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Motorsport: Interview

"Nicht jeder Formel-1-Fahrer passt zur WEC"

Interview mit Toyota-Werksfahrer Anthony Davidson: Die steigende Attraktivität der Langstrecke und das zu große Ego mancher Formel-1-Piloten.

Die Langstreckenfans sind blicken bereits jetzt voller Vorfreude auf das Jahr 2014. Mit Einführung des neuen LMP1-Reglements wird es interessante technische Entwicklungen geben, die drei Werksteams Audi, Toyota und Porsche werden mit allen Mitteln um Erfolge in der WEC - und vor allem in Le Mans - kämpfen. Die Szene wird attraktiver und bietet nicht nur neue Reize für Hersteller, Teams und Fans, sondern auch für Piloten, meint Toyota-Werksfahrer Anthony Davidson im Interview.

Frage: "Anthony, nicht erst nach deinem Sieg in Bahrain hat man den Eindruck, du fühlst dich in der WEC pudelwohl. Stimmt dieser Eindruck?"

Anthony Davidson: "Ja, natürlich. Die WEC ist in einer guten Entwicklung. Ich fühle mich richtig wohl, hier mit einem Tophersteller engagiert zu sein. Im kommenden Jahr kommt Porsche. Mit der Ankunft von Mark Webber wird die LMP1-Klasse und die gesamte WEC noch mehr in den Fokus rücken. Ich bin hier schon sehr gut aufgehoben."

Frage: "Glaubst du, dass eine Personalie wie jene von Mark Webber so viel ausmacht?"

Davidson: "Es ist einfach so, dass durch den Webber-Deal auch die gesamte Formel-1-Szene mehr über die Attraktivität der WEC erfahren hat. Die Serie ist auch in der Königsklasse im Gespräch. Hinzu kommt, dass das Timing des WEC-Saisonfinales perfekt war."

"Eine Woche nach dem Ende der Formel-1-Saison sind wir auf der Strecke in Bahrain gefahren, die allen Fans der Königsklasse ein Begriff ist. Und das genau zu jenem Zeitpunkt, an dem bei einigen Fans die ersten Entzugserscheinungen nach dem Ende der Formel-1-Saison einsetzen. Ich bin sicher, da haben sich einige mal unsere Serie angeschaut - viele werden begeistert gewesen sein. Bei uns gibt es immer Action über mindestens sechs Stunden, in allen vier Kategorien. In der WEC ist immer was los."

Nicht jeder Formel-1-Held ist geeignet

Frage: "Außerdem verdienen in der WEC wesentlich mehr Fahrer als Werkspiloten ihren Unterhalt..."

Davidson: "Man verdient hier natürlich nicht jene Summen, die in der Formel 1 gezahlt werden. Die gesamten Budgets sind geringer. Aber dennoch: Als Fahrer kann man hier gutes Geld verdienen. Die Formel 1 schießt sich durch die hohen Kosten ohnehin selbst ins Knie. Das kann auf Dauer ja gar nicht gut gehen."

Frage: "Rechnest du damit, dass die WEC bald erste Anlaufstation für Fahrer sein wird, die in der Formel 1 keinen Platz mehr finden?"

Davidson: "Da bin ich nicht sicher. Es braucht schon besondere Fahrer auf der Langstrecke. Du musst dein Ego schön zu Hause lassen, sonst hältst du dich sicherlich nicht lange in der WEC. In der Formel 1 ist es ganz anders. Dort kämpfst du gegen jeden, und in allererster Linie gegen deinen Teamkollegen."

"In der WEC musst du möglichst eng mit deinen Kollegen zusammenarbeiten, du musst alle Informationen teilen - vor allem mit den zwei anderen in deinem Auto. Es gibt da keinen Platz für Geheimnisse. Man muss sich damit abfinden können, bei seiner Arbeit Kompromisse einzugehen: beim Setup, bei der Fahrzeit im Auto und so weiter. Das liegt nicht jedem. Man muss halt ein echter Teamplayer sein."

"Mir würden ganz spontan - ohne zu überlegen - mindestens fünf Fahrer aus der Formel 1 einfallen, die furchtbare Piloten auf der Langstrecke wären. Namen möchte ich nicht nennen, das kann sich jeder selbst denken. Es gibt in der Formel 1 einige Jungs, die nur an sich denken und nichts mit anderen teilen - und zwar niemals. Dies macht sie vielleicht zu solch erfolgreichen Formel-1-Fahrern, dieser blanke Egoismus. Diese Leute kannst du in der WEC aber nicht gebrauchen. Sie würden das aber wohl selbst auch gar nicht wollen. Die WEC wird immer attraktiver, aber wirklich nur für Fahrer und Teams, die kompatibel sind."

WEC: Pures Racing zieht andere Fans

Frage: "Dieser ausgeprägte Zusammenhalt von Fahrern, dieser weniger ausgeprägte Egoismus - lässt dies die Szene insgesamt ehrlicher erscheinen?"

Davidson: "Ja. Die Szene wirkt ehrlicher, weil es weniger Egos im Paddock gibt. Allein die Tatsache, dass weniger Geld im Spiel ist, macht den Umgang untereinander deutlich einfacher. Es gibt keinen solch großen Neid, nicht solche Grabenkämpfe. Insgesamt erscheint alles bodenständiger und der Sport auf der Strecke irgendwie ursprünglicher. Es ist purer Motorsport."

"Das merkt man auch an den Fans. Die schauen sich Le Mans und die WEC doch nicht an, weil irgendwelche Promis oder Stars zu sehen sind, sondern weil sie guten Motorsport erleben wollen. Die Fans haben mehr Ahnung, stecken tiefer in der Materie und sind technisch interessierter."

Frage: "Wie ist denn für dich der 'wahre Fan der Langstrecke'?"

Davidson: "Die WEC-Fans brauchen keinen Glamour und keine Promis und Sternchen. Ich finde das gut. Auf der anderen Seite, wenn man sich mal wochentags durch die TV-Kanäle schaltet, dann habe ich den Eindruck, als würden Stars und Sternchen bei den jungen Leuten hoch im Kurs stehen (lacht)."

"Generell geht es in der WEC weniger um Personen, sondern vielmehr um die Teams und die Autos. Es ist schließlich auch so, dass man im Rennen nicht einmal den Fahrer erkennen kann, sondern nur, welches Auto mit welcher Startnummer es ist. Wer da wirklich gerade hinter dem Steuer sitzt, ist in vielen Fällen zweitrangig. Das ist wohl der größte Unterschied zwischen der Formel 1 und den Sportwagen."

Das Heldenhafte auf der Langstrecke

Frage: "Fehlt dir persönlich diese Aufmerksamkeit nicht, die du aus der Formel 1 kennst?"

Davidson: "Ich bin von den Sportwagen begeistert. Ich bin ein Teamplayer und fühle mich deshalb pudelwohl. Aus meiner langen Zeit als Testfahrer habe ich vieles für meine WEC-Einsätze gelernt. Mich hat diese Arbeit gut auf die Sportwagen vorbereitet."

"Ich musste immer wieder ein Rennauto abstimmen, das dann jemand völlig anderes im Rennen fahren durfte. Ich konnte dann nur zuschauen, wie das Auto schließlich fährt. Das war hart, das hat geschmerzt, aber ich habe dabei gelernt, ein Teamplayer zu sein. Ich mag die Kameradschaft und den Zusammenhalt der Fahrer. Nicht falsch verstehen: Es gibt auch hier noch einen Wettbewerb, aber eben einen, der völlig anders ist."

Frage: "Dein Toyota-Kollege Alex Wurz betont immer mal wieder, dass die WEC und Le Mans etwas Heroisches an sich hätten. Siehst du das auch so?"

Davidson: "Bei den Sportwagen spielen so viele Faktoren eine Rolle. Zuverlässigkeit, Verkehr und Strategie - das alles ist auch in der Formel 1 gewissermaßen ein Thema. Der Unterschied aber mal als Beispiel: Wenn ich im LMP1 einen Bremsplatten habe, dann muss ich den bis zu 45 Minuten mit mir herumschleppen."

"Solche Autos zu fahren, macht einfach unheimlich viel Spaß. Wir haben in Le Mans noch Gefahren, wir haben Heldentum, wir haben Spektakel. Da kommt in der Formel 1 höchstens Monaco oder Monza heran. In Le Mans zu fahren, ist etwas unvergleichlich Tolles. Man muss dort gegen so viele Widerstände ankämpfen, es gibt immer solch schwierige Phasen im Rennen. Das alles ist einfach nur cool!"

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