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Kleinholz in der WTCC

An Action mangelte es der Tourenwagen-Weltmeisterschaft in Spa nicht, am Ende wurden D. Müller (BMW) und Giovanardi (Alfa) als Sieger abgewunken.

Einmal im Jahr spielt die FIA World Touring Car Championship mit ihren Top-Werksteams deutlich die zweite Geige: bei den 24 Stunden von Spa sind die Tourenwagen nur im „Rahmenrennen“.

Ein Zustand, mit dem die Organisatoren der Weltmeisterschaft nicht mehr glücklich sind. Ab nächstem Jahr gehen die Tourenwagen zunehmend ihre eigenen Wege, schon für 2007 wird als Spa-Ersatz ein Revival des Straßenrennens in Helsinki erwogen.

Für den Moment gibt es den belgischen Traditionskurs noch im WM-Kalender, und er wurde seinem Ruf in vieler Hinsicht gerecht. In der WTCC gibt es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: vorneweg kämpft rot (Alfa Romeo) gegen weiß (BMW), dahinter raufen die „kleineren“ Werksteams (Seat, Chevrolet, Ford, Peugeot) und der „private“ JAS-Honda mit den Privatiers der „Independents“-Wertung.

Spa-Francorchamps gilt als typische BMW-Strecke, dieser Eindruck hielt sich auch im Qualifying für Lauf 11 der Meisterschaft, jedenfalls bis kurz vor Schluß: mit einer späten Attacke aus dem roten Lager schnappte sich der brasilianische Alfa-Pilot Augusto Farfus jr. die erste Pole Position seiner Karriere vor einer BMW-Phalanx (Andy Priaulx, Jörd und Dirk Müller).

Farfus hat das Tourenwagenhandwerk im Alfa-Team bei „Eisenbiegern“ wie Nicola Larini und Gabriele Tarquini gelernt, und diese Schule hat seine Ansicht von Sportlichkeit offenbar beeinflußt: vor allem seit einigen unfairen Eskapaden im letzten Jahr steht der Brasilianer unter FIA-Beobachtung. Auch an diesem Wochenende gab es wieder etwas zu beobachten.

Am Renntag zeigt das Wetter Ardennen-typisch wechselhaft, dunkler Regenhimmel breitet sich genüßlich über der 7-Kilometer-Strecke aus und läßt die Teams rätseln. Anders als die Formel 1 starten die Tourenwagen auf der eigentlichen Start- und Zielgeraden bergab direkt in die berühmte Eau-Rouge-Kurve hinein.

Die BMW stellen Farfus gleich am Start einigermaßen kalt: der Brite Andy Priaulx läßt sich nicht lange bitten und schnappt dem Alfa die Führung weg, Dirk Müller ist knapper Dritter. Weiter hinten im Feld eliminieren die Werks-Seat sich beinahe gegenseitig, Jordi Gene dreht sich und zwingt Rickard Rydell in den Kies.

Alles halb so wild im Vergleich zum Schicksal von Ford an diesem Wochenende: der Werks-Focus von Michael Funke überschlägt sich schon in Runde 1 bei Les Combes, das Auto ist für diese Woche außer Gefecht. Dieser Unfall bringt erstmals einen Chevrolet in Führung: das Safety Car, ein Chevrolet Lacetti, übernimmt die Spitze für eine Runde.

Ab Runde 3 gibt es einen BMW-internen Kampf der Teams BMW UK (eigentlich das belgische Team von Bart Mampaey) und BMW Deutschland (Schnitzer): Dirk Müller kommt an Farfus vorbei, Priaulx verteidigt seine Führung verbissen. Die beiden setzen sich leicht vom Rest des Feldes ab, Jörg Müller sitzt in der Zwischenzeit in einem Alfa-Block fest: vor ihm Farfus und Tarquini, hinter ihm der britische Alfa-Werksmann James Thompson.

In Runde 4 geht Dirk Müller ebenso an Priaulx vorbei wie Jörg Müller an Tarquini, so bleibt die Konstellation bis in die letzte Runde. Vorneweg hält Dirk Müller Priaulx bis zum Schluß im Zaum und kassiert volle Punkte im ersten Rennen; dahinter wird ein bis dahin faires Rennen unschön. Eingangs La Source touchiert Tarquini den einlenkenden Jörg Müller hinten rechts – ein Rennunfall, der Müller eher noch hilft; mit Extra-Schwung setzt er sich innen neben Farfus, Lack wird ausgetauscht.

Dann entscheidet sich Farfus für die harte Tour und drückt den BMW hart nach rechts Richtung Mauer. Der setzt sich durch und wird Dritter, macht aber nachher aus seinem Ärger über den rabiaten Brasilianer kein Hehl.

Die „Independents“-Wertugn geht an Tom Coronel, der bis kurz vor Schluß mit seinem privaten Seat vor allen spanischen Werksautos liegt; der niederländische Routinier läßt sich dann „überraschend“ hinter die Werks-Toledo zurückfallen. Vierter bei den Privatiers wird Stefano D’Aste – wir merken uns diesen Namen.

In der halbstündigen Reparaturpause beginnt es dann offiziell zu regnen. Im Startbereich hört der Regen bald wieder auf, weiter draußen bleibt es naß – eigentlich Intermediate-Wetter auf einer Strecke, die als besonders griffig gilt. Nur: Intermediates gibt es in der WM nicht. Ein Teil der Fahrer, darunter die regenerfahrenen Briten Priaulx und Thompson, setzt also auf Regenreifen, die meisten bleiben auf Slicks.

Die Startaufstellung der ersten acht Plätze wird umgedreht, Fabrizio Giovanardi im Alfa 156 nimmt die Pole ein. Daneben der Spanier Antonio Garcia im 320er-BMW des Ravaglia-Teams, er wird zur wichtigsten „Speerspitze“ für BMW in diesem Rennen. Giovanardi dreht sich fast in der Einführungsrunde, schafft es aber trotzdem, sieh in Führung zu setzen; dahinter kracht es in Eau Rouge: Priaulx verabschiedet sich vom belgischen Publikum, Farfus und Dirk Müller können weiterfahren.

Giovanardi und Tarquini veranstalten vorne ein Alfa-Paarlaufen, ein italienischer Doppelsieg scheint sicher; Garcia im BMW hält tapfer mit. Dahinter rangelt Jörg Müller mit Thompson, der trotz Nässe mit seinen Regenreifen keinen wirklichen Vorteil hat. In Runde 2 geht „Thommo“ dann an die Box und faßt Slicks aus; der Stop wirft ihn weit zurück. Jörg Müller ist also Vierter.

Bester Privatier: Stefano D’Aste, er hat sich von Platz 17 nach vor gearbeitet. In Runde 5 der nächste grobe Unfall: Nicola Larini im Chevy und Thomas Klenke im einzig verbliebenen Ford Focus geraten am Eingang zum „Bus Stop“ aneinander. Der Ford gerät aufs nasse Gras und rutscht ungebremst auf die Strecke zurück; dort trifft er mit einer Präzision, die eigentlich Zusatzpunkte verdient, den ahnungslosen Jordi Gene. Die Fahrer bleiben unverletzt, die Auto sind Schrott.

Die Seat-Ruine muß mittels Tieflader geborgen werden, deshalb gibt es zwei Runden hinterm Safety Car, und somit ein Grande Finale in Runde 8. Zwei Alfa (Giovanardi, Tarquini) genen zwei BMW (Garcia, Jörg Müller) – und wieder kracht es eingangs des Bus Stop. Eine Rempelei beginnt, die vier Kampfhähne fahren sich gegenseitig ins Gehäuse, und aus dem Alfa-Doppelsieg wird ein Fiasko. Dahinter folgt mit einem kleinen Abstand Stafano D’Aste; er macht geistesgegenwärtig den „Abschneider“ nach rechts und kommt am Trümmerhaufen vorbei.

Das hat für ihn zwei Vorteile: erstens ist er weiterhin im Rennen; und zweitens ist vor ihm kein weiteres Auto mehr auf der Strecke. Und wer als erster ins Ziel kommt, hat gewonnen. Das „Proteam“ aus Italien ist ebenso baff wie die Alfa-Werksmannschaft, allerdings aus Freude über einen völlig unerwarteten Sieg.

Schadensbegrenzung für Alfa: Fabrizio Giovanardi prügelt seinen sterbenden 156er noch als Zweiter über die Ziellinie. Dahinter findet Tom Coronel keinen Werks-Seat mehr, den er vorbeilassen könnte. Ein Bilderbuchfinish, dem die FIA-Offiziellen allerdings den Garaus machen. D’Aste faßt wegen Abkürzens der Schikane eine 3-Sekunden-Strafe aus und wird offiziell Zweiter, Giovanardi bekommt am grünen Tisch seinen dritten Saisonsieg zugesprochen.

Stimmen nach dem Rennen:

Stefano D’Aste zu seiner Bestrafung: “Als das Safety Car herauskam, war ich besorgt, weil ich einen guten Vorsprung auf Menu gehabt habe [der dann weg war], aber ich habe die Position halten können, und der Crash in der letzten Kurve hat mich als Sieger übergelassen. Ich habe zwei Möglichkeiten gehabt: in sie [die verunfallten Autos] hineinkrachen oder die Schikane abschneiden, ich glaube nicht, daß ich etwas Falsches gemacht habe.“

Fabrizio Giovanardi, noch vor der Entscheidung der FIA: „Als es zu regnen angefangen hat, war ich froh, denn mit dem Ballast im Auto und einem guten Setup war ich schon im Training im Regen schnell. Ich habe mehr Power gehabt als Garcia und habe geglaubt, ich könnte das zweite Rennen gewinnen. Am Schluß war ich vorsichtig, weil ich in Führung war, und im Bus Stop war [die Strecke] naß... – aber diese Dinge können passieren und der zweite Platz ist gut.“

Dirk Müller, Sieger aus Lauf 1 und im 2. Rennen trotz Aufhängungsbruch Fünfter: „Es war für mich ein Glückstag. Das erste Rennen war unglaublich. Mein Start war perfekt, dann habe ich Farfus überholt und glücklicherweise den Windschatten von Andy (Priaulx) erwischt. Der Kampf zwischen Andy und mir war hart. Im zweiten Rennen war der Unfall in Eau Rouge erschreckend, aber das Auto war (hinterher) in Ordnung. Also bin ich bis auf den vierten Platz gekommen, aber dann war da die letzte Kurve; ich habe gewußt, daß etwas passieren wird, weil die Anderen offensichtlich zu spät gebremst haben.“

Die FIA-Tourenwagenweltmeisterschaft geht am 28. und 29. August im Motopark Oschersleben weiter.

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