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Christian Klien im motorline.cc-Interview

Christian Klien sprach mit motorline.cc über seinen neuen Job bei Honda, die neuen Regeln der F1, die Kräfteverhältnisse und vieles mehr.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Christoph Aschauer

Christian Klien hat derzeit viel zu tun - als Testpilot ist er voll in die Saisonvorbereitungen seines Honda-Teams integriert. Wir haben dem Hohenemser bei den Tests in Spanien einen Besuch abgestattet...

Christian, wie geht es dir im neuen Team, wie ist die Akklimatisierung verlaufen?

Das ging eigentlich sehr schnell - ich habe im November und Dezember des Vorjahrs erst einmal 3.000 Kilometer getestet, war auch in der Fabrik in Brackley auf Besuch und bin wirklich sehr gut vom Team aufgenommen worden.

Und es dauerte auch überhaupt nicht lange, bis ich mich in diesem Team wohl gefühlt habe. Die Crew ist auch sehr gut aufeinander eingespielt und sie haben mir wirklich gut unter die Arme gegriffen und mir sofort geholfen, wenn es ein Problem gab. Es ist wirklich ein sehr angenehmes Arbeiten in diesem Team.

Hast du eigentlich schon vor deiner Trennung von RBR Kontakte zu Honda geknüpft?

Nein, das hat sich erst nach der Trennung von RBR ergeben.

Hat bei deiner Verpflichtung auch dein Fahrstil eine Rolle gespielt - dass man gesagt hat: 'Der passt vom Fahrstil her gut zu unseren Stammpiloten'?

Nein, das hat überhaupt keine Rolle gespielt.

Wie geht es dir mit den Einheitsreifen?

Es ist schon ein recht großer Unterschied, wenn du jetzt das erste Mal mit den neuen Reifen fährst. Weil sie härter sind, weil sie zirka zwei bis drei Sekunden langsamer sind. Aber man gewöhnt sich eigentlich recht schnell an diese Reifen. Nach einigen Tests fühlen sie sich schon wieder normal an, so als ob sie schon immer so gewesen wären. Klar, die Rundenzeiten sind natürlich langsamer.

So ein Tests ist wahrscheinlich auch anstrengender als ein Grand Prix-Tag?

Ja, viel anstrengender. Du musst bedenken: Wir fahren, wenn alles gut geht, zirka 100 bis 120 Runden an einem Tag, das sind zwei Renndistanzen. Da geht es dahin von neun bis fünf Uhr: Rein ins Auto, raus aus dem Auto. Raus auf die Strecke, rein an die Box. Das ist erheblich anstrengender.

Es geht schon los mit einem Meeting um acht Uhr am Morgen, dann Massage, dann nur eine kurze Mittagspause, bis fünf wird gefahren, dann gibt es bis sieben am Abend noch Meetings. Und schon ist der Tag vorüber. Und jeder Testtag läuft im Grunde gleich ab.

Wenn man am Streckenrand steht, wirkt der eine Fahrer eher aggressiver, der andere weniger. Wie weit stimmen diese optischen Eindrücke mit der Realität überein - kann man das überhaupt seriös von außen beurteilen?

Das halte ich schon für möglich - aber du musst aufpassen, du musst immer darauf achten, wer gerade welche Elemente austestet. Du kannst ein Qualifying simulieren, mit wenig Benzin - dann musst du aggressiv fahren. Oder du musst einen Longrun fahren, wo du auf die Hinterräder aufpassen musst - da bist du eher weniger aggressiv unterwegs.

Es ist bei diesen Testfahrten sogar für einen, der tagtäglich dabei ist, für einen Profi also schon extrem schwierig zu erkennen, welches Team jetzt tatsächlich schnell ist, welches Team gerade welche Dinge austestet. Es ist auch für uns schwierig, das abzuschätzen.

In den Internetforen wird oft heiß diskutiert. Beispielsweise gibt es eine Theorie, wonach Fernando Alonso mit seinem eher weicheren Fahrstil dafür sorgen wird, dass es bei McLaren-Mercedes weniger Ausfälle geben wird, weil er im Gegensatz zu Kimi Räikkönen sein Fahrzeug mehr schont. Was ist deiner Meinung nach dran an solchen Theorien?

Das halte ich für Quatsch. Der Räikkönen ist eher einer, der ziemlich ruhig fährt. Du musst dir einmal seinen Fahrstil anschauen, das ist ein sehr, sehr ruhiger Fahrstil.

Grundsätzlich gibt es aber schon Unterschiede, dass ein Fahrer die Reifen ein bisschen mehr schont als ein anderer, oder?

Ja. Der Alonso hat zum Beispiel sehr stark die Vorderreifen verbraucht, weil er einen sehr aggressiven Fahrstil hatte, weil er ruckartig eingelenkt hat. Der Alonso hat einen viel aggressiveren Fahrstil als der Räikkönen. Da ist also eher das Gegenteil der Fall - da sieht man wieder, dass solche Theorien nicht wirklich Hand und Fuß haben.

Es heißt ja, dass Honda in dieser Saison das Umweltbewusstsein des Konzerns auch optisch unterstreichen möchte. Zum einen sollen Sonnenkollektoren an den Motorhomes angebracht werden, zum anderen gibt es Gerüchte, wonach die Boliden 2007 mit grüner Lackierung ausrücken werden. Was ist dran an diesen Gerüchten, wie sieht der RA107 in der endgültigen Lackierung aus?

Da kann ich leider nichts dazu sagen, da muss man abwarten.

Und die Lackierung - hast du sie schon gesehen?

(lacht) Die gibt's noch gar nicht. Im Ernst: Ich weiß schon, wie der Plan aussieht, aber wir dürfen dazu noch nichts sagen. Und das endgültige Design gibt es tatsächlich noch nicht, daran wird noch gearbeitet. Aber das wird Ende Februar präsentiert, da wird in London noch einmal ein Marketing-Launch abgehalten, da werden wir es dann wissen. Die erste Präsentation war praktisch nur eine technische Präsentation, wo sie bloß das Auto vorgestellt haben.

Eine wichtige Frage ist natürlich jene nach dem Weg zurück - zurück ins Renncockpit. Du hast den Vorteil, dass du noch jung bist, du hast noch Zeit.

An und für sich ist mein Ziel ganz klar, nämlich wieder Rennen in der Formel 1 zu fahren. Ich sehe die Testpilotenrolle bei Honda als Zwischenstufe und ich sehe es so, dass ich hier, als Testfahrer in einem Topteam, sehr viel dazulernen kann. Und zugleich versuche ich natürlich, meine Erfahrung aus drei Jahren Formel 1 ins Team einzubringen und dem Team weiterzuhelfen.

Zugleich geht es mir natürlich auch darum, ein gutes Standing zu erarbeiten, zu zeigen: 'Aha, der ist wirklich schnell!' Das Ziel ist natürlich, wieder zurück ins Renncockpit zu gelangen. Wenn die Leistung passt, und davon gehe ich aus, dann ist mein Engagement bei Honda eine sehr gute Möglichkeit für mich.

Ändert sich aufgrund deiner Rolle als Testpilot dein Privatleben? Nicht wirklich, oder?

Ich arbeite immer noch in der Formel 1, nur hat das Auto jetzt eine andere Farbe.

Du bist bei den Tests mit deinem Wohnmobil vor Ort, wirst du es auch an den Grand Prix-Wochenenden dabei haben?

Naja, ich glaube, das werde ich nur bei den Tests mitbringen.

Aber du wirst als Ersatzpilot klarerweise an den Rennwochenenden vor Ort sein?

Ja, da bin ich natürlich dabei, schon klar.

Auch an den Rennsonntagen?

Ja.

An den Rennsonntagen müsstest du vom Vertrag her eigentlich nicht mehr vor Ort sein, denke ich. Aber es ist dir lieber, vor Ort dabei zu sein, als dir das Rennen zuhause im TV anzusehen?

An den Sonntagen müsste ich nicht mehr dort sein, das ist richtig. Aber ich will natürlich dabei sein, das ist ja auch mein Team, wo ich daran mitarbeite, das Auto schneller zu machen. Da will ich natürlich dabei sein und sehen, was vor sich geht. Ich will das aus nächster Nähe verfolgen und ich möchte auch meinem Team helfen, so weit ich es eben kann.

Völlig schmerzlos wird das Zuschauen an den Rennsonntagen wohl nicht sein für dich, befürchte ich...

Das Zuschauen wird sicher sehr schmerzhaft, das stimmt allerdings.

Wie schätzt du die Kräfteverhältnisse der Saison 2007 ein? Beginnen wir mit Renault: Giancarlo Fisichella - wird ihm "der Knopf aufgehen"? Wird er um die Weltmeisterschaft kämpfen?

Ich glaube, dass Fisichella in diesem Jahr mit weniger Druck fahren wird, weil er in dieser Saison bei Renault die Nummer eins ist, weil er auch der erfahrene Pilot ist. Darum denke ich, dass es ihm in diesem Jahr leichter fallen wird.

Sein Teamkollege, Heikki Kovalainen, ist zwar neu als Grand Prix-Pilot, der Finne ist aber auch ein schneller Mann. Glaubst du, dass Fisichella die Oberhand über den Heikki behalten kann?

Erfahrung macht schon sehr viel aus in der Formel 1, gerade am Rennwochenende. Ich glaube, dass Fisichella zunächst die Oberhand behalten wird, aber man darf den Kovalainen nicht unterschätzen. Das ist ein sehr starker Fahrer, der ganz sicher kommen wird.

Ferrari. Für mich ein großes Fragezeichen. Was glaubst du?

Ich glaube, dass sie die Performance vom letzten Jahr in die neue Saison mit übernehmen können. Der Kimi Räikkönen ist ein ganz schneller Fahrer und auch Felipe Massa ist sehr, sehr gut. Ich glaube, dass Ferrari die Leistung vom letzten Jahr übernehmen und fortsetzen kann.

Fernando Alonso und McLaren-Mercedes - für manche Experten der absolute Topfavorit. Was sagst du?

Alonso kommt mit zwei Weltmeistertiteln zu einem Team, das auch schon mehrmals den Titel erobern konnte. Das ist also eine sehr starke Kombination, die darf man sicher nicht unterschätzen. Aber wie vorhin gesagt: Im Winter kannst du die Teams eigentlich nicht seriös einschätzen, es ist alles offen. Es ist so schwierig, das einzuschätzen - weil beim Testen jeder ein anderes Programm fährt.

Und vor allem fährt jedes Team, jeder Fahrer andauernd mit unterschiedlichen Benzinmengen. Die einen fahren mit 50 Kilogramm, die anderen mit 20 Kilogramm. Zehn Kilogramm ergeben einen Unterschied von drei Zehntelsekunden. Es ist derzeit so schwierig, das abzuschätzen...

Was man jedoch sicher sagen kann ist, dass die Zeitabstände geringer wurden. Die Teams liegen näher beieinander, oder?

Nicht wirklich. Es war im letzten und auch im vorletzten Jahr bereits der Fall, dass die Teams beim Testen näher beieinander lagen. Ich glaube nicht, dass die Zeitabstände an den Grand Prix-Wochenenden so viel näher beisammen liegen werden.

Aber du siehst niemanden dominieren? Also schon eher in die Richtung, dass es verschiedene Sieger geben wird?

Das schon, das kann ich mir gut vorstellen.

Also dürfen wir uns auf ein spannendes Jahr freuen?

Ich glaube schon, dass es eine spannende Saison Jahr wird.

Alex Wurz kehrt zurück in die Startaufstellung. Was sagst du dazu?

Erstens finde ich es super, dass er in diesem Jahr wieder im Renncockpit sitzt. Er hat die letzten Jahre über wirklich sehr hart gebissen. Aber man muss halt jetzt einmal schauen, wie stark das Williams-Team sein wird.

Der Stapellauf war ja viel versprechend. Am ersten Tag mit dem neuen Williams-Toyota FW29 fehlten Alex als Zweitem nur 0,035 Sekunden auf die Bestzeit. Gut, wie wir wissen, sagen die Zeiten nicht so viel aus - aber der Wagen zeigte auch keine besorgniserregenden Kinderkrankheiten.

Was die Zeit anbelangt - wir wissen eben nicht, wie sie zustande kam. Vielleicht ist der Alex am Schluss der Session noch einmal mit wenig Benzin raus gefahren und konnte so die Bestzeit fahren? Das ist so schwierig abzuschätzen. Du kannst vielleicht gerade einmal eine Tendenz erkennen, wenn du am Ende alle Tests zusammenzählst. Aber ein einziger Testtag ist dahingehend völlig nutzlos.

Es ist wie in jedem Jahr bei den Wintertests, wo alle zu wissen glauben, wer wie schnell ist. Und dann kommst du zum ersten Rennen nach Melbourne und alles ist ganz anders.

Das ausführliche, große Interview mit Christian Klien sowie einen exklusiven Bericht des Hohenemsers über den Ablauf eines "ganz normalen Testtages" finden Sie in der 36-seitigen Formel 1-Saisonvorschau des Magazins Rally & more, welche der März-Ausgabe beiliegen wird.

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