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Mehr Überholmanöver durch Verbot der Traktionskontrolle?

Garantiert das ab der Saison 2008 geltende Verbot der Traktionskontrolle auch eine Verbesserung des Rennsports, also mehr Überholmanöver?

Michael Noir Trawniczek

Ein Raunen ging durch die Fans - endlich ist sie weg, die Traktionskontrolle. Die Oberste Sportbehörde FIA hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass die Traktionskontrolle ab 2008 verboten wird - möglich wurde dieser Schritt, weil es ab 2008 auch eine standardisierte elektronische Steuereinheit (ECU) geben wird und es so den Teams nicht mehr möglich sein sollte, eine illegale Traction Control in der Software zu verstecken. "Die erste gescheite Entscheidung der FIA seit langem", jubelt ein Fan. Und er ist nicht alleine mit dieser Meinung...

Welche Folgen hat das Verbot der Traktionskontrolle in der Praxis? Williams-Technikdirektor Sam Michael erklärt gegenüber Autosport: "Derzeit ist es so, dass alles automatisch geregelt wird. Der Pilot steigt einfach voll auf das Gaspedal - hier wird derzeit keinerlei Raffinesse benötigt, da die Elektronik den Piloten alles abnimmt." Steigt der Pilot zu stark auf das Gaspedal, passiert nichts, die TC regelt das. Ohne TC würden die Hinterräder durchdrehen oder gar das Heck ausbrechen - so wie das früher bei den berühmten "1000 PS-Monstern", den Turbo-Boliden von Gerhard Berger und Co. Durchaus üblich war.

Der "Gasfuß" feiert Renaissance

Michael sagt dazu: "Die Fahrer müssen ohne Traktionskontrolle sensibler und vorsichtiger mit dem Gaspedal arbeiten - und sie müssen erst wieder lernen, dieses Gefühl aufzubringen, so wie das vor dem Barcelona-Grand Prix 2001 der Fall war." Seit damals ist die Traktionskontrolle offiziell erlaubt, weil die FIA damals keine wirksame Kontrolle garantieren konnte.

Absurd. In der GP2, der Rennserie direkt unter der Formel 1, wird mit Slicks und mit relativ "giftigen" Boliden gefahren, deren Hinterteile recht schwer zu kontrollieren sind - steigt der Pilot dann in die F1 auf, wird ihm die Arbeit mit dem Gaspedal abgenommen. So gesehen ist es höchste Zeit, dass die Traktionskontrolle im Museum landet. So wird sicher der Wert des Piloten gesteigert, der Fahrer kann mit einem sensiblen Gasfuß wieder Zeit gutmachen.

Umgekehrt verleitet das Fehlen der Traktionskontrolle auch zu derzeit nicht einmal möglichen Fahrfehlern. Was viele Fans zu der Annahme bringt, dass aufgrund der größeren Fehlerwahrscheinlichkeit auch der Rennsport selbst profitieren wird, dass es wieder mehr Überholmanöver geben wird.

Techniker glauben nicht an mehr Überholmanöver

Die Technikprofis sind diesbezüglich jedoch skeptisch. Sam Michael glaubt: "Der Rennsport wird sich dadurch nicht ändern. Es wird vielleicht ein paar Fahrfehler mehr geben und die Piloten müssen mehr auf die Hinterräder aufpassen - weshalb Fahrer mit einem Gefühl für die Hinterräder und das Gaspedal eher glänzen werden. Aber ich wäre sehr überrascht, wenn der Rennsport dadurch mehr Spannung bieten würde." Dem pflichtet auch Michael's Kongenial bei Spyker-Ferrari, Stardesigner Mike Gascoyne bei: "Ich glaube nicht, dass der Bann der Traktionskontrolle irgendeinen Unterschied in Sachen Racing bewirken wird."

Alex Wurz hat sich vor ziemlich genau einem Jahr in einem Exklusivinterview mit motorline.cc als "Fan der Traktionskontrolle" geoutet: "Heutige Formel 1-Autos würden ohnehin nicht driften, weil die Reifen das nicht zulassen in der Art und Weise, wie manche sich das vorstellen. Mit Traktionskontrolle - die im Übrigen überhaupt keine Fahrhilfe ist wie in einem Straßenauto - fährt es sich generell knapper am echten physikalischen Limit. Und das ist geil." Auch ein interessanter Ansatz - allerdings muss hinzugefügt werden, dass die Reifen vor einem Jahr noch um einiges weicher gemischt waren, als dies bei den heutigen Einheitsreifen der Fall ist.

Aerodynamik bleibt kritisch

Aber noch ein anderer Punkt lässt Zweifel daran aufkommen, dass ein Verbot der Traktionskontrolle ausreicht, um künftig mehr Überholmanöver zu sehen: Zwar verleiten Fahrfehler zu Überholmanövern - prinzipiell jedoch wird es wegen der Aerodynamik auch im kommenden Jahr schwierig sein, dicht hinter einem anderen Boliden herzufahren - weil die Boliden stark vom aerodynamischen Anpressdruck abhängig sind und im Windschatten wegen dem Mangel an Downforce zu schlittern beginnen.

Da die Fahrer also auch 2008 nicht allzu knapp hinter den Konkurrenten herfahren können, wird es auch schwer sein, einen Fahrfehler des Vordermanns auszunützen - dann dazu müsste man einfach näher an den Vordermann ran fahren können. Die FIA muss also noch ein paar mehr dieser "gescheiten Beschlüsse" fassen - ohne eine Reduktion der sensiblen Aerodynamik wird das Überholen an sich nicht leichter werden.

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