Kolumne: Zur Dakar-Absage | 04.01.2008
Brief nach Mauretanien
An: „Al-Qaïda au Maghreb islamique“, Mauretanien
Betreff : Absage der Dakar 2008
Werte Herrschaften!
Zunächst darf ich Ihnen zu Ihrer Leistung meinen Glückwunsch aussprechen. Zweifellos fühlen Sie sich jetzt wie die Herren der Welt, weil Sie ja immerhin etwas bewegt haben (bzw. dafür gesorgt haben, dass sich nichts bewegt – „alle Räder stehen still...“ – wir kennen das). Außer uns Motorsportfreunden und wohl auch dem mauretanischen Tourismusministerium wird das allerdings kaum jemandem in der Welt etwas ausmachen. Aber bitte, jeder fängt einmal klein an.
Um mit Raphael Sperrer zu sprechen (Sie werden ihn nicht kennenlernen können, weil er heuer nicht bei Ihnen vorbeikommen wird): „Es ist eine Schande, dass völkerverbindender Sport zur Zielscheibe von sinnlosem Terror wird.“ – Ich sehe das genauso.
„Al-Qaïda“ - das dürfte in Ihren Kreisen schon ein Modelabel sein wie andernorts Dolce & Gabbana. Der standesbewusste Terrorist gehört zu einer „Al-Qaïda“. Dann reicht auf einmal der Mut aus, unbewaffnete Reisende umzubringen.
Und weil Sie sich ja auch ein religiöses Mäntelchen umhängen, darf ich Ihnen empfehlen, wieder einmal das Buch zur Hand zu nehmen, auf dem Ihr Weltbild (angeblich) beruht. Und vielleicht auch zur Abwechslung einmal darin zu blättern. Von Ihrer Art von Verhalten steht da nichts drin. Nachdem Sie sich ja unmöglich geirrt haben können, muss der Fehler unzweifelhaft höherenorts liegen.
Nur damit Sie wissen, was Sie angerichtet haben: Die Dakar ist etwas für Abenteurer. Seit 30 Jahren nimmt dieses Rennen für sich in Anspruch, das Schwierigste und Härteste zu sein, das man sich auf Rädern antun kann. Die TeilnehmerInnen sind bereit, auf dem Weg zum Lac Rose einiges auf sich zu nehmen; 50 von Ihnen haben dabei ihr Leben gelassen. Todessehnsucht verspüren sie aber trotzdem nicht.
Auch in der Vergangenheit hat es bereits Bedrohungen durch bewaffnete Gewalt gegeben, Etappen wurden übersprungen, das Feld unter Militärbedeckung weitergeschleust oder überhaupt zum nächsten Startort geflogen. Aber Sie haben endgültig geschafft, was niemand zuvor erreicht hat: Die Absage.
Na was glauben Sie - wie geht es 2009 weiter? Die A.S.O. zeigt sich jetzt noch zuversichtlich, aber Ihre kleine Firma wird nächstes Jahr um die Zeit wohl noch immer im Geschäft sein. Es ist durchaus möglich, dass sich diese Rallye in Zukunft einfach nicht mehr machen lässt. Das wäre das Ende einer 30jährigen Tradition, und das Beispiel könnte auch andere Desperados auf ähnliche Ideen bringen.
Veranstaltungen in der Art der Dakar können sich nicht in Stadien zurückziehen, sie müssen in die Welt hinaus. Das macht ihre Veranstalter erpressbar – und letztlich ist Ihr Job ja die Erpressung. Die greift heutzutage leider immer weiter um sich. Wenn der Veranstalter selbst nicht nachgibt, dann sind da immer noch die wegen negativer Publicity besorgten Werksteams. Und wenn die einpacken, bleibt eine Rumpf-Rallye über, die sportlich nicht mehr ernst zu nehmen ist.
Somit ist man wieder einmal vor Terroristen in die Knie gegangen. Bei der Dakar wird’s nicht bleiben, wir dürfen uns in Zukunft wohl auf weitere Absagen von Großveranstaltungen freuen - vielleicht kommt auch einmal eine Fußball-WM dran? Sofern Sie, meine Herrschaften, sich in ein Fußballstadion trauen. Das könnte aber gefährlich werden!
Mit dieser Terror-Taktik tun Sie sich allerdings selbst nichts Gutes, Sie spielen nur den paranoiden Global-Kriegern und Total-Überwachern in die Hand. Keiner von Euch beiden wird letztlich gewinnen, sondern wir alle werden verlieren – nämlich unsere Bewegungsfreiheit und den Individualismus. Und damit Abenteuer wie die Dakar.
Mit sportlichen Grüßen,
Ihr
Johannes Gauglica