WTCC Istanbul: die Rennen | 24.09.2006
Winning in the rain
Alex Zanardi hatte in Lauf 1 noch das Wetter-Glück auf seiner Seite; "Spiderman" Gabriele Tarquini erwies sich in Lauf 2 als Wasserspinne, und sein Seat-Kollege Peter Terting als Team-Player.
Von Anfang an war in Istanbul das Wetter ein Thema: Das schnellste Team im Training war BMW Italy-Spain mit Alessandro Zanardi und Duncan Huisman, aber in einem verregneten Qualifying schnappte Seats Schwede Rickard Rydell noch Zanardi die Pole Position weg. Zanardi fuhr mit dem zweiten Platz in Reihe 1 nichtsdestoweniger seine bisher beste Startposition heraus.
Bereits in der ersten Runde gab es Scherben: Tabellenführer Andy Priaulx nach einem Dreher mit Privatier Luca Rangoni aneinander; Priaulx’ 320si wies danach schwere „Gebrauchsspuren“ auf. Er kam nur auf Platz 14 ins Ziel, hat also mit seiner Einschätzung vermutlich recht: Der Titel wird erst beim Grande Finale in den Häuserschluchten von Macau entschieden.
Schadensbegrenzung: Auch Priaulx’ nähester Rivale um die Meisterschaft, sein Landsmann James Thompson im Seat Léon wurde in den selben Unfall verwickelt und musste mit Platz 17 ebenfalls einen „Nuller“ hinnehmen. Augusto Farfus jr. im Alfa Romeo ging mit Platz 9 ebenfalls leer aus.
Es schepperte noch ein paar Mal in diesem turbulenten Lauf: Jörg Müller und Yvan Muller kegelten sich gegenseitig von der Strecke; Jordi Gene lieferte seiner Crew einen rechtschaffen zerfetzten Léon ab; Alfa-Mann Farfus wehrte sich mit Zähnen und Klauen gegen jeden, der ihn zu überholen versuchte, und tat damit den Führenden Zanardi, Rydell und dem einsamen Dritten Gabriele Tarquini einen Gefallen.
Was passierte an der Spitze? - Der italienische Veteran Zanardi nutzte kaltblütig die bekannte Stärke der heckgetriebenen BMW aus und katapultierte sich in Führung, und dort blieb er auch, allen Versuchen Rydells zum Trotz, bis ins Ziel. Ein bisschen Sentimentalität ist immer noch dabei, wenn man den „Donut King“ einen Sieg feiern sieht. (Donuts gab es diesmal leider keine, wahrscheinlich hat die böse Tante FIA etwas dagegen.)
Für Stimmung sorgte auch das Rennen um den Independents-Sieg: Rangoni kam nach seinem Hoppala in Runde 1 wieder tadellos in Schwung und bekam es dann mit Tom Coronel zu tun. Der „Super-Privatier“ aus Holland ging vorbei, aber Rangoni tat sein Bestes, die Situation wieder umzudrehen. Rauferei auf Rädern: In Runde 8 und 9 wurde er jeweils vom wütend attackierenden Farfus neben die Strecke befördert, Pierre-Yves Corthals im Privat-Honda ging noch vorbei. Und Coronel tat mit diesem Sieg einen weiteren Schritt zum Independents-Meister 2006.
Und dann fing es an zu schütten...
Volle zwei Stunden mussten die Fans auf den zweiten Lauf warten. Einige Streckenteile waren so überschwemmt, dass die Wassermassen dort abgepumpt werden mussten. In der einsetzenden Dämmerung war das leuchtend orange Auto an der Spitze des Feldes gut zu erkennen: Mit Tom Coronel stand da irgendwo im Dunkeln zum ersten Mal ein Privat-Auto auf der Pole.
„Eat my dust“ steht am Heck des Coronel’schen Seat; Staub war nach dem Wolkenbruch allerdings keiner verfügbar. Stauben ließ es dafür Chevrolet-Fahrer Nicola Larini. Der bislang Erfolgloseste der „Blauen“, ist er dennoch gemeinsam mit sienen Kollegen Rob Huff und Alain Menu für nächstes Jahr bestätigt. Er übernahm die Führung, Peter Terting (Seat) zog nach.
Coronel rutschte bei der Verteidigung seines nunmehrigen dritten Ranges gleich in Kurve 1 auf die Außenlinie, er musste die BMW von Landsmann Duncan Huisman und Dirk Müller passieren lassen. Dann hatte er noch in Stefano d’Aste einen Herausforderer.
In Runde 10 knöpfte der Italiener dem Holländer tatsächlich den Independents-Sieg noch ab. Dritter bei den Privaten wurde mit iener feinen Leistung der türkische Lokalmatador Ibrahim Okyay. Andere starke Leistungen: Chevy-Fahrer Rob Huff von Platz 16 auf 6, BMWs Jörg Müller aus der Boxengasse auf Platz 8.
Gabriele Tarquini fand sich mittlerweile am Ende der ersten Runde nur auf Platz 9 wieder, dort war aber für ihn nicht Endstation. Gemeinsam mit Peter Terting rackerte er sich Platz um Platz nach vorne; knapp vor Schluß musste der junge Deutsche sich dann einer Teamorder fügen und verzichtete zugunsten Tarquinis auf den Sieg – damit stand der Veteran zum ersten Mal in der WM ganz oben auf dem Stockerl. Dahinter hatte Larini endlich einmal einen erfolgreichen Tag und sicherte sich den dritten Platz.
Vom regnerischen Istanbul geht es zum Aufwärmen ins hoffentlich sonnige Valencia, wo am 7. und 8. Oktober auch eine Lady ins Lenkrad greifen wird: Maria de Villota, Tochter de ehemaligen F1-Piloten Emilio, wird die erste Fahrerin in der WTCC-Geschichte.
Punktestand nach den Rennen in Istanbul:
Fahrerwertung: 1. Priaulx (58 Punkte), 2. Tarquini (57), 3. Rydell (54), 4. D. Müller (51), 5. Thompson (49), 6. Farfus (46), 7. J. Müller (46), 8. Y.Muller (45).
Herstellerwertung: 1. SEAT (201), 2. BMW (192), 3. Alfa Romeo (125), 4. Chevrolet (103).