein Egoist, hat nichts um sich herum akzeptiert. Das war der Senna. Jeder Mensch hat seine positiven und seine negativen Seiten, aber dieses Negative war ja gleichzeitig auch seine Stärke.“

Josef Leberer ergänzt: „Was ihn am meisten störte, war die Ungerechtigkeit. Er hat selbst immer gesagt, ich bin nicht perfekt, ich mache Fehler. Wenn es hart auf hart ging, hat er die Fehler nicht eingestanden. Aber wenn er tiefer in sich gegangen ist, wusste er, auch er müsse sich verbessern.“

Ron Dennis sind vor allem die „unbeschreibliche Zielorientierung“ und die „unglaubliche Befriedigung“, welche Ayrton aus dem „Rennfahren und Gewinnen oder aus einer gelungenen Qualifyingrunde“ gezogen hat, in Erinnerung geblieben. „Außerdem hat er das Visualisieren erfunden. Er konnte eine Runde im Geist fahren und dabei genau darüber nachdenken, wo er gegen das Auto kämpfen, wo er es kontrollieren und wo er ihm freien Lauf lassen musste.“

Deswegen steht für Dennis fest: „Er hatte eigentlich keine schlechten Seiten. Auch wenn Leute ihn als arrogant bezeichnet oder ihm negative Charaktereigenschaften angehängt haben – die Wahrheit ist, dass er sie nicht hatte. Er hat sich immer um alle gekümmert, er war Teamplayer, auch bereit zuzugeben, dass er einen Fehler gemacht hatte – eine sehr seltene Qualität bei einem Grand-Prix-Piloten.“ Und laut Berger und Prost auch eine, welche Senna öffentlich nicht besessen hat.

Für Berger war sein Freund gleich aus mehreren Gründen „besser als alle anderen“: „Da war zunächst sein bedingungsloser Einsatz. Gut, auch andere Fahrer haben sich irrsinnig reingehängt, aber nun kam Sennas zweites Plus zum Tragen – die Konzentrationsfähigkeit. Die war weit über allem, was ich bei anderen Rennfahrern gesehen habe. Wenn er voll konzentriert war, hat er keinen Schmerz gespürt, keine Anspannung, er war wie in einer anderen Welt.“

Und in dieser Welt des Ayrton Senna gehorchten ihm alle. Auch die Konkurrenten. „Seine Rolle war einzigartig. Jeder im Feld wusste – wenn Senna hinter ihm auftaucht, würde er die erste Gelegenheit zum Überholen nutzen. Das ging so weit, dass die meisten zur Seite zuckten, wenn sie den gelben Helm im Rückspiegel aufleuchten sahen.“

Ein bisschen am Sockel des Senna-Denkmals kratzt unterdessen sein letzter Teamkollege Damon Hill. „Ich bin davon überzeugt, dass er einen Fehler gemacht hat“, möchte Hill keinen Lenksäulenbruch für den Unfall verantwortlich machen. „Doch viele Menschen würden niemals glauben können, dass es so war. Aber warum nicht? Senna machte viele Fehler in seiner Karriere.“

So sei Senna dafür bekannt gewesen „ans Limit und darüber hinaus zu gehen“, so Hill, oftmals habe er „lieber einen Crash in Kauf genommen“ als „aufzugeben“. „Das sind ja Sakrilege in der Welt der Rennfahrergötter. Ayrton war ein großartiger Pilot und ein Mann mit einer enormen Menschlichkeit. Er war aber kein Gott.“

Entsprechend hätte Senna über „das Problem mit dem Safety Car und die kalten Reifen“ bescheid gewusst. „Es war nicht die Schuld von irgendjemandem, dass Ayrton auf dem Gas geblieben ist, denn er hätte ja auch lupfen können. Doch Ayrton musste dieser Halbgott „Senna“ sein, und „Senna“ durfte nicht aus Angst heraus schrumpfen. Und in diesem Moment hat er dann all unsere Sorgen bestätigt. Um einen Helden, für den der Tod lediglich ein Berufsrisiko darstellte.“

Senna: 65mal Pole, 41 Siege, 3 WM-Titel!

Ayrton Senna nahm an 161 Formel-1-Rennen teil und holte 65 Pole Positions, 41 Siege, 19 schnellste Rennrunden sowie drei WM-Titel.

Ayrton Senna im O-Ton

„Das Wichtigste ist erfolgreich zu sein. Immer und überall.“

„Es ist unrealistisch zu denken, dass ich immer erfolgreich sein werde. Aber ich erwarte immer, dass die Niederlage nicht an diesem Wochenende erfolgen wird.“

„Ich ziehe die Möglichkeit eines Unfalls niemals in Betracht. Aber die Angst gehört zu meinem Alltag.“

„Ich versuche die Balance zwischen der Realität und der Verlockung des Risikos zu wahren.“

„Sie werden nie erfahren was ein Pilot fühlt wenn er erfolgreich ist. Der Helm verbirgt die Gefühle.“

„Ich bin von starken Emotionen verdorben.“

„In diesen zehn Jahren Formel 1 waren meine größten Freuden jene der brasilianischen Fans.“

„Ich habe hart gearbeitet um Erfolg zu haben, aber ich hätte nichts geschafft, wenn mir Gott nicht geholfen hätte.“

„Es ist seltsam: Immer wenn ich glaube mein Maximum erreicht zu haben, entdecke ich, dass es möglich ist noch besser zu werden.“

„Wenn der Tag gekommen ist, dann wird es geschehen. Es kann heute sein oder in 50 Jahren. Es ist nur sicher, dass es passieren wird.“

In der Navigation rechts finden Sie:

Die Stimmen zu Ayrton Senna – Gedanken von seinen Teamchefs, seinen Kollegen, seinem Freund Gerhard Berger, Niki Lauda, Bernie Ecclestone, Max Mosley und vielen mehr.

Sowie den Artikel von unserem Kollegen Gerhard Kuntschik (Salzburger Nachrichten), der mit Josef Leberer über dessen Freund Ayrton Senna sprach.

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In Memoriam Ayrton Senna

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