
Das war die Formula Student Austria 2009 | 18.08.2009
Blockveranstaltung
Drei österreichische Universitäten gegen 18 Teams der Weltspitze: am Wachauring gab es erstmals die Formula Student in Österreich.
Johannes.Gauglica@motorline.cc; Fotos: Formula Student Austria
Nach Großbritannien (Silverstone), Deutschland (Hockenheim) und Italien (heuer geht man von 4. bis 7. September nach Varano de’ Melegari, gleich gegenüber den Hallen der Rennwagenfirma Dallara) reiht sich jetzt der österreichische Event am Wachauring als vierter offizieller Bewerb der Formula Student in Europa ein.
Die Teilnehmerzahl war auf 24 Teams beschränkt; drei Mannschaften mussten bereits von vornherein w.o. geben. Die Gründe sind allen Rennsportfans bestens bekannt: Technik, Zeit und Geld.
Zum Vergleich: In Hockenheim waren fast 80 Teams am Start, beim großen Weltfinale in Detroit sind es an die 130; dazu gibt es elendslange Listen derer, die die Anmeldung nicht fristgerecht geschafft haben.
Die räumlichen Beschränkungen des Wachauringes (wo während der gesamten Veranstaltung unbeirrt wieder Fahrsicherheitstrainings abliefen) und die Herausforderung des „Erstlingswerkes“ machen die freiwillige Beschränkung auf eine kleine Starterzahl aber sinnvoll.
Und auch der Bewerb in Hockenheim hatte beim Start 2005 nur zehn teilnehmende Mannschaften. Seit damals hat das Phänomen Formula Student allerdings auch explosiv an Beliebtheit gewonnen.
Studienreise
In der Box mit dem Sternenbanner waren die Leute von Beaver Racing mit ihrer ersten Reise nach Melk vollauf zufrieden:"Eine großartige Location für einen solchen Event! Üblicherweise sind wir bei der Formula SAE West, dem Bewerb in Kalifornien; heuer haben wir uns für die Formula Student Germany entschieden. Deshalb sind wir alle noch hier herüben, und als die Formula Student Austria zur Teilnahme geöffnet wurde, haben wir uns gedacht, warum nicht?"
Darin liegt der Vorteil der engen Terminbindung an Hockenheim – die Teams aus Übersee haben einen Anreiz zum Dableiben und Mitmachen.
Andererseits haben sie auch wenig Zeit, falls das Auto Zores machen sollte. Und der derzeitige Dollar-Euro-Wechselkurs macht die Finanzierung für die Amerikaner nicht leichter.
Die Oregon State University arbeitet mit der Hochschule im deutschen Ravensburg zusammen, diese Zusammenarbeit ging diesmal bis zum gemeinsamen Camping. Und sie zahlte sich aus, denn schon statischen Bewerbe brachten den ersten Teilerfolg für die Gäste aus Corvallis, Oregon.
Sie fanden in der Gesamtwertung der Präsentation die größte Zustimmung der Juroren, gefolgt allerdings bereits vom Team der TU Wien. Der Design Award ging an die TU Graz.
No Kangaroos
Bei TUG Racing saß Stefan Leitner im Cockpit, der Finalist im OPC Race Camp 2008. Nach dem zweiten Lauf im Autocross (auf gut deutsch: im Slalom) war die Stimmung im Team eher ruhig:"Als Fahrer tut man sich leicht, die Probleme aufs Auto zu schieben! Aber das Auto muss immer auch zum Fahrer passen, und heuer haben wir das noch nicht so geschafft." – Denn wie alle anderen mussten auch die Grazer nach dem neuen Reglement von Grund auf ein neues Fahrzeug aufbauen.
"Ganz einfach gesagt muss das Auto größer sein, weil ins Cockpit 'templates' reinpassen müssen" – damit übernimmt die Formula Student das Muster der NASCAR-Techniker, die die Rennautos auch mittels Templates, also genormten Schablonen, abnehmen. Das klingt primitiv, ist aber zielführend.
Die Cockpit-Innenmaße wurden zwecks mehr Sicherheit vergrößert, die Vorjahresautos waren im Vergleich nur halb so breit.
Die Ästhetik der Autos ist jetzt klarerweise eine andere, manchen gefällt die 2009er-Generation nicht so sehr; dafür sehen sich die Entwürfe jetzt wieder weniger ähnlich als in den letzten Jahren, wo sich bereits eine gewisse Uniformität eingestellt hat.
Per Reglement muss übrigens jedes Team sein Auto von einem Jahr zum anderen grundlegend überarbeiten, Gebrauchtwagen und Oldtimer gibt's im Feld also keine. Auch das Carbon-Kunstwerk Tankia ("There Are No Kangaroos In Austria") 2009 ist brandneu.
Entschieden wird in der Formula Student nach einer Punktewertung, die Gewichtung liegt auf den dynamischen Bewerben, erzählt Leitner nicht ohne Zufriedenheit: "Das Autocross waren 150 von möglichen 1000 Punkten, der Endurance-Event am nachmittag zählt 450 Punkte – 350 für die Rundenzeiten und 100 für den Spritverbrauch."
Graz ist mit gleich zwei Hochschulen prächtig vertreten, das hat zweifelsohne auch etwas mit dem hochaktiven steirischen Auto-Cluster zu tun. Die bisherige Saison der Grazer TU-Racer war gemischt, mit einem DNF in Silverstone nach dem Motto "kleiner Fehler, große Wirkung". Halbwegs erfangen hatte man sich wieder in Hockenheim mit Gesamtrang 9 im größten Formula-Student-Feld Europas.
Hohe Steirerquote
Die Grazer Stadtrivalen vom Joanneum platzierten sich am 3. Rang. Dort war man vorm Endurance-Bewerb "nach kleinen Startschwierigkeiten jetzt wieder hochzufrieden; wir starten von der sechsten Startposition", erzählte Projektleiter Markus Hofer.Alles neu ist klarerweise auch am Joanneums-Boliden namens jr09, an diesem Auto sieht man die in allen so täuschend herzig aussehenden Autos verbaute hochkarätige Technik: "Wir haben heuer erstmals ein Front-Monocoque mit einem Heckrahmen, dazu Formel-3-Dämpfer; in puncto Kinematik auch sehr viel verändert." Geschaltet und gekuppelt wird pneumatisch, und wir haben eine Launch Control."
Und die bezähmt einen 87 PS starken 450ccm-Einzylinder von Rotax mit Kompressoraufladung. Im Triebwerk bleibt kein Zahnrad auf dem anderen: "Die Basis ist bei allen Teams ein Serienmotor, aber alles andere - Pleuel, Zylinder - wird komplett verändert."
Wie lange ist die Vorlaufzeit zum ersten Bewerb, gibt es überhaupt jemals eine Verschnaufpause? - De facto nicht: "Für uns ist das heuer das letzte Rennen, dann fangen unsere Nachfolger bereits mit der Konstruktion des neuen Wagens an!"
Denn die UAS (University of Applied Sciences) Joanneum reist nicht nach Italien; man verpasste die Anmeldungsfrist von großzügigen 8 (acht) Sekunden! Binnen so kurzer Zeit sind die Bewerbe via Online-Anmeldung ausgebucht.
Fürs Joanneum gab es in Silverstone eine besondere Auszeichnung, nämlich den Brawn GP Award für das 'most professionally operated team'. Insgesamt erreichte man Platz 19. von 87 angetretenen Teams. Nach Rang 32 in Hockenheim war man am Donaustrand wieder deutlich im Aufwind.
Das Resümee des Projektleiters zum Event in Melk ist kurz und positiv: "Weltklasse! Traumhaft organisiert und dazu wunderschönes Wetter, und die einzelnen Bewerbe sind ähnlich hart wie in Deutschland. Auch die Teilnehmer sind international sehr hoch anzusiedeln. Es ist nicht irgendein Spaß, sondern ein seriöser Bewerb."
Auf Messers Schneide
Bei der TU Wien lag der Teufel im Detail. Das jüngste der drei österreichischen Formula-Student-Teams ist heuer im zweiten Jahr aktiv, und man musste wegen der Reglementänderung gleich ein völlig neues Auto bauen. Im Autocross nahm man zwei Hütchen mit, das gab Strafzeiten.Erfolge verzeichnet man trotzdem: Die Wiener waren am Skidpad auf Rang 2-hinter dem Team aus Montreal. Man legte außerdem den zweitbesten Business-Plan vor, die wirtschaftliche Seite sieht das Team als eine seiner besonderen Stärken:
"Wir haben verstanden, was die Privatwirtschaft und Investoren vom Team hinter einem solchen Projekt erwarten", meint Richard Zemann, der kaufmännische Leiter von TUW Racing.
In Melk wurde übrigens auf den "Cost Event", also die Kalkulationsmeisterschaft, verzichtet und stattdessen ein Überraschungs-bewerb im kombinierten Beschleunigen & Bremsen angesetzt. Enttäuschte Kostenrechner waren nicht zu sehen, die spröderen Seiten des Automobilbaus gehören jedoch ebenso fix zur Formula Student wie Benzinduft und Reifenqualm.
Vor dem ersten Antreten in Silverstone 2008 gönnte man sich in Wien knapp eineinhalb Jahre Vorbereitungszeit; am Ende dieses Jahres wird die Gründergeneration aufgrund anderer Projekte oder auch wegen Studienabschlusses bereits das Team verlassen, sukzessive kommen neue Mitglieder an Bord.
Nicht völlig unerfahren sind die Piloten der TU Wien: Hubertus Thum, Lukas Langstadlinger und – besonders pikant am Wachauring – Hannes Danzinger. Er spielte seinen Heimvorteil allerdings nicht aus und ließ den Kollegen dne Vortritt.
2009 gab es mit Rang 8 in Silverstone einen guten Start, dafür setzte es beim deutschen Event einen Dämpfer in Form des Ausfalls nach einem Groschendefekt. Für Varano ist TUW Racing bereits angemeldet, man war geschwind genug:
"Wir haben uns das Ziel gesetzt, an den europäischen Events teilzunehmen. Bei uns läuft es so ab, dass drei oder vier Leute beim Rechner sitzen, neben sich die Funkuhr, und auf die Tausendstelsekunde genau am Drücker zu sein versuchen." – Das versuchen gleichzeitig hundert andere in ganz Europa auch, aber: "Wir haben in Wien die schnelleren Uhren!"
Strenger Richter: Karl Wendlinger
Zwei Vertreter der Praxis waren ebenfalls Teil der Jury: Dieter Quester und Karl Wendlinger brachten ihre Expertise bei der Bewertung der Ergonomie der Cockpits ein.Die neue Regelung mit den vergrößerten Mindestmaßen für den Platz im Cockpit hat ihre Wirkung gezeigt, die Tücke liegt jedoch darin, wie die Konstrukteure diesen Platz ausnützen:
"Die Dimensionen an sich waren sowohl für Dieter als auch für mich ausreichend, aber ein oder zwei Fahrzeuge waren dabei, wo nach meinem Gefühl die Designer über aller Technik vergessen haben, dass man damit auch fahren soll. Speziell bei einem Auto war die Rückwand so schief, dass man drinnen gelehnt ist wie in einem Fernsehsessel. Andererseits waren Autos dabei, in denen ich sofort losfahren hätte können."
Dazu hatten die Rennfahrer jedoch dieses Mal keine Gelegenheit, auch wenn es ihnen zweifelsohne Spaß gemacht hätte.
Gefahren wird auch mit den Füßen, hier hagelte es seitens der Profis die meiste Kritik: "Mir ist aufgefallen, dass bei vielen Fahrzeugen die Pedalführung nicht gelungen war – man könnte beim Fahren leicht von den Pedalen rutschen. Wenn man in einer Kurve oder wegen einer Bodenwelle vom Bremspedal rutscht, kann man sich vorstellen, was dann passiert."
Augenfällig an den Top-Autos: "Da wurde mit Weitsicht konstruiert. Bei den besten Kohlefaser-Chassis beispielsweise war deutlich zu sehen, da hat sich wer was dabei gedacht. Generell waren die Autos, bei denen das Chassis in Ordnung war, auch sonst die besten."
Manch anderes Auto erschien dem erfahrenen Profi im Fahrwerksbereich etwas unterdimensioniert: "Die werden sicher auch ihre Berechnungen angestellt haben. Aber ob diese Fahrwerke es aushalten, wenn man damit härter über die Curbs fährt?"
Im Allgemeinen war Wendlinger jedenfalls vom hohen technischen und handwerklichen Niveau der Autos angetan: "Auch der Enthusiasmus der Studenten war sehr positiv. Und wenn junge Techniker auf diesem Weg auch einen Zugang zum Motorsport bekommen, dann ist das sicher keine schlechte Sache."
Tag der Abrechnung
Vom Erfolg am ersten Tag bereits motiviert, ließen sich die SAE-erprobten Amerikaner den Sieg auch in den dynamischen Bewerben nicht mehr nehmen.Gratulation in die USA: Die ersten Gewinner der Formula Student Austria kommen aus Oregon.
Beinahe hätte die deutsch-amerikanische Freundschaft einen Doppelsieg an der Donau gelandet, denn auf Rang 3 parken sich die Ravensburger ein. Auch die Siegesfeier war dementsprechend ambitioniert...
Unsere Ehrenrettung kommt aus der Steiermark, mit Platz 2 fürs Joanneum und Platz 4 für die TU Graz. Die TU Wien parkt den edge MK2 auf Platz 11, in der Bundeshauptstadt heißt es somit Sonderschichten einzulegen, wenn man das innerösterreichische Gleichgewicht wieder herstellen will.
Und hoffentlich geht sich für die drei hiemischen Hochschulen auch die Reise in die USA wieder aus. Denn was Oregon kann, können wir schon lange: die TU Graz ist in Detroit der Titelverteidiger.
Details und Hintergründe zur Formula Student finden sie auf www.fsaustria.at