Motorsport-News | 06.04.2003
Backstage: Das Leben im DTM-Tross...
Motorline.cc besuchte die DTM-Testfahrten auf dem A1-Ring und stellte die Frage: Wie sieht der Alltag eines DTM-Technikers aus?
Michael Noir Trawniczek
A1-Ring, DTM-Tests. Nicht Hochsicherheitstrakt à la Formel 1, sondern eine relaxte Atmosphäre und dennoch höchst konzentrierte und professionelle Arbeiter am Werk. DTM-Neuling Katsutomo Kaneishi tut sich mit dem Englisch noch ein wenig schwer. Zeichensprache – er deutet mit der einen Hand die Zahl 5 und sagt „Podium“ – also nach fünf Rennen möchte Kaneishi einen Podiumsplatz erzielen. Doch wir wollen in die Tiefen des DTM-Lebens tauchen und fragen jene Leute, deren Alltag aus der täglichen Arbeit im Werk, Ein-/Auspacken, An-/Abreise und Tests/Rennen besteht...
Lachend bringen zwei Techniker einen Kollegen im filmreifen „Polizeiabführgriff“ – unser Gesprächspartner heißt Markus Leideritz und ist Techniker bei Mercedes. Bei dessen Zuständigkeit wird es bereits komplizierter: Feder/Dämpfer/Servo/Bremsen/Schwerpunkt und Datenverarbeitung.
Leideritz ist gut gelaunt – der neue Mercedes entspricht den Erwartungen, doch es geht (noch) nicht um Rundenzeiten: „In diesem Stadium geht’s lediglich darum: Reagiert das Auto logisch auf Veränderungen im Set Up? Ist das gesamte System eine berechenbare und zuverlässige Einheit? Und das passt bei unserem Neuen.“ Die Techniker vor Ort stehen in Kontakt mit der Entwicklungsabteilung, aus jedem Fachbereich ist mindestens ein Mann vor Ort an der Rennstrecke vertreten. Die Eindrücke der Techniker, die an den Autos arbeiten, fließen klarerweise in die Fahrzeugentwicklung des nächstjährigen Boliden ein.
Datenauswertung: Datenblatt und Pilotenaussage stimmen überein...
Thema Datenauswertung: Die Datenblätter machen die Fahrer zu gläsernen Piloten. Leideritz wertet die Daten aller vier Piloten aus – mit dem Fahrzeugingenieur werden Erkenntnisse ausgetauscht. Der Fahrzeugingenieur verfügt nämlich über jene Komponente, welche in der Fahrzeugabstimmung laut Leideritz immer noch Vorrang hat – die Pilotenaussage.Ob Leideritz nun bei „Wetten dass...?“ auftreten könne, in dem er aufgrund eines Datenblatts den jeweiligen Piloten erkennen würde? Leideritz lacht: „Nein. Die Unterschiede sind derart gering, keine Chance...“ Die Erkenntnis: Auf höchsten Niveau gibt es nur einen Bremspunkt...
In der Arbeitsweise findet man doch gewisse Unterschiede: „Natürlich ist es anders, wenn ein ganz junger Newcomer kommt oder ein Jean Alesi, der bereits auf höchst professionellem Niveau arbeitet.“ Und: „Meistens decken sich die Erkenntnisse aus den Datenblättern mit den Pilotenaussagen. Am Beginn einer Zusammenarbeit mit einem Fahrer steht das gegenseitige Beschnuppern im Vordergrund. Welcher Typ Fahrer ist es? Wie arbeitet er?“
Anforderungsprofil: Überdurchschnittlicher Einsatz und Teamfähigkeit!
Das Team besteht aus rund 40 bis 50 Technikern. Sie kommen aus dem Werk – und dort wollen viele in die Rennabteilung. Leideritz: „Es war nicht leicht, da reinzukommen.“ Welches Anforderungsprofil wird verlangt? „Überdurchschnittlicher Einsatz und Teamfähigkeit stehen neben den technischen Anforderungen im Vordergrund.“Es wird viel gereist - und wird nicht gereist, gibt es den wochentäglichen Einsatz im Werk. Leideritz’s letzte Woche sah so aus: „Sonntag Abend Verladen, Montag hier am A1-Ring die Box aufbauen, Dienstag bis Donnerstag Testen, das heißt an jedem der Testtage von 7 bis 24 Uhr Arbeit, am Donnerstag Abend einpacken und Heimreise, Freitag Arbeit im Werk, dann nach Hockenheim fahren und Box aufbauen, ab Montag Testen in Hockenheim...“
Entspannung: Virtuelle Duelle gegen die realen Werkspiloten!
Ob Leideritz schon einmal selber mit dem Mercedes-CLK fahren konnte oder sich das zumindest wünsche? „Wünschen würde man es sich klarerweise. Aber das spielt’s nicht. Aber wir fahren immer wieder Kart-Rennen, an denen das gesamte Team teilnimmt.“Es gibt aber noch weitere Duelle im Schatten des Medienlichts, welche sich am Abend auf dunklen Rennstrecken in den Team-LKW’s abspielen. Leideritz: „Einer unserer Techniker hat immer eine Playstation dabei, allerdings ohne Lenkrad, die normale Steuerung. ‚DTM-Race-Driver’ heißt das Spiel und es gibt immer wieder Duelle zwischen unseren Technikern und den Piloten.“ Und wie schlagen sich die realen Piloten im virtuellen Match? „Sie gewinnen ein Spiel nach dem anderen...“