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Die Autos des Alexander W.

Vergleicht man Alexander Wurz' Siegerauto von 1996 mit seinem Sportgerät von 2008, gibt es auf den ersten Blick kaum Gemeinsames...

Recycling: TWR-Porsche WSC-95, 1996

1996 war eines der in der Sportwagenszene viel zu oft eintretenden „Übergangsjahre“. Drei Jahre zuvor war die Gruppe C kollabiert, die aerodynamisch extremen Coupés mit 800 PS und mehr gingen in Pension.

In Amerika wurden in einer Gegenbewegung die offenen „World Sports Cars“ (WSC) ausgerufen, und Le Mans zog mit.

Zu Beginn der WSC-Ära wurden auch einige Gruppe-C-Autos umgemodelt. In der Sportwagenszene schmeißt man nichts weg, denn das Geld ist knapp und wer weiß, ob sich die Regeln nicht doch vielleicht einmal wieder ändern.

In die „Restlverwertung“ fielen 1995 auch die Jaguar XJR-14 von Tom Walkinshaw Racing (TWR). Die früheren britischen Werkswagen wurden kurzerhand geköpft, dem Reglement angepasst und mit bewährten 3l-Turbo-Boxermotoren versehen.

Das Resultat nannte sich TWR-Porsche WSC-95 und sollte in diesem Jahr in Daytona debütieren. Dann änderten die Amerikaner über Nacht die Regeln zum Nachteil der Turbos, Porsche war beleidigt, die Autos wurden eingemottet.

Ein Jahr später erbat sich der Teamchef und langjährige Porsche-Partner Reinhold Joest die Autos als Leihgabe für Le Mans. Das Werk sagte zu, betrieb allerdings Kindesweglegung: Mit dem Einsatz wollte man nichts zu tun haben, man setzte voll auf den 911 GT1.

Der auch für Opel in der DTM/ITC aktive Joest entstaubte den WSC-95; ins Auto mit der Nummer 7 setzte er seine damaligen DTM-Fahrer Manuel Reuter und Alexander Wurz. Reuter hatte in Frankreich bereits gewonnen. Dazu kam der ehemalige Jaguar-Werksfahrer Davy Jones aus den USA.

Laut einer alten Weisheit ist Joest, wenn er in Le Mans die Nummer 7 hat, automatisch der Favorit. Das bewahrheitete sich auch 1996, und Porsche musste das ungeliebte Kind WSC-95 schleunigst wieder adoptieren.

Die beiden Werks-911er kamen auf Platz 2 und, das Wendlinger-Auto, Platz 3; aber vorneweg war die Nummer 7. Im folgenden Jahr konnte Joest das Kunststück mit den gleichen Autos wiederholen.

Löwenherz: Peugeot 908 HDi FAP, 2008

Die Jahre 1999 lassen sich mit einem Wort zusammenfassen: Audi. Wieder hatte, und hat bis heute, Reinhold Joest seine goldenen Hände im Spiel.

Die Konkurrenz blieb bis auf ein patschertes Projekt der Marke Cadillac zu Hause, und so blieben die Ingolstädter praktisch ein Jahrzehnt ungeschlagen. Einzig 2003 durfte die Audi-Tochterfirma Bentley mit einem de-facto-Audi auch noch einmal gewinnen.

Weil es gar so fad war, verlegten sich die Deutschen aufs Experimentieren und bauten nach den aktuellen LMP1-Regeln den monumentalen Renn-Diesel R10.

Schließlich ist die VW-Gruppe einer der größten Dieselmotor-Produzenten Europas.

Der andere heißt Peugeot. Und dort waren nach dem WRC-Rückzug Kapazitäten frei. In Frankreich wurde man neugierig - Schon 1992 und 1993 war die Löwen-Marke in Le Mans erfolgreich (Rennleiter damals: Jean Todt).

Die damals mit dem 905 begonnene „Modellreihe“ der Rennwagen wurde also mit dem 908 fortgesetzt. (Ironischerweise gab es schon vor gut 40 Jahren einen erfolgreichen Rennwagen namens 908, nämlich von Porsche.)

Peugeot entschied sich für ein geschlossenes Coupé; die Regeln lassen offene und geschlossene Autos zu.

Audi fuhr 2007 in Amerika, also hatte Peugeot die europäischen 1000km-Rennen für sich. In Le Mans gab es das „Gipfeltreffen“, dort gelang dem französischen Team immerhin Platz 2.

Heuer will man mit dem verbesserten 908 mehr, und nach den ersten Testergebnissen zu schließen, ist man bereit. Und vielleicht sitzt Alex Wurz ja wieder in der Nummer 7…

Die Hauptunterschiede

Der augenfälligste Unterschied ist natürlich das Dach. Die grundlegenden Maße sind ähnlich: In der Länge differieren die Autos nur um 4 Zentimeter, der TWR-Porsche ist mit 4.650 mm das längere Auto. In der Breite sind sie mit 2 Metern identisch (so steht’s ja in den Regeln), und trotz Hardtop ist der Peugeot um 2 Zentimeter niedriger (1.030 mm).

Darüberhinaus ist der Radstand auf 2.950 mm gewachsen, weil das Reglement ihn jetzt so vorschreibt. Das soll die Stabilität erhöhen, eine „Stufe“ im Unterboden und ein (nicht besonders hübscher) Luftwiderstandskörper am Heck-Diffusor sollen aerodynamische Instabilität des Autos bei hohen Geschwindigkeiten verhindern.

Auch die Bodenfreiheit muss heute höher sein, das soll die Sogwirkung des Unterbodens verringern. Der WSC-95 hat hingegen einen flachen Unterboden und überhaupt keinen Diffusor – im Gegensatz zum Jaguar-Vorgänger XJR-14, der aerodynamisch mit Venturi-Unterboden, großem Heckdiffusor und einen Doppeldecker-Heckflügel noch alle Aerodynamik-Stückln spielen durfte. Insofern sind die heutigen Regeln fast wieder in den frühen 1990ern angelangt…

Motorisch haben die beiden Autos bis auf die Motoranordnung und die Turbolader nichts gemeinsam; der Peugeot hat 160 PS mehr und mit 1.200 Nm praktisch das doppelte Drehmoment.

Der Tankinhalt ist mit 80 bzw. 81 Litern praktisch ident, aber der Peugeot geht mit seinem Sprit natürlich viel frugaler um. Beim Gewicht liegen die beiden wieder nahe beisammen; der WSC-95 wiegt 886 Kilogramm, der 908 HDi FAP „über 900 kg“ – mit genaueren Angaben hält man sich zurück.

Beide Autos sind aus Kohlefaser; im TWR-Porsche bediente der Fahrer ein robustes, synchronisiertes 5-Gang-Getriebe mit H-Schaltung, das noch aus dem 12 Jahre älteren Porsche 956 stammte. Im Peugeot wird ein sequentielles Sechsgang-Getriebe über Paddles bedient.

Und der wichtigste Unterschied: Der Peugeot tankt Diesel. Vor 12 Jahren war ein Renn-Diesel in Le Mans undenkbar.

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