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Sind die Helden müde?

Bei den jüngsten Sicherheits-Debatten - Monza-Start, Indy-Absage - spielen mitunter andere Gründe die Hauptrolle als die vorgebrachten.

Hans Peter Voglhuber

Eines möchte ich vorweg klarstellen. Auch ich bin für maximale Sicherheit - sowohl was die Formel 1 als Sport anlangt, als auch was den Schutz vor möglichen Terroranschlägen betrifft. Und ich bin auch gewiss kein Freund von Mr. Ecclestone´s Unternehmensphilosophie des bedingungslosen Abzockens. Aber bei aller Rücksicht und Vorsicht sollte man die Kirche doch im Dorf lassen. Zweifellos sind Formel 1 Rennen sportliche Großereignisse. Aber von ähnlich großen Spektakeln gibt es viele auf der Welt. Und ich denke, dass es für politisch motivierte Anschläge "interessantere" Ziele gibt, als einen Grand Prix, auch wenn dieser in den USA stattfindet.

Ein Autorennen scheint mir für die internationale Terroristenszene zuwenig symbolhaft zu sein, um als Ziel eines Terroranschlages ausgewählt zu werden. Trotzdem wurden die Medien in den letzten Tagen nicht müde, immer wieder auf die Möglichkeit eines Terroranschlags während eines Grand Prix aufmerksam zu machen. Sollten also Terroristen bis jetzt noch nicht daran gedacht haben, ein Formel 1 Rennen ins Terrorvisier zu nehmen, dann wurden sie jedenfalls in jüngster Zeit eindringlich darauf hingewiesen.

Sicherheits-Debatte:
Ein gewichtiger Grund dafür dürfte die bereits vorzeitig entschiedene Weltmeisterschaft sein

Bei allem Verständnis für Sicherheit kann ich dem mancherorts vorgebrachten Vorschlag, in den USA nicht zu fahren, nichts abgewinnen. Und auch Michael Schumachers Vorschlag, in Monza bis zur ersten Schikane nicht zu überholen, hat mich sehr erstaunt. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei diesen Vorschlägen mitunter ganz andere Gründe, als die vorgebrachten, eine Rolle spielten. Ein gewichtiger Grund dafür dürfte sicherlich die bereits vorzeitig entschiedene Weltmeisterschaft sein.

17 beinharte Grand Prix in einem Jahr. Siebzehn mal drei Tage voller Gefahren, voll Stress und Leistungsdruck. Dazu kommen noch die vielen Testfahrten, bei denen auch immer wieder schockierende Ausritte und gefährliche Unfälle passieren. Ein Schumacher als bereits feststehender Weltmeister oder ein Hakkinen, welcher ohnehin beschlossen hat - zumindest vorübergehend - aufzuhören, steigen unter solchen Umständen sicherlich weit nicht mehr so motiviert ins Auto, wie etwa ein Barrichello, ein Coulthard, ein Ralf Schumacher oder ein Montoya, für die es ja noch um den Vizeweltmeistertitel geht. So vermeinte ich diesbezüglich bei Michael Schumacher anlässlich des Italien GP doch schon eine deutliche Demotivation zu bemerken. Und auch Hakkinen dürfte wegen seines Ausfalls nicht besonders unglücklich gewesen sein.

Schumi:
der frischgebackene Weltmeister will nach einer anstrengenden Saison nichts mehr riskieren

Die schweren Unfälle von Burti und Zanardi und der Terroranschlag in New York dürften wesentlich dazu beigetragen haben, dass mancher Fahrer über ein frühzeitiges Aussteigen laut nachzudenken begann. Auch Michael Schumachers Vorschlag, in Monza bis zur ersten Schikane unter gelben Flaggen zu starten und nicht vor der ersten Schikane zu überholen, hatte meines Erachtens eher mit einer verborgenen Angst vor einem Crash zu tun.

Eine Angst, der sich Michael Schumacher selbst vermutlich gar nicht so richtig bewusst war. Wäre es für Schumacher in Monza noch um den WM-Titel gegangen, er hätte voraussichtlich keine derartigen Vorschläge gemacht. Aber als frischgebackener Weltmeister wollte er wohl am Ende einer anstrengenden Rennsaison möglichst jedes Risiko vermeiden.

Preis & Leistung:
Das Publikum darf von den hochbezahlten Helden eine dementsprechende Leistung erwarten

Bei allem Verständnis muss trotzdem angemerkt werden, dass mit erfolgreichem Gasgeben gerade in der Formel 1 unverschämt viel Geld verdient wird. Natürlich ist das rennmäßige Im-Kreis-Fahren mit Formel 1 Boliden eine gefährliche Angelegenheit. Aber Gesundheit oder Leben verlieren täglich weltweit auch viele Menschen, welche in ihrem ganzen Leben nicht einmal einen Bruchteil dessen verdienen, was die Spitzenfahrer der Formel 1 in einer Rennsaison auf ihre Konten einfahren. Das Publikum darf daher eine dementsprechende Leistung von ihren rasenden Helden erwarten.

Und deswegen muss der Formel 1 - Zirkus auch in Zeiten wie diesen ordentlich und fair weiterspielen. Denn die Zuschauer in den USA und in Japan haben ein Recht darauf, ein komplettes Formel 1 - Starterfeld zu sehen. Mit allen Stars und Idolen, auch wenn manche Helden schon recht müde wirken und sich angesichts der für sie ohnehin bereits gelaufenen Saison liebend gern "Zeitausgleich" nehmen würden. Allein das Nichtantreten eines einzigen Spitzenpiloten wäre ein Betrug am Publikum und letztendlich auch am Veranstalter, welcher dadurch höchstwahrscheinlich auch spürbare Einbußen bei den Besucherzahlen zu verzeichnen hätte.

Den Teamchefs ins Stammbuch:
bei der Formel 1 handelt es sich um keinen Hobby-Verein

Und wenn mancher Held heuer schon des Im-Kreis-Fahrens müde geworden ist, so sollte er dennoch nicht vergessen, dass es sich bei der Formel 1 um keinen Hobby-Verein handelt, wo jeder kommen und gehen kann, wann es ihm passt. Daher sollten oben angesprochene Ansinnen von Fahrern, auch wenn sie aus deren Sicht vielleicht plausibel erscheinen mögen, gar nicht erst zur Diskussion stehen. Das sollten sich vor allem jene Teamchefs ins Stammbuch schreiben, welche solchen Überlegungen ihrer Superstars vorsichtig positiv gegenüber stehen.

Ihr Hans-Peter Voglhuber

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