
Daytona 500 | 15.02.2010
Baustellenwarnung
"Rückkehrer" Jamie McMurray holt für Chip Ganassi Racing den Sieg in einem lange unterbrochenen Rennen über insgesamt sechs Stunden.
Geduld wurde am Daytona International Speedway belohnt – die Geduld von Chip Ganassi, der jetzt als zweiter Teamchef neben Roger Penske sowohl das Indy 500 als auch das Daytona 500 gewonnen hat; die Geduld von Jamie McMurray, der nach einer schlechten Karrierephase einen großen Sieg landen konnte; und die Geduld der Zuschauer, weil das Rennen lange wegen Schwierigkeiten mit der Asphaltdecke unterbrochen werden musste.
Vorigen Herbst fand sich der 33jährige Jamie McMurray im Ford-Werksteam von Jack Roush als fünftes Rad am Wagen wieder. In der Winterpause gelang ihm in letzter Sekunde die Rückkehr zu Chip Ganassi, bei dem einst seine Sprint-Cup-Karriere begann.
Spätestens seit dem Sonntag hat der neue Teamkollege von Juan Pablo Montoya seine erneute Verpflichtung gerechtfertigt: In einem fulminanten Finale bezwang er den unwiderstehlich von hinten heranstürmenden NASCAR-Superstar Dale Earnhardt Jr. und gewann sein erstes Daytona 500.
Es war ein wahrer Daytona-Marathon, der insgesamt nicht weniger als sechs Stunden und zehn Minuten dauerte. Grund dafür waren zwei lange Unterbrechungen, als sich zwischen Turn 1 und 2 ein Stück Asphalt löste.
Das hat seine Ursache wahrscheinlich im derzeitigen Dauerregen in Florida, der am Untergrund der 31 Grad steilen Kurven nagte – jedenfalls war es ein blamabler Anblick im selbsternannten „World Center of Racing“: die längste Zeit sah das Publikum nichts anderes als einige Bauarbeiter beim Zusammenflicken der Rennstrecke.
Was sich lange Zeit als eine sehr zähe Angelegenheit darstellte, entpuppte sich in den letzten 32 Runden aber doch noch als würdiger Daytona-Thriller.
Drei Anläufe zur Entscheidung
Auch dafür gab es Gründe. NASCAR gab erst Mitte der Woche eine Regeländerung bekannt, nach der ab sofort insgesamt drei Green-White-Chequered-Verlängerungen erlaubt sind. Passend zur Marathonveranstaltung von Daytona wurden diese gleich im ersten Ernstfall komplett ausgereizt.
Der große Leidtragende dieser neuen Regel hieß Kevin Harvick. Denn wenn es ein Auto gegeben hat, das der sehr ausgeglichenen Konkurrenz einen Hauch überlegen war, dann war es der gelb-rote Childress-Chevrolet mit der Startnummer 29, der vor Wochenfrist bereits das Budweiser-Shootout für sich entscheiden konnte.
Auch am Sonntag zeigte sich Harvick als beinharter Kämpfer, doch aller Kampfesmut nützte ihm nichts, denn beim dritten und letzten Restart wurde Harvick hinter dem Roush-Ford von Carl Edwards eingeklemmt. So verlor er den entscheidenden Schwung und landete am Ende nur auf Rang 7.
Hilfe vom Ex-Kollegen
Sieger McMurray dagegen behielt zweimal in den letzten beiden Restarts die Oberhand – beim letzteren mit Glück, denn nachdem der orange-rote EGR-Chevy mit der Startnummer 1 mit durchdrehenden Rädern nicht recht vom Fleck kam, schob ihn sein ehemaliger Roush-Teamkollege Biffle an. Einmal vorne, gab McMurray seine Führung in der Schlussrunde nicht mehr ab.
"Ich muss mich bei Greg bedanken", freute sich ein vergeblich mit den Tränen kämpfender McMurray in der Victory Lane, „meine Räder drehten durch und er hat mir wirklich aus der Misere geholfen“ - vor allem weil von hinten der Hendrick-Chevrolet von Dale Earnhardt Jr. angeschossen kam. McMurray war sich im Klaren: "Wenn Junior in Daytona direkt hinter dir fährt, dann weißt du nie, was du erwarten musst."
Superspeedway-Spezialist Earnhardt, trotz Erfolglosigkeit immer noch der populärste NASCAR-Fahrer, tauchte beim letzten Restart aus dem Nichts auf und kassierte seine Gegner fast spielerisch. Binnen zwei Runden schob er sich von P10 aus unwiderstehlich nach vorne - McMurray rettete etwa eine Wagenlänge Vorsprung.
Was bringt 2010?
Auffällig am Daytona-Resultat war die Tatsache, dass viele Piloten, die 2009 eine eher durchwachsene Saison erlebten, plötzlich weit vorne standen. Umgkehrt „stolperten“ einige der Favoriten. NASCAR-Champion Jimmie Johnson zum Beispiel erlitt gleich zweimal einen Reifenschaden erlitt und stellte sein Auto mit kaputter Aufhängung vorzeitig ab.
Trotz aller Widrigkeiten sorgten die neuen Regeln für ein dramatisches Finale und entlohnten die Zuschauer für die lange Wartezeit. Aber das mächtige Restrictor-Plate-Oval ist kein Maßstab für die aktuellen Leistungsverhältnisse im Sprint-Cup 2010.
Ein klareres Bild wird es erst nach Fontana und Las Vegas geben. In der Zwischenzeit ist in Daytona vielleicht doch wieder eine neue Asphaltdecke fällig; die letzte Runderneuerung gab es 1971…