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Wieviele WM-Titel braucht der Motorsport?

In die weite Welt hinaus

International, interkontinental, irrational: Auch abseits der Formel-Szene sprießen die Meisterschaften – erleben wir bald eine WM-Inflation?

Johannes Gauglica

Die FIA hat in den letzten Jahren ihren alteingesessenen Prädikaten der Formel-1-Weltmeisterschaft und der Rallye-WM zwei weitere Weltmeisterschaften hinzugefügt. Die Tourenwagen-WM WTCC gibt es jetzt seit 2005, heuer wird eine neue Grand-Tourisme-WM hinzukommen. Dabei geht es schon den vorhandenen Weltmeisterschaften nicht besonders gut.

Die Formel 1 bekommt ihre Kosten nicht in den Griff und versinkt in ihrer eigenen kleinlichen Politik, der WRC sind die Werke abhanden gekommen. Diese beiden Serien sind aber, gemeinsam mit NASCAR und MotoGP, immer noch ganz oben in der weltweiten Beachtung. Daneben hat es die World Touring Car Championship (WTCC) schon schwerer.

Auf Touren

Die 2005 aus der damaligen Tourenwagen-EM heraus geschaffene Meisterschaft fährt immerhin auf vier von fünf Kontinenten und reist an so entfernte Punkte wie Marokko, Brasilien und Japan. Das Reglement der Super-2000-Tourenwagen bringt spannende Konkurrenz, erweist sich jedoch auch als tickende Zeitbombe.

Denn die Techniker müssen stets die Leistungs-Balance zwischen Front- und Heckantrieb, Benzin- und Dieselmotor finden. In den letzten beiden Jahren ist das nur zum Teil gelungen. Seat hat mit dem Leon TDI heuer die Marken- und Fahrerwertung abgeräumt; das findet die Konkurrenz von BMW und Chevrolet nicht lustig.

Die Bayern sind als einzige Hecktriebler außerdem ein weiterer "Sonderfall". Seat zieht sich heuer werksseitig zurück, BMW unterstützt nur zwei Fahrzeuge. Einzig Chevy fährt mit drei Autos das volle Programm, vom Lada-Team sollte man sich wegen der Finanzschwäche des Mutterkonzerns nicht allzu viel erwarten.

Profilieren will man sich als "grüne" Meisterschaft mit Initiativen in Richtung Biosprit und CO2-Neutralität. Die WTCC wird von einem Eurosport-Tochterunternehmen veranstaltet und ist deshalb medial an den Spartensender gekettet; immerhin ist sie international im Fernsehen vertreten.

GT global

In diesem Jahr kommt eine neue WM hinzu, nämlich die GT-Weltmeisterschaft. Sie ersetzt die seit 1999 im jetzigen Format ausgetragene FIA-GT Championship und ist ein ebenso ehrgeiziges wie komplexes Projekt.

Keine Werksteams sollen am Start sein, aber nur Profi-Fahrer. Nur GT1-Autos sind startberechtigt, und zwar je zwei Teams mit je zwei Autos pro Fahrzeugmarke – ein filigranes Konstrukt. Zumal das Interesse der Hersteller, die eigentlich neue Autos der GT1-Klasse hätten entwickeln sollen, "endenwollend" war.

Ford und Nissan bringen teure Neuwagen, und sie sind jetzt vermutlich verschnupft – denn die FIA und die Promoter-Firma SRO haben als Notmaßnahme doch wiederum die derzeitigen, schon einige Jahre alten GT1-Boliden à la Maserati MC12 und Aston Martin DBR9 zugelassen. Das hätte man also billiger haben können!

Das Rennformat geht mehr denn je in Richtung Sprintrennen, damit verabschiedet man sich von der Endurance-Philosophie à la Le Mans. Und nähert sich gefährlich der DTM. Die wiederum ist seit Jahren in ihrer Rolle als selbsternannte "Formel 1 mit Dach" isoliert.

DTM mit Exportchancen?

Zwei Hersteller teilen sich die nicht unerheblichen Kosten für jeweils eine ganze Flotte von komplexen Rennwagen. Echte Privatiers gibt es in dieser von vorn bis hinten durchgeplanten Marketing-Serie nicht. Das macht das Zuschauererlebnis auch etwas steril.

Der Veranstalter ITR erwägt man neue Regeln mit Kostenersparnis und weniger empfindlichen Autos. Dafür sucht man jetzt offenbar Partner in Japan. Dort ist die SuperGT-Serie ebenso isoliert, aber die populärste Motorsport-Meisterschaft im Land, und auch in der näheren asiatischen Umgebung.

Und auch dort sucht man nach Wegen zur Kostensenkung. Ein Zusammenspiel würde auf Anhieb mehr Hersteller und damit weniger Kostendruck pro Marke bedeuten, können sich GT-WM und WTCC zweifelsohne warm anziehen.

Eine Koordination der beiden doch sehr unterschiedlichen Regelwerke würde sich jedoch im seitens der Deutschen geplanten Zeitrahmen bis 2011 nie und nimmer ausgehen; daran könnte das reizvolle Vorhaben scheitern.

Neuer Anlauf in Le Mans

Auch beim Automobile Club de l'Ouest in Le Mans hat man Lust auf "interkontinentale" Präsenz. Mit der Le Mans Series in Europa, der American Le Mans Series und der Asian Le Mans Series schreibt der ACO mittlerweile auf drei Kontinenten Meisterschaften nach Le-Mans-Reglement aus.

Ausgewählte Rennen in jeder dieser drei Serien (wovon die asiatische derzeit überhaupt nur aus einem Rennen besteht) werden exklusiv für die schnellste Kategorie LMP1 zum Inter Continental Cup zusammengefasst. Damit trägt man augenscheinlich der Tatsache Rechnung, dass die großen Teams lieber ausgesuchte Veranstaltungen als Vorbereitung für die 24 Stunden absolvieren, als sich auf eine der existierenden Meisterschaften festzulegen.

Zusätzliches Kriterium: Jedes für den Cup eingeschriebene Team muss insgesamt fünf ACO-sanktionierte Rennen bestreiten (Le Mans selbst ist davon, wie immer, ausgenommen), um gewertet zu sein. Mindestens zwei zusätzliche Rennen außerhalb des Cups müssten die Cup-Teilnehmer also noch einplanen.

Von den beiden involvierten Herstellern Audi und Peugeot zeigt sich die deutsche Marke am Cup interessiert. Peugeot hingegen winkt ab. Damit geht das alte Lied "ich fahr' mit, ich fahr' doch nicht mit" nach einer neuen Melodie weiter.

Mit Betonung auf alternative Antriebe, aber ohne durchschlagendes Konzept für mediale Vermarktung seiner Produkte wollen die Erfindes des 24-Stunden-Rennens sich als weltweite "Macht" im Rennsport etablieren und Werke in die Endurance-Szene locken. Träume von einer Sportwagen-WM, wie sie bis ins Jahr 1993 noch existiert hat, sind ebenfalls noch nicht ad acta gelegt. Das wäre dann die fünfte Weltmeisterschaft.

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