Kolumne: Straßenrennen als Bühne für den Motorsport? | 02.12.2004
Publikums-Nähe
Durch den Umbau des Österreich-Rings fehlt dem heimischen Motorsport eine wichtige Bühne, wie wäre es mit der Austragung von Straßenrennen?
Johannes Gauglica
Bei der Vorstellung seiner Formel-1-Pläne hat Dietrich Mateschitz sich auch zu seinem anderen Großprojekt geäußert, dem Umbau des Österreichringes. Mit der Inbetriebnahme, heißt es in verschiedenen Interviews, sei 2008 (in Worten: Zweitausendacht) zu rechnen, oder vielleicht 2009.
Mindestens vier Jahre wird die österreichische Rundstreckenszene, soweit es sie noch gibt, noch ohne ihre wichtigste Sportstätte auskommen müssen. Das hat auf die Dauer seine negativen Konsequenzen für gesunde Bereiche wie den Histo-Cup genauso wie für die Therapiefälle (Tourenwagen!) oder Zukunftsprojekte wie die Formel Masters.
Als Bühne, auf der man sich den heimischen Fans präsentieren kann, bleiben der Salzburgring mit all seinen Einschränkungen und der kleinwinzige Wachauring. Ansonsten droht den Aktiven, ähnlich wie der Kollegenschaft aus der Schweiz, ein halbnomadisches Dasein im benachbarten Ausland.
Einerseits wird den weniger finanzstarken Fahrern auf diese Weise bald der Spaß an ihrem Hobby vergällt, andererseits verschwinden die medial nicht so gut vertretenen Rundstreckenmeisterschaften und ihre Sponsoren „aus den Augen, aus dem Sinn“ der österreichischen Fans. Was wird von der nationalen Rundstreckenfraktion in vier, fünf Jahren noch übrig sein?
Wenn also der Prophet schon nicht zum (Spiel-)Berg kommen kann, wäre es vielleicht Zeit, dass der Berg zum Propheten kommt. Es wäre nicht das erste Mal. Bei den populären, aber teilweise haarsträubend gefährlichen Rennen „Rund um den Kirchturm“ in den Fünfzigerjahren scheuten die Fahrer kein Risiko, und die Zuschauer – wie Fotos von damals zu entnehmen ist – noch weniger.
Nach den schweren Unfällen jener Zeit (Le Mans 1955 und das alljährliche Blutopfer bei der Mille Miglia) war die Obrigkeit mit Verboten rasch zur Hand und hat damit wahrscheinlich einigen Aktiven und Fans die Gesundheit gerettet. That was then, this is now.
In der Schweiz wird jetzt aktiv die Aufhebung des jahrzehntelangen Motorsportverbotes betrieben (Bergrennen werden trotzdem seit Jahrzehnten unbekümmert veranstaltet), und in Österreich sollte sich die Motorsportlobby - gibt es sie noch? - diesem Beispiel folgen und sich wieder mehr trauen. Und beispielsweise versuchen, wieder ein Straßenrennen aufzuziehen - schon allein weil damit wieder für etwas mehr Abwechslung im Österreichischen Rennkalender gesorgt wäre.
Motorsportlich teilweise wenig ruhmreiche Locations wie Helsinki, Birmingham, Cagliari oder das deutsche Singen haben sich ihre eigenen Straßenrennen gegönnt. Für Kiel, Schwerin, Hamburg, Avignon, Moskau gab bzw. gibt es ähnliche Planungen. Wenn einmal ein geeigneter Ort gefunden ist, ziehen demnach nicht wenige Promotoren und Stadtväter eine solche Veranstaltung ernsthaft in Betracht.
Warum also nicht, statt rund um den Kirchturm, rund ums Einkaufszentrum? Dabei zählt nicht die Kulisse, sondern die praktische Machbarkeit. Der Grand Prix auf der Wiener Ringstraße wird ein müder Aprilscherz bleiben; in den Shopping Cities, Outlets und Gewerbeparks der Republik liegen realistischerweise die möglichen Rundkurse.
Das Gegenargument vom höheren Risiko kann man nicht rundweg zurückweisen, aber auch nicht unkommentiert akzeptieren: erstens kommt es natürlich auf die sorgfältige Streckenwahl an; zweitens hat man sicherheitstechnisch seit 1955 doch ein bisschen dazugelernt. Und drittens gibt es auch jetzt sehr wohl Rennsport auf gesperrten öffentlichen Straßen.
Bergrennen sind zweifelsohne eine der riskanteren Spielarten des Motorsportes. Und natürlich sind auch die Nachfahren der Mille Miglia, die Rallyes, erlaubt. Ein Mischwald stellt ein ähnlich festes Hindernis dar wie eine Ziegelmauer. Das erhöhte Risiko scheint der genehmigenden Obrigkeit hier ebenso wenig auszumachen wie den Aktiven.
Ob sich für ein solches Anliegen heute eine politische Lobby (sprich: ein freundlicher Bürgermeister) findet, steht auf einem anderen Blatt; und die Visionen österreichischer Eventmanager gehen in andere Richtungen. Aber halten wir trotzdem fest: obwohl schwer durchsetzbar, wäre es ebenso möglich wie wünschenswert.
Der österreichische Rundstreckensport braucht eine Veranstaltung, die das Publikum wieder erreicht,
meint Ihr
Johannes Gauglica