
OÖ Automobil-Slalom-Cup: Reportage | 01.06.2010
Der Slalomsport aus der Cockpitperspektive
OOE-Slalom-Cup-Organisator Josef-Peter Helm lud motorline.cc ein, den Lauf in Steyr zu bestreiten. Auto-Slalom aus der Cockpit-Perspektive.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Josef-Peter Helm
„Ich bin Rundstrecke, Bergrennen, Porsche Supercup und vieles mehr gefahren, auf der ganzen Welt – dann habe ich aufgehört. Nach zehn Jahren wollte ich wieder fahren, da bin ich zwecks Vorbereitung Auto-Slalom gefahren. Bei den ersten Läufen haben wir recht alt ausgesehen…“ Georg Pacher zählt heute zu den Größen der heimischen Slalompisten, aber auch im Bergrennsport ist mit ihm stets zu rechnen. Pacher sagt: „Manche lachen über den Slalomsport, doch das ist komplett fehl am Platz – denn die eingefleischten Slalomfahrer sind so schnell, dass man auch als Profi recht bald alt ausschauen kann.“
Josef-Peter Helm hat mich eingeladen, mir selbst ein Bild zu machen, einmal selbst an einem Autoslalom teilzunehmen. Als Motorsport-Reporter habe ich bereits Praxiserfahrungen bei Gastauftritten in der BMW 325 Challenge, im Rallyeboliden, im Autocross-Buggy, mit dem KTM X-Bow beim Rechbergrennen, im Red Bull-Formel 1-Simulator oder im historischen Formel Ford sammeln dürfen. Auto-Slalom ist wieder etwas völlig anderes – und: ich darf an diesem Sonntag in Steyr gleich drei verschiedene Autos pilotieren, drei grundverschiedene Autos, um genau zu sein…
Der OOE-Cup
Mein Gastgeber, Josef-Peter „Josh“ Helm, ist so etwas wie der „Bernie Ecclestone“ des Oberösterreichischen Automobilslalom-Cups, er organisiert diesen Cup seit 2004, die Veranstaltung in Steyr ist das Highlight im Cup-Kalender, der Event ist beliebt, die Zuschauer werden immer mehr. Ein Vorteil ist sicher: Man überblickt den Großteil der Strecke, man kann die Fahrkünste der Piloten aus nächster Nähe betrachten. Und weil immer nur ein Pilot auf der Strecke ist, entgeht dem Publikum nichts, jeder noch so geringe Fahrfehler wird registriert. Sehr beruhigend für jemanden, der noch nie an einer solchen Veranstaltung teilgenommen hat…
“Instruktorin“ Bettina Forster
Doch „Josh“ Helm hat vorgesorgt – und mir eine „Instruktorin“ zur Seite gestellt, eine Pilotin, die genau weiß, wie man Slalom fährt. Bettina Forster hat bereits zahlreiche Slaloms gewonnen, in ihrer Klasse hat sie im Vorjahr den Gesamtsieg errungen. Die 32-jährige Oberösterreicherin fuhr ihren ersten Slalom drei Monate nach Bestand des Führerscheins. Ein Jahr zuvor begann ihr Vater mit dem Slalomsport, die beiden teilen sich seither einen Boliden. Sie gesteht: „Bei meinem ersten Slalom war ich ziemlich nervös, beim Start habe ich gerade noch die Kupplung durchtreten können, so sehr habe ich gezittert. Besonders schnell war ich nicht, aber auch nicht Letzte. Zu der Zeit war es noch etwas Besonderes, wenn eine Frau einen Auto-Slalom fährt. Es hat dann schon zwei Jahre gebraucht, bis ich vorne mitmischen konnte.“
Das Geheimnis der Linie
Worauf kommt es im Slalomsport an? Forster sagt: „Natürlich auf das Auto, das Fahrwerk, die Leistung. Vom Fahren her geht es einfach darum, auf Linie zu fahren. Das war mir einfach wichtig – wenn du nämlich schnell bist und du fährst auf Linie, dann bist du richtig schnell.“ Gerhard Nell, ebenfalls einer der Toprunner, gibt Bettina Recht: „Ich bin früher Skirennen, Slaloms gefahren, das hat mir sicher geholfen.“ Nell gibt mir zudem den Tipp: „Schau nicht auf die Hütchen, sondern auf die Linie dazwischen – man fährt dort hin, wo man hinschaut.“ Und, natürlich: „Man muss den Schwung mitnehmen – wenn du den Schwung abstichst, verlierst du gleich einmal ein paar Zehntelsekunden.“
Der Leihwagen
Bei mir geht es vorerst oder prinzipiell einmal nicht um Zehntelsekunden. Es geht zunächst darum, den Kurs zu lernen. Eine Errungenschaft des Slalomsports ist die Möglichkeit, mit einem Leihwagen zu fahren. Jeder Führerscheinbesitzer kann für das Startgeld, mit 18 Euro äußerst geldtaschenfreundlich, drei Versuche mit dem Leihauto, diesmal ein alter Renault Clio, absolvieren. Selbstverständlich benötigt man einen Sturzhelm, doch dieser muss nicht FIA-konform sein. Es muss auch keine Tageslizenz ausgestellt werden – der finanzielle Aufwand hält sich somit in Grenzen. Noch einen Effekt hat der Leihwagen. Bettina Forster, die „Josh“ bei der Organisation des Cups hilft, erklärt: „Der Leihwagen eignet sich für junge Führerscheinbesitzer, ihr Talent abseits der öffentlichen Straßen abzuchecken – wenn wir damit auch nur ein paar Burschen von der Straße auf die Slalompiste holen, ist das schon ein Erfolg.“
Ich steige in den Leihwagen, ein simples Straßenauto, ohne Überrollbügel oder sonstige Racing-Elemente. Es geht nun darum, die Strecke zu lernen – auch so mancher Spitzenpilot nützt den Leihwagen, um sich den Kurs einzuprägen. Karl Pesendorfer beispielsweise, mit 67 Jahren der zweitälteste Teilnehmer im Feld und seit langem dabei, nützt den Leihwagen gerne. Prinzipiell kann jedes Auto mitfahren, ob Serie oder Renngerät, die Fahrzeuge werden in 14 Klassen und drei Divisionen aufgeteilt. Der Unterschied zwischen den Autos ist hörbar: Die Renngeräte mit ihren Slicks bestechen mit ihrem Motorensound, die Serienhüpfer mit den Straßenreifen machen sich mit dem Quietschen der Reifen bemerkbar.
Und so quietscht es auch bei mir gewaltig, als ich das Leihauto zum ersten Mal um den Kurs jage. Es macht Spaß – und ich habe auch kein Problem damit, die Linie zwischen den Hütchen auszumachen, wobei ich im ersten Lauf einen der Pylonen zur Seite fahre, was einem drei Strafsekunden einbringt. Ich steigere mich von Lauf zu Lauf – mit meiner schnellsten Zeit fehlen mir 1,2 Sekunden auf den routinierten Pesendorfer, alles ist im Lot.
Der nächste Bolide
Doch richtig los geht es mit dem nächsten Auto, einem Renault Clio Gruppe A-Rallyeboliden, er gehört Bettina Forster, sie wird damit heuer bei der Leiben-Rallye antreten. Um sich auf den Wagen einzuschießen absolviert sie damit Slalomläufe, sowohl Bettina als auch ich können mit dem giftgrünen Boliden in der Klasse 7 Division II bis 2000 ccm antreten, je zwei Piloten dürfen sich ein Fahrzeug teilen. So konkurrenzfähig wie mit ihrem bisherigen Stammauto, einem Renault R5 Turbo in der Klasse 4 Div. I über 2000ccm wird Forster in ihrem neuen Auto nicht sein: „Das Rallyefahrwerk eignet sich nicht wirklich für den Slalomsport.“
Der Rallye-Clio ist natürlich mit allen Racing-Elementen ausgerüstet – als ich zum ersten Mal damit auf die Piste fahre, merke ich den großen Unterschied zum Leihwagen. Weil man um so viel schneller fährt, glaubt man, auf einem völlig anderen Kurs unterwegs zu sein, die Abstände sind viel geringer, ich bin damit auch prompt um sechs Sekunden schneller als mit dem Leihwagen. Jetzt erst merke ich, wie schwierige der Kurs eigentlich ist. Georg Pacher nickt: „Es geht um eine schnelle Entscheidung und darum, flexibel zu sein. Du hast oft vom Belag her eine schlechte Situation und da musst du dich darauf einstellen. Bergrennen kann man viel besser realisieren, da habe ich Werte, da habe ich Übersetzungen…“
Jeder Pilot hat zwei Trainingsläufe und drei Rennläufe, die er hintereinander absolviert, die zwei schnellsten Rennläufe werden gewertet. Nach meinem ersten, zwar fehlerlosen aber nicht gerade schnellen Versuch sagt Bettina Forster: „Du verschenkst noch zu viele Meter, du musst versuchen, die kürzeste Linie zu fahren.“ Ich versuche es und finde drei Sekunden. Die drei Rennläufe fahre ich fehlerlos, mit meiner schnellsten Zeit von 55,4 Sekunden bin ich um 3,2 Sekunden langsamer als Bettina, womit ich leben kann. Freilich: Dort, wo der Wettkampf beginnt, geht es nicht mehr um Sekunden, sondern um Zehntel- und Hundertstelsekunden…
Der Lotus Seven
Das dritte Auto, mit dem ich hier mein Glück versuchen darf, ist ein ganz besonderes Schmuckstück, ein Lotus Super Seven – und zwar nicht irgendeiner, sondern von Josef-Peter Helm höchstpersönlich aufgebaut. „Josh“ erzählt: „Ich saß in der Berufsschule und blätterte in einem Prospekt – und da sah ich den Lotus Super Seven. Und dann wollte ich unbedingt so ein Auto haben. Dann habe ich ihn als Bausatz erworben – der Aufbau hat etwas mehr als zwei Jahre gedauert.“
Mittlerweile hat Helm bereits vier Stück aufgebaut und seine eigene Firma HJP Automotive gegründet. Diese entstand auf ungewöhnliche Art und Weise: „Ich habe mir 2007 die Finger derart bestialisch gebrochen, sodass ich nichts mehr tun konnte. Ich war dann bei Andi Stollenberger und habe dort eigentlich nur mein Wissen weitergeben können – ich stand bei ihm in der Werkstatt und sagte ihm, was ich tun würde. So habe ich wenig später die Firma gegründet.“
Der gelernte KFZ-Meister arbeitet zurzeit bei MAN, langfristig möchte er aber nur noch mit seiner eigenen Firma im Rennsport tätig sein. Eine 600 Quadratmeter große Halle gibt es bereits, Helm baut nicht nur Rennautos auf, er ist auch spezialisiert auf das Programmieren von Steuergeräten: „Ich möchte mein einstiges Hobby zu meinem Hauptberuf machen.“
Mit 18 Jahren begann Helm aktiv im Kartsport, mit dem Lotus Seven fuhr er zunächst auf der Rundstrecke. „Doch das ist sehr teuer – dann habe ich mich umgeschaut und den Slalomsport entdeckt.“
Wir unternehmen mit dem für die Straße zugelassenen Lotus Seven eine kleine Spritztour, sodass ich mich an den Wagen gewöhnen kann. Helm sagt: „Das Tolle an dem Lotus ist: Er ist ein Renngerät, aber du kannst damit auch auf der Straße fahren.“
Schwerarbeit
Im Bewerb tritt der Lotus in der stärksten Division (III über 1600 ccm) an. Der Bolide fühlt sich an wie ein großes Rennkart. Wie auch mit dem Clio genügt es, die gesamte Strecke mit dem zweiten Gang zu absolvieren – was gut ist, denn mit dem kleinen Rennlenkrad und ohne Servo wird das Lenken ohnehin zur Schwerarbeit. Helm, der natürlich auch selbst mit seinem Lotus antritt, gibt mir Recht: „Ich habe mir auch schwer getan, das Lenken ist wirklich anstrengend, mir ist am Schluss die Kraft ausgegangen.“ Genau das passiert auch mir – doch zuvor passiert noch etwas ganz anderes: Mit dem superschnellen Lotus ist es alles andere als leicht, über den engen Kurs zu flitzen, beim ersten Versuch bricht beinahe das Heck aus. Was ich bei meinen ersten beiden Rennläufen zunächst gar nicht mitbekomme: Ich habe sechs respektive fünf Hütchenfehler drinnen – die Streckenposten kamen mit dem Aufstellen der Pylonen beinahe nicht mehr nach, immerhin: So viele Hütchen sind noch selten geflogen, ich sorge damit immerhin für Unterhaltung im Publikum. Unten im Zielraum kommt Bettina Forster zu mir und sagt lachend: „Du solltest bedenken, dass der Lotus hinten breiter ist als vorne, deshalb flogen so viele Hütchen.“ Diesen Rat befolge ich bei meinem allerletzten Versuch, doch da ist mir längst die Kraft ausgegangen, die Fahrt ist zwar fehlerlos, doch die Zeit konnte ich nicht mehr verbessern…
Motorsport für alle
Doch darum ging es auch nicht wirklich. Es ging darum, einmal selbst einen Auto-Slalom zu bestreiten. Was von außen irgendwie spielend leicht aussieht, ist in Wirklichkeit Perfektion in Reinkultur. Größen wie Georg Pacher, Gerhard Nell oder die Gebrüder Aichlseder arbeiten auf einem höchst professionellen Niveau, da unterscheidet sich der Slalomsport durch nichts von anderen Motorsportserien – doch im Vergleich zur Rundstrecke oder dem Rallyesport kann man auch mit wenig Budget an den Veranstaltungen teilnehmen. Einmal bei einem Auto-Slalom den Profis zuschauen und vielleicht auch einmal den Leihwagen ausprobieren – das kann hier nur empfohlen werden. Der nächste Lauf zum Oberösterreichischen Automobil-Slalom-Cup findet am 13. Juni am Linzer Voestgelände statt.