BMW F 800 S - im Test | 08.09.2006
Münchner Kindl mit Herz aus Österreich
Mit der neuen F 800 S haben die Bayern ein Motorrad auf den Markt gebracht, an dem auf den ersten Blick gar nichts Außergewöhnliches dran ist. Die Praxis lehrt jedoch, dass Optik täuschen kann - was auch am österreichischen Motor liegt.
mid/ww
Motorräder der Mittelklasse lassen sich immer etwas schwer einordnen. In der Zweiradwelt zählen für viele Biker vor allem Superlative, und die Aufmerksamkeit ist demjenigen Hersteller sicher, der das spektakulärste Bike präsentiert. Doch ein Blick in die Zulassungs- und Bestandsstatistiken zeigt, was wirklich zählt: Scheinbar wenig attraktive Brot-und-Butter-Motorräder der Mittelklasse belegen die vorderen Plätze. Aus kaufmännischer Sicht ist es also nur folgerichtig, dass BMW mit der neuen F 800 S ein Motorrad auf den Markt bringt, an dem auf den ersten Blick gar nichts Außergewöhnliches dran ist.
Ungewöhnlich für den weiß-blauen Hersteller ist aber das Bau-Prinzip des Motors: Die vierte Baureihe von BMW wird von einem völlig neu entwickelten Parallel-Twin mit Vierventiltechnik und einem Hubraum von 798 ccm angetrieben. Das von Bombardier-Rotax gefertigte Aggregat leistet 63 kW/85 PS. Das reicht in der Praxis völlig aus, um eine Menge Spaß zu haben. Der Motor dreht willig und bringt das 204 Kilogramm leichte Motorrad sogar recht flott auf Trab. Zwar scheint der Motor vielleicht subjektiv etwas schwachbrüstig zu sein, doch zur Überraschung des Piloten zieht die F 800 immer weiter durch, bis schließlich bei optimalen Bedingungen stolze 224 km/h als Höchstgeschwindigkeit erreicht sind.
Ihre wahren Stärken zeigt die Bayerin mit dem österreichischen Herz aber auf Landstraßen bei eher moderatem Tempo. Auf kurvigen Strecken ist sie besonders leicht zu beherrschen, gefällt mit großer Schräglagenfreiheit, lässt sich schon mit leichtem Schenkeldruck dirigieren und lenkt absolut präzise ein. Schnell stellt sich heraus, dass die Mittelklassen-BMW auch gehobenen Ansprüchen gerecht wird und erfahrene Biker sich auf ihr keineswegs unterfordert fühlen. Der Zahnriemenantrieb arbeitet ohne jegliche negative Reaktionen, die sechs Gänge lassen sich problemlos wechseln und die Bremsen, die an unserem Exemplar vom (aufpreispflichtigen) Zweikanal-ABS unterstützt wurden, verzögern sauber und sicher.
Die Schalter sind BMW-typisch, auch an dieser Modellreihe ist die Warnblinkanlage über das Drücken beider Blinkerschalter zu bedienen. Das Instrumentarium der F 800 ist trotz übereinander angeordnetem Tacho und Drehzahlmesser gut ablesbar. Der Bordcomputer – er kostet ebenfalls Aufpreis - kann per Knopfdruck am linken Lenker praktisch bedient werden. Allerdings erinnern die bei diesem Zweirad wenig sinnvollen Funktionen wie Lap-Timer und Schaltblitz eher an die Playstation als an sinnvolles Zubehör.
Lob verdient die F 800 S für den Verbrauch: Im Durchschnitt befeuerte die Einspritzanlage den Motor auf 100 Kilometern mit 4,6 Litern Superbenzin. Der gefüllte 16-Liter-Tank ermöglicht also Etappen von knapp 350 Kilometern. Die seitlich an der Sitzbank angebrachte Einfüllöffnung erfordert allerdings an der Zapfsäule eine ruhige Hand und ein gutes Auge - andererseits ermöglicht diese Konstruktion wiederum, dass der Tankrucksack beim Spritfassen an seinem Platz bleiben kann und der Schwerpunkt des Motorrades relativ tief liegt und so die Handlichkeit verbessert.
Wenn es ans Bezahlen der Maschine geht, verlässt die BMW aber die Mittelklasse: Der Basispreis der F 800 S ist 9.950,- Euro; dazu können aus der Liste der Sonderausstattungen noch 813,73 Euro fürs ABS, 224,06 Euro für Heizgriffe, 218,17 Euro für den Bordcomputer, 41,27 Euro für weiße Blinkergläser und 212,27 Euro für die Diebstahlwarnanlage addiert werden. Dann ist die Neue in der Mitte kein preisliches Mittelmaß, aber immer noch ein exzellentes Motorrad mit großem Spaß-Potenzial.
Teststeno BMW F 800 S:
Straßenmotorrad mit flüssigkeitsgekühlten Zweizylinder-Viertaktmotor, 798 ccm Hubraum, 63 kW/85 PS Leistung bei 8.000 U/min, max. Drehmoment 86 Nm bei 5.800 U/min, Höchstgeschwindigkeit 224 km/h, Zahnriemenantrieb, Sechsganggetriebe, Leergewicht (ohne Zubehör) 204 Kilogramm, zulässiges Gesamtgewicht 405 Kilogramm, Zuladung 201 Kilogramm, Sitzhöhe 79 bis 82 Zentimeter, Tankinhalt 16 Liter, Verbrauch 4,6 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer; Preis 9.950,- Euro.