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Wie auch immer entschieden wird - es droht ein Nachspiel

Das World Council wird am Donnerstag eine Entscheidung in der Spionageaffäre treffen - doch es ist zu befürchten, dass noch lange weiter gestritten wird...

Michael Noir Trawniczek

Am Donnerstag ist es so weit: Der Weltmotorsportrat der Obersten Sportbehörde FIA wird in Paris eine Anhörung abhalten. Dort sollen die Karten auf den Tisch gelegt werden - es geht um jene neuen Beweise, welche die FIA dazu veranlasst hat, die ursprünglich von Präsident Max Mosley angesetzte Berufungsverhandlung nach dem Freispruch für McLaren-Mercedes abzusetzen und stattdessen ein neuerliches Hearing abzuhalten.

Diese neuen Beweise sollen untermauern, dass McLaren-Mercedes das 750 Seiten umfassende Dossier mit geheimen Daten der Scuderia Ferrari zu deren Vorteil genützt haben soll. Die Informationen wurden bekanntlich von dem frustrierten ehemaligen Ferrari-Mechaniker Nigel Stepney an den früheren McLaren-Ingenieur Mike Coughlan überreicht, dessen Ehefrau kopierte das Dokument in einem öffentlichen Copyshop, wodurch die Affäre aufflog. Das Dokument enthält wesentliche Informationen zum aktuellen Fahrzeug und zu den allgemeinen strategischen Vorgangsweisen der Scuderia Ferrari.

Fahrer involviert?

Bislang argumentierte McLaren-Mercedes, man habe Coughlan umgehend entlassen und das Dossier keinesfalls studiert oder gar im Wettbewerb eingesetzt. Gerüchten zufolge sollen die McLaren-Piloten Fernando Alonso und Pedro de la Rosa in einem Emailverkehr über Details aus dem Dossier, beispielsweise über Setupeinstellungen des Ferrari F2007 kommuniziert haben - was ein klarer Beweis dafür wäre, dass die Ferrari-Informationen im Hause McLaren weitergereicht und daher sehr wohl genutzt wurden.

FIA-Präsident Max Mosley hat in einem Schreiben die McLaren-Piloten dazu aufgefordert, alle ihnen bekannten Informationen zur Spionageaffäre bekanntzugeben. Den Fahrern wurde sogar Straffreiheit versprochen, aber auch ernste Konsequenzen angedroht, sollte sich herausstellen, dass die Piloten relevante Informationen zurückgehalten haben. Alonso gab am Wochenende in Monza bekannt, dass er bereits auf das FIA-Schreiben geantwortet habe. Sogleich kamen wilde Gerüchte auf, Alonso habe sein Team verraten, was dieser vehement dementierte und darauf verwies, dass er sich damit selbst schaden würde.

Neben den von der FIA vorgebrachten neuen Beweisen will auch die Scuderia Ferrari weiteres belastendes Material vorlegen, wie Teamchef Jean Todt bestätigt hat. Zugleich ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft - wegen Betrug, Verletzung von Industriegeheimnissen und Unterschlagung, auch in England ermitteln die zibilen Behörden.

McLaren schwärzte Renault an

Jetzt wurde bekannt, dass nun auch das Weltmeisterteam Renault in die Affäre verwickelt wurde - allerdings nur indirekt. Die Anwälte von McLaren-Mercedes haben die FIA auf "bestimmte technische Entwicklungen am aktuellen Renault" aufmerksam gemacht, wie die Sportbehörde gegenüber Autosport bestätigte.

Dies hat jedoch nichts mit der Spionageaffäre selbst zu tun, die FIA erklärte: "Wir können bestätigen, dass Renault nicht Bestandteil der Untersuchungen hinsichtlich McLarens mutmaßlichen Verstoßes gegen Artikel 151c des Sportlichen Reglements ist." Bei dem Hearing am Donnerstag wird dieser neu hinzugekommene Fall sicher nicht behandelt, dafür würde dann ein weiteres Hearing installiert werden.

Renault-Teamchef Flavio Briatore wird am Donnerstag als Zuschauer dem Hearing beiwohnen - gegenüber der Gazzetta dello Sport erklärte er: "Ich habe gehört, dass uns Ron Dennis auch beschuldigt, er wirft mit Steinen um sich. Wir sind aber ganz ruhig, kein Problem. Wir wollen die Wahrheit erfahren, das ist für alle Investoren in der Formel 1 wichtig. Wir müssen reinen Tisch machen. Wenn jemand etwas Falsches getan hat, muss er dafür bezahlen. Wenn da nichts war, dann muss es die FIA sagen - und dann müssen sich alle bei demjenigen entschuldigen, der fälschlich verdächtigt wurde."

Kein Ende in Sicht

Dass am Donnerstag die Spionageaffäre beendet wird, ist allerdings nahezu auszuschließen. Ferrari hat bereits angekündigt, dass man im Falle eines neuerlichen Freispruchs die Sache "nicht dabei bewenden lassen" und "die Ermittlungen weiter vorantreiben" werde. Damit meint Todt die zivilen Verfahren in Italien und England. Zum FIA-Hearing wollte sich der Franzose nicht konkret äußern - doch man kann davon ausgehen, dass Ferrari auch und vor allem auf dieser Ebene weiterkämpfen wird.

Im Gegensatz zur letzten Verhandlung, in welcher McLaren-Mercedes zwar für den Besitz von fremden, illegalen Informationen schuldig gesprochen, im Sinne des Paragraphen 151c des Sportreglements (Nutzung fremder Informationen) jedoch freigesprochen wurde, wird Ferrari am Donnerstag auch aktiv an der Beweisführung teilnehmen.

Sollte McLaren-Mercedes am Donnerstag für schuldig befunden und bestraft werden, kann davon ausgegangen werden, dass gegen die Entscheidung Berufung eingelegt wird - wie auch immer diese Entscheidung lauten wird.

Dann allerdings wird, so heißt es, erst nach dem WM-Finale am 21. Oktober in Brasilien weiterverhandelt. Das wiederum bedeutet, dass es am Ende, wenn in Interlagos die Zielflagge geschwenkt wird, immer noch unklar sein könnte, ob der Weltmeister 2007 auch tatsächlich Weltmeister bleiben wird. Und das betrifft nicht nur die Konstrukteurswertung - weil im Falle einer klaren Beweislage gegen die McLaren-Piloten auch diesen eine Strafe droht. Lediglich wenn einer der beiden Ferrari-Piloten am Ende die Nase vorne haben sollte, darf diesem zum Titel gratuliert werden - doch Felipe Massa und Kimi Räikkönen werden nach der Niederlage von Monza nur noch Außenseiterchancen zugerechnet.

Es ist zu befürchten, dass die bislang spannende WM 2007 von der Spionageaffäre überschattet, ja sogar ruiniert wird. Das erhoffte WM-Finale mit vier Titelaspiranten scheint ohnehin bereits recht unwahrscheinlich, doch nun droht eine WM-Entscheidung auf dem grünen Tisch - möglicherweise lange nachdem in Brasilien der letzte Motor verstummt ist.

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